by Meisenkaiser
Pazzer, Mastermind von Totenmond, gilt als ein wenig maulfauler Zeitgenosse. Der auch noch kompromisslos seinen eigenen Weg geht, Überraschungen nicht ausgeschlossen. Beispiel Nummer eins: Die tolle "Auf dem Mond ein Feuer"-Scheibe mit heftigen Punk-Cover-Knallern. Dass Dünnbier Mist ist, wusste ich zwar vorher, aber dass Kollege Punk auch gerne zum HSV geht, hätt´ ich wiederum nicht gedacht. Und was Anarchisten und Gerüstbauer gemeinsam haben, erfahrt Ihr auch. So Ihr euch das kommenden Gespräch mit dem keineswegs mit Worten sparsamen Schwaben zu Gemüte führt.InterviewNa, Pazzer. Das vierte Interview in Folge. Noch Lust?Jaja. Geht schon. Ich rede ja eigentlich nich so viel...
Und wie sieht´s aus bei dem schönen Wetter. Ordentlich am Touren?
Nee. Überhaupt nicht. Wir sind ja derzeit nur zu zweit. Unser Bassist Garcia ist 2000 ausgestiegen. Und es ist echt schwierig jemanden zu finden. Wir kommen halt aus der Provinz (Backnang) und da kriegste so leicht niemanden hin. Außerdem muss es auch menschlich passen. Alles andere macht keinen Sinn.
Warum heißt Ihr eigentlich "Totenmond"?
Weiß ich gar nicht mehr so genau, das is schon soooo lange her (Die Namensänderung von Wermut in Totenmond erfolgte 1990). Ich habe mal was von einem Keltenstamm gelesen. Und der hat den Geist seiner Toten halt auf dem Mond vermutet. Oder so ähnlich. Is ja auch scheißegal. Soll sich halt jeder denken, was er will.
Was sollen die Hörer denn von Eurer neuen Scheibe denken? Alles "nur" Coverversionen!
Da sind die Songs, mit denen wir aufgewachsen sind. Live haben wir schon immer Punksongs gespielt. Jetzt wollten wir halt mal ne ganze Scheibe mit solchem Krach aufnehmen. Das ist einfach eine nostalgische Geschichte. Wir wollen unseren Helden von damals huldigen.
Und? Zufrieden?
Schon. Aber ich hätte mir zehn weitere Songs gewünscht. Das war echt die schwierigste Entscheidung, sich auf einige festzulegen, andere herauszuschmeißen. Außerdem hatte uns die Plattenfirma (Massacre/ Connected) anfangs vier Wochen Studiozeit versprochen. Und hat dann auf zwei Wochen gekürzt. Da haben wir den ganzen Kram in nur drei Tagen eingeprügelt. Das war ´ne ziemliche Stress-Scheiße, ein bisschen schade. Aber so was hat auch seinen Vorteil: Alles klingt livehaftiger, rauer, dreckiger.
OHL galt früher als CDU-Punk...
Da geb´ ich nix drauf. Ich find´ die Band gut und der Text von "Belsen ist ein KZ" spricht ja wohl für sich.
Was bedeutet "Punk" denn für Dich?
Wir sind sicher keine typische Metal-Band. Dafür stecken wir viel zu tief drin im Punk. Das merkt man an den Texten, aber auch an der Musik. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Platten, ob nun "Fleischwald", "Lichtbringer" oder eben die neue "Auf dem Mond ein Feuer". Ich verstehe deswegen überhaupt nicht, warum wir manchmal in die rechte Ecke gestellt werden. Wegen meiner "kurzen Haare" etwa? Wer sich unsere Texte anhört, müsste eigentlich erkennen, dass dem nicht so ist. Viele Missverständnisse kommen wohl wegen der Schriften zustande, die wir auf unseren Covers verwenden. Aber an sich sind diese Vorwürfe wohl nix anderes als Revoluzzergeschwafel von Hinterbänklern, die sich nach vorne schummeln wollen. Diese ganzen Klischees nerven eh ab: Kurze oder lange Haare, Ossi oder Wessi bla, bla bla. Alles egal, solange die Einstellung stimmt.
Und die wäre?
Ich würde uns durchaus als politische Band bezeichnen. Deswegen bin ich aber noch lange kein Kommunist. Ich würde mich eher als Anarchisten oder Autonomen bezeichnen. Herrschaftslosigkeit und Autoritätslosigkeit sollten als Stichwörter genügen.
Apropos Stichwörter. Eure Totenmond-Texte gelten gemeinhin als metaphorisch. Auf dem Mond ein Feuer hingegen glänzt mit plakativen Zeilen.
Stimmt. Ich denke, dass wir mit unseren eigenen Texten eher zum Nachdenken angeregt, Auseinandersetzungen und Diskussionen gestartet haben. Mit Klischees wie "Nazis raus" kannst du keinen Arsch mehr hinterm Ofen vorlocken. Aber manchmal muss man sich auch einfach auskotzen. Und das haben wir eben auf der neuen Scheibe gemacht..
Ganz und gar nich Punk: Du gehst einer geregelten Arbeit nach.
Arbeit bedeutet für mich Lebenserhaltung, sich wohl fühlen. Und dafür braucht man hierzulande nun mal Geld. Ich habe Raumausstatter gelernt, eine Zusatzausbildung gemacht, als Autolackierer gearbeitet. Im Moment schaffe ich als Gerüstbauer.
Auch nich Punk: Du bist großer Fußball-Fan.
Jau. Aus Lokalpatriotismus geh´ ich zu den Stuttgarter Kickers, seit meiner Kindheit bin ich außerdem HSV-Fan.
Na prima, endlich mal kein Freund des Vereins vom Millerntor...
Ja und ich gehe so oft wie möglich ins Stadion. Allerdings gefällts mir in den kleinen Stadien inzwischen viel besser, auch wenn die Stimmung im Volksparkstadion (jaja, jetzt AOL-Arena) echt klasse ist. Aber diese Wurst- und Bieratmosphäre is cooler. Und dann diese Platzanweiser und so weiter. Und Dünnbier is eh Mist. Deswegen und wegen der Entfernung bin ich natürlich häufiger am Degerloch.
Mal wieder zurück zur Musik: Wie geht´s denn nun weiter mit Totenmond?
Fünf Stücke für die nächste Scheibe sind bereits fertig. Der Rest wird jetzt fertig komponiert und dann einstudiert. Das geht eigentlich recht schnell. Im Februar wollen wir dann wieder ins Hamburger Soundgarden-Studio, wieder mit Chris Rautenkranz. Es funktioniert mit ihm auch auf menschlicher Basis. Ach. Und es wird wieder ein Coverversion geben, in härterer und kürzerer Version als das Original: Child In Time von Deep Purple wird´s wohl werden.
Und schon wieder hat er überrascht. Ach und noch was: Wenn irgendwer Lust hat, Bass bei Totenmond zu spielen oder jemanden kennt... Einfach anfragen bei den Jungs.