Interview:

2002-05-25 Theatre Of Tragedy

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Die Band aus Stavanger ist erfolgreicher denn je - nur warum das so ist, wissen die Musiker bis heute selbst nicht.<br> Gut ein halbes Jahrzehnt hat es gedauert, bis sich die norwegische Band "Theatre of Tragedy" nach ihrer Gründung im Jahr 1995 international behaupten konnte. Von einigen Szenehits einmal abgesehen, gelten "Theatre of Tragedy" eigentlich erst seit der Veröffentlichung ihres erfolgreichen Albums [´mju:zik] Ende des Jahres 2000 als einer der zugkräftigsten skandinavischen Acts, woran sie mit ihrer aktuellen CD "Assembly", die im März auf den Markt kam, natürlich gern anknüpfen möchten. Derzeit sind Sängerin Liv Kristine Espenæs, Sänger Raymond I. Rohonyi und der Rest der Band gemeinsam mit den beiden vielbeachteten Newcomern "Entwine" aus Finnland und ihren norwegischen Landsleuten "Ram-Zet" wieder mal auf Europa-Tour - beste Gelegenheit also für ein Interview mit Drummer Hein Frode Hansen und Gitarrist Vegard K. Thorsen.InterviewIn den vergangenen Jahren hatten "Theatre of Tragedy" immer wieder große Probleme mit wechselnden Besetzungen, so dass auch musikalisch kaum Stabilität entstand. Ist das nun vorbei?





Hein: In den letzten beiden Jahren hat sich unser Line-Up nicht mehr großartig geändert, nachdem "Theatre of Tragedy" Anfang vergangenen Jahres wieder von fünf auf sechs Musiker vergrößert worden war. Unser früherer Gitarrist Tommy Olsen musste die Band 1999 wegen familiärer Probleme verlassen, danach spielte Vegard bei uns zuerst nur als Session-Musiker. Das im Sommer 2000 aufgenommene Album [mju:zik] haben wir noch zu fünft - also ohne ihn - produziert, seit Anfang letzten Jahres gehört er fest zur Band. Das heißt, wir sind jetzt zu sechst uns wollen es auch bleiben.







Änderte der Weggang von Tommy Olsen auch den Stil der Band?



Hein: Naja, so viel haben wir uns nicht geändert, sind unserem Stil über all die Jahre hinweg eigentlich absolut treu geblieben. Vielleicht spielen wir unsere Songs heute etwas schneller, als das früher der Fall war, haben uns etwas mehr auf die Elektronik ausgerichtet, aber sonst…?




Vielleicht etwas kommerzieller geworden - seid ihr auf der Suche nach neuen Hörern, nach größerem Erfolg?



Hein: Wenn wir ein Album produzieren, denken wir eigentlich wenig daran, ob das nun erfolgreich sein wird oder nicht. Wenn ein Album wie [mju:zik] dann auch den entsprechenden Erfolg bei den Fans hat oder einzelne Videos bei Viva 2 rauf und runter gespielt werden, ist das natürlich sehr schön, aber es lässt sich nicht planen.


Vegard: Wir haben auch noch keine Ahnung, wie das neue Album "Assembly" bei den Leuten ankommen wird, dafür ist es noch zu neu.

Hein: Unbestritten ist die Band aber erfolgreicher als je zuvor, aber woran das liegt, wissen wir auch nicht - wir sind dieselben Musiker, machen die gleiche Musik wie vor fünf Jahren…




Und dieser Erfolg lässt sich dann auch auf der Tour an der Resonanz des Publikums spüren?




Vegard: Um ehrlich zu sein, bei manchen Konzerten hätten wir schon ein paar mehr Leute erwartet, vielleicht ist es draußen ja zu warm, vielleicht sitzen ja alle in der Sonne und trinken Bier, anstatt zu Konzerten zu gehen, ich weiß es nicht. Aber diejenigen, die zu den Konzerten gekommen sind, haben die Shows genossen, beispielsweise in Halle und Zwickau, da hatten wir großartige Auftritte.




Was ist das Geheimnis, dass innerhalb nur eines Jahrzehnts so viele Dark-Bands aus Skandinavien weltweit für Furore gesorgt haben, nachdem zuvor so gut wie nichts aus Norwegen, Schweden oder Finnland zu hören war - von "Abba" oder den "Leningrad Cowboys" einmal abgesehen, die ja wohl kaum zur Szene zu zählen sind?





Hein: Das hängt bestimmt mit unseren langen Wintern zusammen, vor allem bei uns in Stavanger in Nordnorwegen geht die Sonne dann kaum ein paar Stunden auf, da ist es ist wirklich lange dunkel. Wahrscheinlich ist das die beste Zeit, um depressive Musik zu schreiben. Im Winter ist es so schrecklich langweilig in Norwegen und Finnland - das einzige, was man bei uns in dieser Jahreszeit machen kann, ist, sich grenzenlos zu langweilen. Vielleicht sind wir deshalb einfach ein bisschen depressiver, als andere Leute.




Nun klingen "Theatre of Tragedy" aber alles andere als depressiv…





Hein: Nein, sind wir ja auch nicht, vielleicht früher, als wir jünger waren und frustriert, weil wir nicht genug Sex bekamen… (lacht). Aber jetzt als Rock-Stars haben wir jede Menge wilde, wilde Frauen. Eben Sex, Drugs and Rock´n Roll (und nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Pappbecher mitglasklarem Mineralwasser)




Ihr werdet gern als "Goth-Metal"-Band vermarktet, aber eure Musik hat mit dem typischen skandinavischen Gothic ja nun vergleichsweise wenig zu tun?





Hein: Ich denke auch, dass wir musikalisch nicht unbedingt nach Skandinavien gehören, und als Gothic-Band sehen wir uns auch nicht, eher als Rocktronica, als Band, die Rock´n Roll mit Elektronik verbindet. Die Plattenfirmen versuchen immer, einem ein Etikett aufzukleben - das brauchen sie, um die Band zu verkaufen. Und ich bin sicher, keiner Plattenfirma ist es gelungen, uns richtig einzuordnen, die haben keine Idee, was sie mit uns machen sollen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die sich nicht einmal die CDs angehört haben, bevor sie sie vermarkten. "Theatre of Tragedy" haben in den vergangenen Jahren einen eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt - ich habe bisher keine andere Band gehört, die wie "Theatre of Tragedy" klingt. Eine englische Musikzeitung hat uns mal als die "perfekte Kombination aus "Rammstein" und "The Cardigans" bezeichnet - als hart, aber immer noch melodisch. Naja, ist eben auch so ein Etikett…




Ein Markenzeichen von "Theatre of Tragedy" ist die Kombination der sirenenhaften und überaus femininen Stimme von Liv Kristine Espenæs und den rauen, aggressiven Gesängen von Raymond I. Rohony. Aber das hat sich doch auch deutlich geändert - früher eher als Kontrast angelegt, harmonieren heute beide viel mehr.





Vegard: Genau das war auch beabsichtigt - wir wollten wieder mal etwas Neues probieren, ohne gleich das ganze Band-Konzept neu erfinden zu müssen, und das funktioniert auch sehr gut. Aber wir haben die Kontraste, die es musikalisch innerhalb der Band gibt, nicht wirklich verändert - geblieben sind die harten Gitarren und die melodische Elektronik als Gegenpol sowie die beiden Sänger mit ihrer unterschiedlichen Herangehensweise an die Songs.




Inwieweit versuchen die Plattenfirmen, euch bei der Produktion eines Albums zu beeinflussen?





Hein: Gar nicht, das lehnen wir völlig ab! Was am Ende auf einer CD ist, das ist ausschließlich "Theatre of Tragedy" - von der Musik über die Cover bis hin zu den Bandfotos.




Was denkst Ihr über die momentane Entwicklung der Pop-Musik?





Hein: Naja. Also: Eine ganze Menge von dem NuMetal-Zeug finde ich ganz okay, auch wenn viele sagen, die meisten dieser Bands wie "Linkin Park" oder "P.O.D." eigentlich nur schlecht sind, weil sie viel zu kommerziell sind. Aber die haben viele wirklich gute Songs und ansprechende Texte, die die Kids mögen. Was ich persönlich mag, sind "Deftones" und "Korn", deren letzte Alben wirklich gut waren.




Gibt´s irgendeinen Geheimtipp?





Hein: Mal nachdenken… Ja, "The Crest" aus Norwegen, die spielen eine ganz aufregende Mischung aus "Lacuna Coil" und "Theatre of Tragedy". Kann ich nur empfehlen. (KPK)

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