Interview:

2004-02-01 Raunchy

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Aufgepasst: "Confusion Bay", das neue Album der innovativen fünf von RAUNCHY knallt aus den Boxen wie kleine Explosionen aus einem Labor für futuristische Kampfstoffe. KORN-Entdecker Ross Robinson wollte die Dänen unter seine Fittiche nehmen. Roadrunner haben neidisch zur Seite geschielt. Schreihals und Stimmwunder Lars Vognstrup klärt selbstbewusst über Namedropping, Vorbilder und Nachahmer auf und am Ende platzt eine Bombe...InterviewKann man sagen: Was lange währt wird endlich gut? "Crack Of
Dawn", der Hit eures letzten Albums "Velvet Noise" war zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung im Jahr 2002 schon acht Jahre alt - und wirkte trotzdem
frisch und auf der Höhe der Zeit. Zwischen den beiden Studio-Terminen
von "Velvet Noise" und dem aktuellen Killer-Album "Confusion Bay"
blieben euch drei Jahre für das Songwriting.

Lars: An dem Sprichwort ist schon etwas wahres dran
- auch wenn es sicher eher bei gutem Wein oder klassischen Gebäuden
passt als bei uns. Wenn man gerade die Inspiration hat, braucht man
maximal einen Tag um einen geilen, wirklich guten Song zu schreiben. Auf
unserem ersten Album waren, glaub´ ich, vier ältere Songs, aber die
anderen haben wir in nicht mal zwei Wochen kurz vor und während der
Aufnahmen gebastelt, zu denen wir bis dahin nur ein paar wage Ideen
hatten. Wir sind alle zusammen aufgewachsen, die Band gibt es in dieser
Form seit der achten Klasse. In punkto Songwriting sind wir ein blind
aufeinander eingespieltes Team: Wenn zum Beispiel einer der Gitarristen
mit einem Riff oder ein paar Akkorden ankommt, reagieren die anderen
meistens sofort und greifen die Idee auf. Die Musik zu "Confusion Bay"
hatten wir in zwei Monaten fertig. Es blieb uns auch nichts anderes
übrig: Unser Schlagzeuger hatte bis zwei Monate vor unserem Studiotermin
in einem anderen Landesteil von Dänemark gelebt. Ich hatte es bis dahin
noch nicht mal bis in unseren Proberaum geschafft - aus anderen Gründen
allerdings. Selbst schuld, also musste ich während der zwei Wochen im
Studio Texte schreiben und mir Gesangsmelodien für elf Songs ausdenken.
Zum Glück haben mir die anderen mit den halbfertigen Songs genug
Anregungen geliefert, so dass ich es rechtzeitig fertig bekommen habe.
Ach ja: Wie sind alle ganz verrückt stolz auf das Ergebnis!


Ihr wart wieder mit demselben Produzenten im Studio, der euch
schon seit euren Demo-Zeiten aufnimmt. Im Vorfeld konnte man Gerüchte
hören, Erfolgsproduzent Ross Robinson (kümmert sich momentan um die
Newcomer Glassjaw und Amen, hat Millionenseller mit Slipknot, Limp
Bizkit, Machine Head und Korn produziert) sei ganz wild auf RAUNCHY.
Warum ist aus der Kooperation nichts geworden?


Lars: Ross wollte uns in erster Linie fest an sein I AM
Label binden, ihm war nicht klar, dass wir mit Nuclear Blast schon einen
Plattenvertrag haben. Das war das einzige Problem. Aber wir haben noch
immer Kontakt - also schauen wir mal, was da in der Zukunft draus
wird... Aber Jacob Hansen ist ein großartiger Produzent, und es ist
lustig, mit ihm abzuhängen. Wir hatten wirklich viel Spaß bei den
Aufnahmen.


Wenn man euren Steckbriefen auf der Homepage glauben kann, hört
ihr sechs (außer Lars Vognstrup sind das die Gitarristen Lars
Christensen und Jesper Andreas Tilstedt, Bassist Jesper Kvist,
Keyboarder Jeppe Christensen und Schlagzeuger Morten Toft Hansen) eine
Bandbreite an Musik von den extremen Polen Grindcore bis Swing, die in
mancher Wohnung das Regal sprengen würde. Und ihr versteckt eure
Einflüsse nicht gerade. Was hat euch in den letzten Jahren alle zusammen
am meisten gepackt?


Lars: Stimmt, das ist witzig. Aber ich schreibe nur die
Gesangslinien, am eigentlichen Songwriting bin ich nicht beteiligt. Ich
höre noch ganz andere Sachen von denen die anderen noch nicht mal ahnen.
Wie etwa die süüße schwedische Independent-Band YVONNE, einige
Garagenbands im Sixties-Stil oder NICK CAVE AND THE BAD SEEDS. Oder THE
FALL, und ich höre gern älteren und neueren Electronic-Kram.
Währenddessen hören die anderen Bands vom brutaleren Ende der Skala, von
denen ich noch nicht mal den Namen kenne. Trotzdem ist das cool, denn
meistens mögen sie, was ich mir einfallen lasse - und umgekehrt. Unser
kleinster gemeinsamer Nenner sind wahrscheinlich FAITH NO MORE und
METALLICA.


Welche Band dürfte denn nie und nimmer ins Kassettendeck von
eurem Tourbus?


Lars: BLACK EYED PEAS. Und MANOWAR.


Was wäre wenn New Metal jetzt tatsächlich tot ist, also
spätestens seitdem KORN ihr vorletztes Album "Untouchables" haben
floppen lassen. Kratzt das wen?


Lars: Vielleicht Ross Robinson? Mike Patton wäre
wahrscheinlich froh, wenn die dummen Kinder endlich aufhören, ihn als
Vorbild zu nennen. Die meisten Amerikaner würde es stören.


Ihr seid schuld, denn ihr wart die ersten: Ziemlich schnell nach
euch haben auch MNEMIC bei Nuclear Blast einen Plattenvertrag bekommen.
Gibt so etwas wie eine Szene in Dänemark?


Lars: Ich denke, wir haben die Aufmerksamkeit auf
Dänemark gelenkt, als niemand dachte, das hier in Sachen Metal was zu
holen ist. Denn es gibt hier so was wie eine Metal-Szene. MNEMIC sind
eine verdammt geile Band, die jetzt wirklich durchstarten. Aber was weiß
ich schon.


Letztes Jahr habt ihr auf dem legendären Wacken Open Air
gespielt. Habt ihr irgendwelche Idole eurer Jugend getroffen?


Lars: Wir haben SLAYER von weitem im Backstage gesehen.
Aber leider nicht mit ihnen gesprochen oder so was.


Nach diesem Album wollt ihr endlich auch außerhalb von Dänemark
oder Festivals auf die Bühnen klettern. Habt ihr da eine Band im Auge,
mit der ihr gern auf Tour gehen würdet? Die wiedervereinigten FEAR
FACTORY vielleicht?


Lars: Vielleicht ist eine Tour mit IN FLAMES oder
SOILWORK gar nicht mal so unrealistisch. Aber da gibt es noch nichts
konkretes.


Und dann war da noch...

...eine kleine Notiz auf der Homepage von ICS, der Booking-Company von
RAUNCHY: "Die Tour von RAUNCHY ist gecancelt, weil die Band einen neuen
Sänger sucht." Natürlich habe ich daraufhin noch einmal nachgefragt: Das
ist doch eine Ente, oder?


Lars: Ohh... Eigentlich wollten wir das noch ein bisschen für uns
behalten. Für uns stand das schon fest, bevor wir für "Confusion Bay"
ins Studio gegangen sind. Ich habe einfach viel zu viel mit meiner
anderen Band zu tun. Mit der mache ich was ganz anderes, einen völlig
anderen Stil. Ich liebe RAUNCHY, aber ich denke, die Band kommt weiter
mit jemandem, der den Job 100-prozentig macht. Ich brauche mein anderes
Projekt, um mich ausdrücken zu können, und wir wussten allesamt schon
sehr lange, dass ich mich irgendwann entscheiden muss. Nun habe ich mich
entschieden, und es ist seltsam. Die anderen bedauern das ziemlich, aber
sie haben jemanden gefunden, der es live bringt. Und selbst ich bin
traurig und fühle mich ein bisschen wie der Böse, aber es ist auch cool,
das es raus ist. Vielleicht kann ich trotzdem noch ein paar Songs zum
nächsten Album beitragen, oder als Gast auf die Bühne springen, wenn sie
mich lassen. Zum Glück verstehen wir uns trotzdem noch - und darüber bin
ich froh!

Kalte Füße? Nix kalte Füße, auf zu neuen Ufern: Sänger Lars Vognstrup rechts außen mit blauer Mütze.