Interview:

2020-10-01 Interview mit DRITTE WAHL in 3D

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"Unterhaltung mit Haltung": das neue Album von DRITTE WAHL ist frisch auf dem Markt und wird sowohl Metaller als auch die Punkrock-Fraktion völlig zufriedenstellen. Grund genug, die Band, vertreten durch Gitarrist/Sänger Gunnar, zum Rapport zu rufen.Interview

Herzlichen Glückwunsch zum neuen Album „3D“, welches die konsequente Fortführung des Erfolgsalbums „Halt Mich Fest“ bedeutet. Wie empfindet Ihr die ersten Reaktionen auf Euren neuen Output?

Vielen Dank! Die Platte kommt bei den meisten Fans und Rezensionen sehr gut an. Darüber freuen wir uns natürlich. Aber klar, es gibt auch kritische Stimmen, das bleibt nicht aus. Aber insgesamt sind die Reaktionen sehr positiv.

Warum hat es geschlagene drei Jahre gedauert, bis wir in den Genuss von „3D“ kommen durften, und was steckt überhaupt hinter dem Albumtitel „3D“?

Wir brauchen halt immer etwas um uns aus dem Schreibtief nach einem Album-Release wieder raus zu kämpfen. Album-Depression! Letztlich finde ich aber einen Abstand von zwei bis drei Jahren eigentlich auch cool. Man darf nicht zu viel machen, sonst sind es sie Leute vielleicht auch irgendwann mal über. „3D“ kam uns so in den Sinn und eigentlich, wenn man DRITTE WAHL heißt, dann hätte man in den 32 Jahren auch schon mal früher auf die Idee kommen können, ein Album so zu nennen. Liegt ja an sich auf der Hand! Unser Grafiker und unser Lichtdesigner für die Live-Konzerte waren mit dem Thema auch ganz zufrieden. Da kann man gut mit arbeiten. Letztlich haben wir nun sogar einen gleichnamigen Song auf der Platte, also alles in Allem eine runde Sache.

Jetzt müssen wir leider zu einem Thema kommen, welches in diesem Interview angesprochen werden muss. Als Punkrock-Band seid Ihr nicht nur für gute Platten bekannt, die Mehrzahl der Fans wird Euch aber wegen Euren starken Live-Auftritten lieben. Dieser Faktor fällt ja Corona-geschuldet erst einmal aus. Wie geht Ihr mit der Situation um? Ein neues Album ohne Tour muss für DRITTE WAHL doch irgendwie eine traurige Episode der Bandgeschichte sein?

Tja, es ist bitter und hart, aber es liegt nicht in unserer Hand. Wir haben länger überlegt, ob wir die Platte jetzt rausbringen, aber wer weiß, wann es weitergeht?! Nachher warten wir ein bis zwei Jahre und bringen dann ein altes Album raus, das wir selbst nicht mehr hören können?! Noch sind die Songs frisch, und wir wollten einfach, dass sie jetzt gehört werden und nicht erst in einer unbestimmten Zukunft. Mit einer Tour wäre es aber natürlich schöner!

Durch die fehlende Tour werden Euch als Vollzeitpunks auch Einnahmen wegbrechen. Ist dies bei einer Band Eurer Größenordnung schon existenzgefährdend?

Bei uns als Band geht es noch. Unsere Fans sind wirklich super solidarisch, und sie haben uns unseren Internet-Shop nahezu leer gekauft.  Das wird natürlich mit der Zeit  verständlicherweise auch weniger, aber uns geht es ganz gut. Ich denke mehr an unsere Crew und die Clubs und ihre Crews. Für die sind das jetzt ganz harte Zeiten. Wir drücken allen die Daumen, dass sie diese Situation, in die sie ja unverschuldet hineingeraten sind, wohlbehalten überstehen. Vielleicht hilft ja die Politik doch noch etwas  aus, obwohl meine Hoffnung da gering ist. Kultur kann halt nicht fliegen oder fahren!

Ihr arbeitet immer noch gerne im Do-It-Yourself-Verfahren, was bedeutet, dass „3D“ auf dem bandeigenen Label erscheint. Ist dies in der heutigen Corona/Spotify/MP3- Welt die einzige Möglichkeit, noch echtes Geld mit einer Veröffentlichung zu machen?

Naja, draufzahlen werden wir bei der Produktion von „3D“ hoffentlich nicht, und es wird auch etwas hängen bleiben, wenn es so läuft wie gewünscht, aber eigentlich schiebt man heute mit einer Platte immer auch die Tour an. Wir hoffen natürlich, dass die Leute trotzdem kommen, wenn es wieder weitergeht und nicht denken, „jetzt kommen DRITTE WAHL mit einem alten Album um die Ecke“!

Euer Album kategorisiert Ihr mit „Unterhaltung mit Haltung“, und somit finden sich wieder viele politische Songs auf „3D“. Als Beispiel möchte ich „Brennt Alles Nieder“ nennen, bei dem man schon eine gewisse Wut in Euch bemerken kann. Nach 32 Jahren DRITTE WAHL seid Ihr noch immer nicht müde, die Finger in Wunden zu stecken. Wird man nicht langsam altersmüde und stumpft ab, oder ist dies Euch eine Herzenssache?

Tja, die Altersmilde scheint noch etwas auf sich warten zu lassen. Wir sind aufmerksame Menschen und verfolgen das Geschehen in Deutschland und der Welt recht genau. Und wir können einige Geschehnisse aus der Vergangenheit nicht einfach so vergessen. Bei „Brennt Alles Nieder“ geht es zum Beispiel um die Geschichte in Rostock Lichtenhagen 1992. Das ist fast 30 Jahre her, aber man hat heute das Gefühl, es könnte jeden Tag etwas Ähnliches oder sogar Schlimmeres passieren. Wenn man sieht, dass heute Rechtsradikale gezielt oder wahllos Menschen ermorden, bekommt man einfach eine Mega-Wut, auch auf die Politik, die jahrelang nur nach links geschaut hat und noch heute immer vor den Gefahren von Rechts- UND Linksextremen warnt. Es ist einfach nicht die Zeit um das stillschweigend hinzunehmen.

Politisch ward und seid Ihr textlich als auch mit Aussagen immer politisch gewesen und habt Flagge gezeigt. Viele von Euch (oder alle?) haben Familie und Kinder. Gebt Ihr Eure Haltung auch an die nachfolgende Generation weiter, und wie steht diese zu dem Job ihrer Väter?

Ja klar, wir reden zuhause viel über Politik, und die Kids haben schon sehr vernünftige Ansichten. Das ist uns ziemlich wichtig, denn Veränderung fängt erst mal bei jedem selber an.

Euch war als Künstler immer wichtig, Eure Freiheit zu behalten und euer Ding durchzuziehen. Gab es in Eurer Karriere auch Momente, wo mit Geldscheinen gewedelt wurde um Euch für den Mainstream salonfähig zu machen?

Nein. Es gab mal hier und da Angebote für Plattenverträge, aber ohne dass man an unseren Songs oder unserem Stil rumpfuschen wollte. Bei einer Offerte gab es damals allerdings eine Klausel, dass wir  in den nächsten drei Jahren jährlich ein neues Album liefern sollten. Zeitdruck kommt für uns aber nicht in Frage, und überhaupt finden wir das ganz cool, autark zu sein.

Ihr habt schon immer ein wenig mit dem Metal kokettiert. Ich z.B. bin vor einer halben Ewigkeit mit DRITTE WAHL durch einen Rock Hard-Sampler-Beitrag auf Euch aufmerksam geworden. Mit „Fabelhafte Vorrausetzungen“ wird wieder der Dampfhammer rausgeholt. Zielt Ihr hier bewusst auf die Zielgruppe der Metaller ab, oder liegt Euch der Metal einfach im Blut?

Nein, das ist kein Kalkül. Das ist einfach passiert. Wir hatten die Idee, und weil wir alle mehr oder weniger mit Metal aufgewachsen sind, waren wir auch offen für etwas ruppigere Klänge. Wir versuchen zu vermeiden, „gewollte Musik“ zu machen.

Interessant ist bei diesem Song auch der textliche Hintergrund. Hier schießt Ihr besonders politisch auf alles und jeden. Könnt Ihr mir hier mehr Hintergrundinformationen geben?

Na, es geht um die aktuelle Zeit, in der so merkwürdige und gefährliche Leute an den längsten Hebeln der Macht sitzen. Dass solche Menschen wie Trump oder Bolsonaro in demokratischen Ländern gewählt werden könnten, hätten wir eigentlich gar nicht für möglich gehalten. Mit diesen Gestalten wird die große Weltpolitik völlig unberechenbar, und wir sehen darin eine große Gefahr für den Frieden auf der Erde.

32 Jahre DRITTE WAHL. Wie wird es für Euch weitergehen? „3D“ zeigt noch den gleichen Hunger wie zu Gründungszeiten, aber wie lange könnt Ihr den Laden noch am Laufen halten, und wie sieht das Leben nach DRITTE WAHL aus? Gibt es hier schon einen Plan B?

Wir haben ja vor zwei Jahren zu unserem 30. Geburtstag „Bergfest“ gefeiert und uns damit auf insgesamt 60 Jahre DRITTE WAHL festgelegt. Wir machen also bis 2048 weiter und haben danach noch Zeit, eine Familie zu gründen oder eine Solokarriere zu starten. Die nächsten 28 Jahre sind also verplant und es gibt keinen Plan B.

Die Charts sind Euch nicht fremd. Euer letztes Album konnte die Top 15 erreichen, und somit bestimmt auch neue Fans an Bord holen? Wie wichtig war Euch nach der jahrelangen Arbeit und dem ständigen Touren ein solcher Erfolg?

Ach, es ist eigentlich nicht soooo wichtig, aber es schmeichelt schon. Natürlich haben wir darauf geschaut, wo wir landen, und selbstverständlich haben wir uns über Platz Sechs der deutschen Albumcharts gefreut. Alles Andere wäre gelogen, aber es verändert für uns nicht die Welt oder die Art und Weise, wie wir an die Musik heran gehen.

Wenn die Welt wieder eine bessere und somit Corona-freie Bühne wäre, mit welcher Band würdet Ihr gerne auf Tour gehen, und welchem Musiker würdet Ihr gerne mal die Hand schütteln?

BAD RELIGION wäre ein Traum! NOFX auch, aber es gibt so viele tolle Bands, mit denen wir liebend gern mal die Bühne teilen würden! Es ist schwer, da einzelne Formationen hervor zu heben. Wir haben ja noch etwas Zeit und können das alles in Ruhe angehen. Wir sind immer noch gespannt, was die Zukunft bringen wird.

Wir danken für das Interview, wünschen Euch viel Erfolg mit „3D“ und freuen uns auf noch viele gemeinsame Jahre!

Vielen Dank für´s Interesse und auch Euch alles Beste für die Zukunft!