Interview:

2011-02-25 Darkest Hour

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Es ist 19 Uhr im Exhaus in Trier. Dort gastieren DARKEST HOUR im Rahmen ihrer 15jährigen Jubiläumstour. Ich habe Gelegenheit, Mike Schleibaum, Gitarrist und Gründungsmitglied der Band, zur Tour und zu dem Ende Februar 2011 erscheinenden neuen Album "The Human Romance" zu interviewen. Als ich Backstage zu den Bands gelange, die am Abend dort auftreten, sieht es aus wie auf einer LAN-Party, überall Laptops; nahezu jeder scheint im Internet beschäftigt zu sein. Mike wird mir kurz vorgestellt. Er ist ein sympathischer Typ mit Charisma und sehr gesprächig. Wir verlassen die "LAN-Party" und setzen uns an den Eingang einer alten Sporthalle im Exhaus, um ein paar Fragen und Antworten auszutauschen.Interview Mike, ich habe das neue Album "The Human Romance" schon gehört - ich denke, ihr ändert etwas euren Stil, was nicht allen alten Fans gefallen könnte.



Das vorangegangene Album "The Eternal Return" ging mehr zu den Wurzeln der Band zurück. Wir wollten mit dem neuen Album einen etwas anderen Weg gehen. Etwas Neues probieren und uns auf Neuland begeben. Das ist immer so eine Sache mit neuen Alben. Wenn einem ein Album einer Band sehr gut gefällt, wird es für die Band immer schwer, ein neues Album zu veröffentlichen, dass einem Fan dann noch besser gefällt als das bisherige Lieblingsalbum. Ich denke, den meisten Fans geht es so. Unser neues Album ist sehr ausbalanciert. Besonders live werden die Songs sicher gut kommen und man erkennt sicher direkt, dass hier DARKEST HOUR am spielen sind. Bei den vorangegangenen Alben war es bzgl. der Produktion immer eine Zusammenarbeit von Devin Townsend und DARKEST HOUR. Nun ist es anders. Mit dem neuen Producer Peter Wicherts haben wir gemeinsam nach etwas Neuem gesucht und gefunden. Die Musik hat nun einen verstärkten amerikanischen Einschlag und hört sich etwas anders an als bisher. Wir haben lange Zeit einen ziemlichen schwedischen Einschlag in unserer Musik gehabt. Einige Fans hatten das Album und dachten, dass DARKEST HOUR eine schwedische Band sei. Peter Wicherts Vision war da etwas anders. Er mochte diesen schwedischen Touch, aber er wollte die amerikanische Seite des Sounds betonen und hat damit die Musik etwas verändert. Wenn man sich die Musik anhört, erkennt man immer noch klar DARKEST HOUR, aber die Musik hat mehr Persönlichkeit bekommen. Ich hoffe, dass es den Fans gefallen wird. Wir veröffentlichen übrigens auch ein Musikvideo zu "Savor The Kill". Ich bin gespannt, welche Reaktionen wir hierauf erhalten und wie die Fans den Song mit dem Video zusammen auffassen.






Wenn ich gefragt würde, wie ich den neuen Sound von DARKEST HOUR beschreiben würde, müsste auf jeden Fall sagen, dass die Band "melodischer" und "softer" geworden ist. Siehst Du das auch so?



Das stimmt, wir haben mehr Melodien in den Songs. Live wird man das sicher nicht so merken, aber das Album ist definitiv melodischer. "Soft" würde ich die Songs aber nicht beschreiben. Deine Einschätzung kommt aber vielleicht im Vergleich zu den Vorgängeralben wie z.B. "Deliver Us", bei dem wir uns gerade bei der Gitarrenarbeit den Kopf zerbrochen haben, wie wir hier das abgedrehteste Zeug überhaupt zusammenschreiben können. Wenn man das Ziel verfolgt, immer härtere Musik zu machen, ist es aber auch klar, dass man irgendwann einen Punkt erreicht, da ändert man dieses Ziel wieder. Der neue Sound ist daher für uns die Weiterentwicklung, die wir als Band gehen wollten.






Im September 2008 schied Kris Norris, euer damaliger Leadgitarrist, aus. Hat sich mit dem Ausscheiden von Kris Norris die Art und Weise, wie ihr Songs schreibt, nicht auch komplett geändert?



Sicherlich. Aber was beispielsweise auf "Deliver Us" oder "Undoing Ruin" zu hören war, ist das Ergebnis von Devin Townsend mit Kris Norris. Devin Townsend hat uns damals geholfen, die Riffs zusammen zu bringen und den Sound auch maßgeblich beeinflusst. Viele Songs starteten mit Riffs von mir. Dann legt Kris Norris seine Leads drüber. Die Songs nahmen wir auf ein Demo auf, diskutierten sie, änderten sie wieder, nahmen sie wieder auf, besprachen sie mit Devin Townsend, änderten sie erneut usw. Zum Schluss waren oft die Ursprungsideen im Song völlig vermischt, so dass wir was ganz Neues erschafft hatten. Das ganze hatte dann einen ganz eigenen Sound und einen Charakter, den uns Devin Townsend gab. Die Alben waren hervorragend und Devin Townsend ist ein begabter und talentierter Producer. Mit Peter Wicherts aber hingegen haben wir uns nun in eine etwas andere Richtung weiter entwickelt, die zu uns nun mehr passt.







Wenn ich mir das Album in die Hand nehme, stutze ich zuerst über den Titel "The Human Romance". Das klingt schon etwas romantisch. Wenn ich dann sehe, es gibt einen Song namens "Love As A Weapon", werde ich etwas stutzig. Solche Liebeleien gab es doch vorher bei DARKEST HOUR nicht, oder?



Oh, wir haben schön öfters "Liebeslieber" geschrieben. Zum Beispiel auf "Undoing Ruin" haben wir auch mehrere Songs über die Liebe. Aber hier ist es wegen dem Titel vielleicht noch offensichtlicher. Das ist wohl der Punkt. Wenn Du eher ein depressives, hässliches und sadistisches Material von DARKEST HOUR willst, sollte man sich z.B. "The Eternal Return" anhören. Trotzdem ist das neue Album keine Schmusescheibe. Es ist "brutal as fuck". Wir haben viele Blastbeat Passagen. Das ganze passt trotzdem zu dem Konzept des Albums. Wie das nächste Album dann wieder werden wird, können wir natürlich noch nicht sagen. Wir wollten bei diesem Album den Melodien einen Schwerpunkt geben.






Auf dem Album gibt es ein langes beeindruckendes Instrumental namens "Terra Solaris". Was steckt dahinter?



Als wir in der "Sadist Nation"-Phase waren, haben wir schon einmal ein Instrumental aufgenommen. Damals wollten wir ein episches Album machen, wie z.B. "Justice For All" von METALLICA. Bei "Deliver Us" hatten wir nicht den Freiraum für ein richtiges Instrumental. Nun haben wir mit "Terra Solaris" ein schon episches Instrumental auf dem Album, mit akkustischen Passagen, an denen wir ewig gesessen haben. Es ist wirklich ein besonderer Track von Anfang bis zum Ende.







Wie wählt ihr die Songs aus, die ihr auf der Tour spielt?



Oh, das ist ganz schön schwierig. Wir wählen schon die, von denen wir glauben, dass die meisten sie hören wollen. Manchmal treffen wir Fans, die haben sich die Songs auf die Arme tätowiert, in die sie total vernarrt sind. Das ist echt krass. Fans schlagen uns vor, wir sollten mal ein komplettes Album auf einer Tour runterspielen, das wäre auch mal ein Experiment. Wir spielen nun auch "How The Beautiful Decay" von "Mark Of The Judas", den wir sonst nicht spielen. Übrigens, der letzte Song eines DARKEST HOUR Albums ist immer etwas besonderes. Er soll die Charakteristik des Albums nochmals wiedergeben.







Ihr könntet doch mal eine Umfrage im Internet machen, welche Songs die Fans auf der Tour hören wollen.



Oh ja, gute Idee, aber wer weiß, was da dann raus käme! *lacht*








Habt ihr eigentlich noch Kontakt zu eurem Ex-Gitarristen Kris Norris?



Ja, sehr oft sogar. Er ist jetzt in einer Band namens STRAIGHT LINE STITCH. Ihm geht es wirklich gut. Ich habe letzte Woche ein Bild von ihm per eMail bekommen. Er war auf einer Party in Florida, hatte wohl gut einen getrunken und eine Zigarette im Mundwinkel, so kenn ich ihn.






Ihr seid nun seit 15 Jahren zusammen. Ihr zeichnet Euch dadurch aus, dass ihr sehr viel tourt, oder?

Ja, in den letzten Jahren sind wir aber nicht ganz so häufig mehr auf Tour wie die Jahre zuvor. Wir haben aber Familien gegründet, die uns sehr unterstützen und werden ja etwas älter. Ich denke, ohne die Familien würde man irgendwann verrückt werden. Aber Du hast Recht, DARKEST HOUR waren in der Tat schon sehr oft auf Tour.






Ich habe schon öfter gehört, dass Bands ihr Geld mehr mit dem Touren verdienen, statt mit den CDs. Ist das bei Euch auch so?



Das stimmt grundsätzlich. Es ist aber auch wichtig, dass die Labels die Platte gut promoten, was leider bei unserem alten Label Victory Records nicht der Fall war.







Was würdest Du machen, wenn Du nicht als Musiker unterwegs wärst?



Ich würde wahrscheinlich einen sozialen Beruf haben. Ich hab auch einen Abschluss in "Sozialarbeit". Menschen helfen, Ratschläge geben, sowas in der Art liegt mir und ist mein Ding. Aber ich liebe Musik und alle meine Hobbies beinhalten auch Musik. Von daher kann ich mir nichts anderes vorstellen.







Wie sind Eure Erfahrungen eigentlich mit den Fans auf der Tour?



Wir hatten ganz hervorragende Shows in England. Die Fans von DARKEST HOUR sind von der Art sehr unterschiedlich. Es gibt diese Hardcore Psycho-Fans, die Tattoos der Band haben und für die Musik leben. Sie lieben die Band. Ich traf letztens jemand, der hatte ein DARKEST HOUR Tattoo im Genick. Sehr krass. Ich hab ja nur eine Gitarre und anderes Zeug auf dem Arm tätowiert. Dann gibt es aber auch Leute, die einfach nur die Musik lieben. Wir haben auch einige weibliche Fans, was sehr cool ist. Es gibt sehr viele unterschiedliche Typen hier. Äußerlich unterscheiden sie sich aber nicht mehr groß, egal in welchem Land wir sind. Wohl weil wir überall das gleiche Merchandise haben und die Leute sich durch das Internet doch immer mehr angleichen. Ich denke, das Internet trägt viel dazu bei, dass sich die Menschen immer mehr angleichen.






Was machen DARKEST HOUR, wenn sie auf Tour sind und nicht auf der Bühne stehen?



Das kommt drauf an. Wir waren letztlich in Australien. Da hatten wir viel Spaß, waren am Strand und haben viel Blödsinn gemacht. Nun steht das Album an, da sind wir viel im Internet, um Verschiedenes zu klären, oder das Album zu promoten. Wenn wir unterwegs sind, schauen wir uns natürlich gerne die Länder an, in die man so rumkommt, insbesondere, wenn man das erste Mal in ein neues Land kommt. Wir lieben es zu reisen, sonst könnte man die ganze Tourerei ja auch nicht aushalten. Als wir das erste Mal in Japan waren, mannomann, das war total verrückt. Man kommt sich vor wie auf einem anderen Planeten, man kann nichts lesen, mit keinem sprechen. Überall sind Lichter in den Städten, fliegende Autos um dich herum, verrückt einfach.







Gibt es Unterschiede zwischen den Fans in den einzelnen Ländern?



Die Japaner sind schon unterschiedlich. Sie reden nicht zwischen Songs und sind ganz ruhig, sehr repektvoll. Sie moshen auch nicht wie die amerikanischen Fans. Die amerikanischen Fans sind die aggressivsten Fans überhaupt. Die deutschen Fans zum Beispiel sind auch sehr brutal in der Pit, aber sie stoppen sofort, wenn jemand beispielsweise zu Boden geht. Skandinavische Fans bewegen sich meistens nicht so viel. Die Italiener wollen hingegen richtig Party machen. Griechische Fans schreien sich oft die Seele aus dem Leib als seien sie total durchgedreht, aber sie sind nicht gewalttätig. Kanadische Fans sind auch eher nicht gewalttätig. In Südamerika waren wir noch nicht, keine Ahnung wie es da aussieht. Oder doch, wir spielten in Ekuador. Die haben auch derbe gemosht, aber letztlich eine recht freundliche Atmosphäre.






Wenn Du mal zehn Jahre zurückblickst und die Situation mit heute vergleichst, welche Unterschiede gibt es?



Viel hat sich verändert. Musiker werden immer mehr wie Sportstars angesehen. Die Computer von heute lassen die CD-Produktion viel einfacher werden, alles ist verrückter geworden. Heutzutage können sich die Leute Musik auch recht einfach besorgen und kopieren ohne dafür zu zahlen. Das Hauptproblem daran ist, dass die Bands anfangen auf Sachen wie T-Shirt Verkauf wert legen zu müssen. T-Shirts und das ganze Merchandise wird dann recht teuer. Hinzu kommt, dass dann auf der Tour jede Band Unmengen von T-Shirts verkauft, die keiner mehr haben will. Da nur wenige Fans dann noch T-Shirts kaufen, müssen die Kartenpreise steigen, damit die Band nicht Miese macht. Die eigentliche CD steht dann als Einnahme immer mehr im Hintergrund und hat nicht mehr so viel Wert. Das ist keine gute Entwicklung.





Ok, zum Abschluss noch eine Frage: Was würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen?



Definitiv eine Gitarre. Dann meine Frau, sonst bekomme ich Ärger und ich lasse sie ja nicht im Stich. Außerdem will man sich ja mit jemanden unterhalten, oder man ist schon bekloppt im Kopf. Hm, dann wird es schwierig. Ich denke eine Flasche Alkohol oder was anderes zum Berauschen. Dann halte ich es auch auf der Insel aus.





Ok, Mike, viel Spaß noch auf der Tour und viel Erfolg mit dem neuen Album.




Danke und viele Grüße an die Euch und jeden, der das Interview liest.





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