Interview:

2005-10-03 Children Of Bodom

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Der erste Song, der aus dem gerade angelaufenen CHILDREN OF BODOM Album "Are You Dead Yet?” ausgekoppelt wird, heißt "In Your Face” und wie wir bereits berichteten, waren wir live beim Videodreh dazu dabei. Am Rande dieses Videodrehs fand in einer Umbaupause das folgende Interview mit dem Bandkopf Alexi statt, während das Produktionsteam die Band im Garderoben-Bus warten läßt und also die ganze Band und Managerin drumherum sitzen. InterviewAlexi, wovon handelt der Song "In Your Face” für den ihr hier gerade vor der Kamera steht?


Alexi: Wenn jemand dich so sehr annervt, dass du ihm am liebsten ins Gesicht springen würdest, das ist "In Your Face”. Wenn dich jemand so sehr aufregt, dass jegliche verbale Auseinandersetzung unangebracht ist - um solche Situationen geht es.


Meinst du zu diesem Gefühl paßt eine verlassene Industrieruine?


Alexi: Definitiv!


Kurz bevor es für dieses Albums ins Studio gehen sollte, hattest du dir den Arm gebrochen. Hattest du die Songs schon vorher fertig, oder wie hast du die dann geschrieben?


Alexi: Dieses Mal hatte ich tatsächlich schon einige Texte fertig, bevor ich mich an die Songs machen wollte. Ich hatte eine Menge in meinem Kopf, aber ich konnte sie nicht spielen, ich musste sieben Wochen lang den Gips dran lassen. Ich konnte keine Gitarre spielen und bekam die Songs einfach nicht aus meinem Kopf heraus. Janne hatte mir ein Keyboard ausgeliehen, so dass ich wenigstens mit meiner linken Hand ein wenig darauf herumklimpern und Harmonien ausprobieren konnte, ich habe in die Tasten gehauen, als sei ich geistig zurück geblieben. (Alexi legt sich dazu quer und deutet ein Einfinger-Suchsystem an). Das habe ich dann mit meinem kleinen Vierspur-Gerät aufgenommen. Als sie mir endlich den Gips abgenommen haben, habe ich sofort zu spielen angefangen, und das Songwriting flutschte einfach nur so. Da kamen musikalische Ideen aus mir raus, und mir kam es vor, als wären sie eine Ewigkeit in mir drin gewesen. Tatsächlich war der eigentlich Songwriting-Prozeß also recht kurz und schnell, wenn man die Zeit davor ausblendet.


Denkst du, dass die Songs durch deine Zwangspause vielleicht besser geworden sind, weil du wieder und wieder drüber nachdenken musstest, ohne dass du sie mal testspielen konntest?


Alexi: Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Also - ja und nein. Denn auf der einen Seite sind die Songs spontaner und auf ihre Art natürlicher und direkter, denn wir hatten keine Zeit, sie durchzuarrangieren so wie sonst. Auf der anderen Seite hatte ich wirklich lange Zeit, in der ich wieder und wieder über die Songs nachgedacht habe. Ich weiß also nicht, ob ich die Songs nicht überentwickelt habe. Keine Ahnung. Aber ich denke, das Resultat wäre so oder so das Gleiche gewesen, ob ich mir nun meinen Arm gebrochen habe oder nicht.


Ihr beginnt am 1. Oktober eine 11-monatige Welttour, das ist mit Sicherheit die längste Tour, die ihr je vor euch hattet?


Alexi: Am Stück ja, definitiv.

Nach einer Schrecksekunde kommt gleichzeitig mit Alexis Antwort von hinten von Jaska: Bitte wie lange???


Alle lachen sich scheckig, Janne stimmt ein ironisches "Whoo-huu” an, Alexi antwortet trocken an Jaska: "11 Monate.” Jaska antwortet noch viel trockener: "Aa-haa!” und fügt dem noch etwas in Finnisch an.


Ihr habt euch in letzter Zeit in Europa ziemlich rar gemacht, dafür dreimal ziemlich kurz hintereinander die USA betourt. Was ist der Unterschied zwischen einer Tour in den USA und in Europa?


Alexi: Zunächst einmal die äußeren Umstände: Wir haben drüben als Opener angefangen, und wir hatten einen Nightliner und eine Crew, aber ansonsten... Wir hatten auf keinem der Dates einen Backstage-Bereich, wir hatten nie einen Soundcheck, kein Catering, und unsere Getränke musste wir uns auch selbst kaufen, besonders den Hartalk. Das war eine Umstellung, aber es war kein Problem, wir sind keine... (den Satz läßt er unvollendet)

Ich denke, am Ende hat es der Band gut getan. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon alle Annehmlichkeiten einer Headliner-Tour genossen, und da bekommst du alles was du willst und wann du es willst. Wir waren also schon ein bißchen verwöhnt, und da kam dieser Tritt in den Arsch genau richtig - ab in den Bus und auf eine fucking Punkrock-Tour und uns dann zu fragen: Wie geht es uns jetzt?


Und, wie ging es euch?


Alexi: Ich denke es war cool! Also ich habe es jedenfalls genossen. Ich denke, ich spreche da für uns alle (Grummeln im Hintergrund), wenn ich sage, dass es Spaß gemacht hat. Manchmal war der Club fürchterlich, manchmal hatten wir so wenig Platz auf der Bühne wie jetzt in dieser Garderobe, aber trotzdem!

Alexi zuckt mit den Schultern, Roope springt ein: Back to basics.


Wie seit ihr denn mit den teilweise arg unterschiedlichen Gesetzen in den USA zurecht gekommen, zum Beispiel mit den Alkohol-Richtlinien?


Oh ja, die treffen uns hart, grinst Alexi. Man muss sich anpassen, anders geht das gar nicht, man ist nur zu Gast. Sonst bekommt man Ärger. Es ist trotzdem verrückt: Momentan ist es ja wieder stark im Trend, die USA zu hassen. Aber ich hasse Amerika nicht. Ich mag das Land und seine Leute. Aber es gibt einige, kleine Dinge, die ich einfach nicht verstehe, wie zum Beispiel die Alkoholgesetze. Für die Amerikaner scheint eine Welt unterzugehen, wenn man eine Getränkedose die Straße hinunter trägt oder wenn man "Shit” im Fernsehen sagt. Dafür ist es total in Ordnung, mit einer Knarre herumzulaufen oder dass 15-jährige ein AK 74 (die sogenannte Kalashnikow) kaufen können. Es ist verrückt. Aber - das sind ihre Regeln, und sie müssen danach leben. Ansonsten sind die USA nicht so anders als Europa. Ihre Wurzeln kommen aus unserem Kulturkreis, und wir haben sowieso am meisten mit Metallern zu tun, die sind genauso wie zu Hause.


Wenn US-Bands in Deutschland zu Gast sind, sind einige schon komisch von ihnen und stellen sich an, wenn irgendwo eine Brustwarze zu sehen ist und flippen auf der Reeperbahn oder in Amsterdam total aus. Wie benehmen sich Amerikaner in den USA, wenn sie nackte Menschen sehen?


Roope: Oh ja, das haben sie. (alle lachen durcheinander)

Alexi: Ja, das haben sie. Also, amerikanische Mädel sind definitiv lockerer als europäische. Ich will damit sagen, sie wollen einfach eher... (grinst). Ich vermute mal, dass Frauen in Europa eher einen feministischen Background haben als die in den USA. Auf der anderen Seite habe ich weder so noch so ein Problem damit.

Janne kommentiert mit gespielt-hochgezogener Augenbraue: "So, so, hast du also nicht.” und ergänzt was in finnisch.


Alexi: Du hattest gefragt wie Amis reagieren, wenn sie Männer nackt sehen - sie flippen aus. Wir haben einen sehr finnischen Brauch, dass wir uns in die Bus-Lounge setzen, wenn wir schon etwas betrunken sind, und uns nackig machen und dann eben saufen. Die Amis verstehen nicht den Witz daran (während er das sagt, gluckst die ganze Band in Erinnerung daran). Janne hat mir erst kürzlich wieder erzählt, dass der Busfahrer auf unserer ersten Tour nachts unseren Tourmanager geweckt hat und ihn ganz aufgeregt gefragt hat: "Weißt du, dass in meiner Buslounge fünf nackte Finnen sitzen und saufen???” (Die ganze Band lacht in Erinnerung daran). Er muss etwas geantwortet haben wie: "Ja klar, sei ganz beruhigt, es ist alles in Ordnung.”

Mit den amerikanischen Bands ging es uns anfangs genauso: Am Anfang sind sie genauso ausgeflippt, gerade, wenn wir uns schon auf der Straße ausgezogen hatten. Und am Ende der Tour saßen sie genau wie wir nackt auf den Bussitzen. Die haben den Spaß begriffen und waren richtig cool.


Kann ein Finne denn nur ein glücklicher Finne sein, wenn er Alkohol hat?


Alexi schüttelt den Kopf: Nein, woher hast du das denn? Ich kann natürlich nur für mich selbst sprechen, aber ich denke nicht. Ein einziges Körnchen Wahrheit liegt darin. Die meisten Finnen benehmen sich anti-sozial, wenn sie nüchtern sind. Es ist normal für einen Durchschnittsfinnen, dass er nicht mit einem völlig Fremden, den er gerade kennen lernen könnte, sprechen oder überhaupt in Kontakt treten will. Aber wenn man etwas getrunken hat, ist man gut Freund mit jedermann. Allerdings kann das auch ins absolute Gegenteil umschlagen, solche Leute wollen dann von einer Minute auf die andere jeden Hauen oder Treten. Und es gibt beide Konzepte gleichermaßen. Aber wir sind die harten Jungs, die nach ein paar Bier jedermanns Freund sind, also keine Bange.


Warum habt ihr ausgerechnet einen Britney-Spears-Song gecovert?


Alle: Weil wir es wollten!


...und dann noch in einer wirklich mülligen Version...


Roope: Das ist nicht schrottig!


Nein?


Alexi: Natürlich haben wir keine Schrott-Version aufgenommen. Das ist eine Hitversion!


Nein!


Alexi: Es ist definitiv ein tolles Cover, und ich mag es. Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben bisher fast immer versucht, Songs zu covern, die die Leute nicht unbedingt von uns erwarten. Wir haben zum Beispiel schon The Ramones, Billy Idol, Andrew W.K. und ähnliches neu interpretiert. Was sollte danach noch kommen? Wir wollen die Leute schon ein bißchen mit unseren Covern überraschen, vielleicht sogar schocken. Also waren wir uns einig: Ok., wir covern jetzt Britney Spears.


Fandet ihr denn Andrew W.K. schockierend?


Alexi: Es hat auf jeden Fall eine Menge Leute geschockt.


Oh, warum das denn? Weil er nicht so richtig Metal ist?


Alexi: Ich glaube, weil seine Musik 100% Spaß ist, Party-Mucke mit Slogans wie "Party hard!” und "yeah, yeah”. Während man das hört möchte man niemandem aufs Maul hauen, das ist keine negative Musik. Ich denke, diese Seite von uns hat eine Menge Leute überrascht.

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