Interview:

2004-04-15 Anvil

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<b>ANVIL</b> - eine Band, die seit jeher die Metall-Lager spaltet. Man muss sie schon mögen, doch selbst unter Fans, die eigentlich auf Old-School, True- oder sonst-was für Metal stehen, werden die Kanadier nicht unbedingt geliebt. Dafür wiederum vergöttern sie andere Maniacs. Wer erstmal vom Holzfällervirus befallen ist, der bleibt für immer dabei, streng genommen ist es auch völlig Wurst, was für eine Scheibe die Jungs um den charismatischen Frontmann Lips machen. Wenn sie aber dann auch noch extrem gelungen ist, umso besser. Wobei mit letzterer Behauptung in Bezug auf "Back To Basics" sicherlich nicht alle Leser/ Hörer konform gehen. Egal. Mal hören, was Lips meint. Der Lips, der keinen Fisch isst, Orangen-Saft hasst, weil der Sodbrennen macht, Bier liebt und im wirklichen Leben bei einer Firma beschäftigt ist, die Kinderheime mit Lebensmitteln versorgt. Er plant und überwacht die Auslieferungen - ohne ihn geht da wenig. Wobei wir wiederum bei <b>ANVIL</b> sind.InterviewDie neue CD "Back To Basics” ist ein kompletter Querschnitt der Einflüsse. Rock’n’Roll, Hardrock und Heavy Metal. Obwohl ich es persönlich total hasse, Musik zu kategorisieren - das lasse ich die idiotische Reviewer tun. Meine rekrutiere meine Ideen ausschließlich von frühen Rock-Alben der 60er-und 70er-Jahre. Oder nehme Sachen, die wir früher einfach nicht zu Ende gemacht haben. Diese Kombination mag zwar nostalgisch klingen, aber sie bietet immer wieder Neues, vor allem mir.


Konstant wie eure Musik ist auch weitestgehend euer Line-Up. Preise die Herren!


Das ist einfach. Robb Reiner ist meiner persönlichen Meinung nach einer der am meisten unterbewerteten Drummer aller Zeiten. Es wirft schon ein schlechtes Licht auf das gesamte Genre Heavy Metal, dass jemand derart übersehen wird. Glenn Five ist ein weiterer Aktivposten ANVILs. Er ist ein Bassist der wahren Mode - er spielt ausschließlich mit den Fingern und benutzt kein Pick. Ich wundere mich schon, wie er das macht. Ohne Zweifel hat "G5" unserem Sound jede Menge Arschtritte verpasst. Abgesehen davon klingt seine Back-Up-Stimme auch prima. Naja und Ivan Hurd ist eine wundervolle Ergänzung des Camps, vor allen Dingen nach Dave und Sebastian. Er ist eine extrem umgängliche Person und fordert von niemandem etwas außer von sich selbst. Er sich und seinem Gitarren-Spiel gegenüber enorm kritisch, er achtet auf jede einzelne Note. Ich bewundere das und glaube, das wir uns in dieser Hinsicht nicht unterscheiden.


Auch in Sachen Studio warst du mal wieder sehr zufrieden.


Wir haben wieder mit Pierre Remillard zusammengearbeitet, mit dem wir jetzt vier CD produziert haben. Alle klingen besser als der Kram, den wir vorher fabriziert haben. Wir waren diesmal 100 Kilometer vor Montreal in einem Studio mitten im Wald, dem Wild-Studio. Da war außer uns niemand, diese Ruhe war wirklich überwältigend.


Die sich hoffentlich nicht auf die neue Scheibe ausgewirkt hat.


Unserem Stil sind wir sicherlich treu geblieben, aber jede CD ist doch unterschiedlich und ich bevorzuge, sie nicht miteinander zu vergleichen. Jede ist ein Zeugnis von Zeit und Ort.


Nach vielen - manche sagen lieblosen, manche bekloppten - Cover-Bildern sieht "Back To Basics" doch etwas anders aus.


Das Art-Work sollte den eigentlich Gebrauch des ANVILs, also des Amboss’, beschreiben. Ich wollte diesmal, dass das Bild sehr alt wirkt und den Geist von Rembrandt transportiert. Alt, klassisch, einfach, das sollte das Cover symbolisieren.


Wie gefällt es dir denn eigentlich in deiner Heimat Kanada? Für viele Menschen hierzulande ist es ja gerade zu ein Traum-Land.


Ich wundere mich öfter über diese Faszination. Natürlich liebe ich "mein Land" - in aller Bescheidenheit, versteht sich. Ich denke, so sehen es die meisten Kanadier. Außerdem haben wir viele gute Sachen bei uns, das glaube ich und das ist gut so. Unser südlicher Nachbar, die USA… Letztlich bescheren sie uns durch einen florierenden Handel eine wachsende Gesellschaft und Billionen Dollars. Allerdings hat sich nach dem 9. November viel geändert. Bush macht mir Angst, manchmal denke ich, dass er der Typ ist, von dem die Prophezeiungen Armageddons handeln. Aber dennoch habe ich die Hoffnungen an und in die Menschheit nicht komplett verloren. Ach so, und bevor ich es vergesse: Ich mag natürlich auch die Montreal Canadiens - auch, wenn ich mir während der Spiele nicht mehr sämtliche Fingernägel abkaue.


Du bewegst dich ja nun schon ein halbes Leben oder noch länger in der Metal-Szene. Wie erlebst du diese denn im Wandel der Zeit?


Letztlich folge ich keiner bestimmten Szene. Es gibt wahrscheinlich nichts Schlimmeres als vollkommen trend-orientiert durch die Welt zu laufen. Dafür lebe ich halt persönlich meine "Metal-Life". Allerding ist die Musik, die ich liebe fast komplett verschwunden und wenn man älter wird, ist die Musik von früher einfach weg, nicht mehr zu wiederholen. Der einzige Weg, der bleibt: Die alten Scheiben auflegen. Denn die Bands von früher sind aufgelöst oder einfach tot. Die Musik von heute ist oftmals überflüssig und inspiriert keinesfalls zu etwas Neuem. Früher reichte als Triebkraft eine elektrische Gitarre, doch über die Jahre kam diese Kraft auch in die Pop-Musik. Doch heute zählt so was wie Melodie oder echter Rhythmus oder vielleicht sogar Talent nicht mehr - und dann nennen sie es einfach Nu-Metal.


Trotz lesbarer Unzufriedenheit machen Lips und ANVIL weiter. Wie steht’s mit ´ner Tour und ´nem Schwank aus selbigem Leben?


Ich habe Probleme, mich an Dinge zu erinnern. Wir touren seit Jahrzehnten immer wieder durch die Weltgeschichte. Ein Grund dafür, dass ich alles vergesse ist der Schmerz, dieser Schmerz, der mich leiden lässt, wenn ich dsaran denke und weiß, dass ich es nicht sofort wieder machen kann. Einerseits passieren auf Tour die fröhlichsten Momente des Lebens, andererseits machen sie mich traurig, wenn ich daran zurückdenke. Ich weiß, viel Sinn macht das nicht… Und so hoffe ich, dass wir im Frühjahr durch Europa touren, sicher ist wie immer, dass nichts sicher ist.


Hast du denn wenigstens schon die Bonus-DVD mit dem Wacken-Live-Material gesehen?


Das Open Air war Klasse, aber die DVD habe ich noch nicht gesehen. Ich weiß auch irgendwie nichts drüber (Songliste findet ihr im Review, Anm. d. Verf.), ich hoffe nur, dass sie okay ist. Und dass wir nicht aussehen wie ein Haufen Vollidioten.