Festival:

Summer Breeze Open Air 2023 - Freitag

Festival vom 18.08.2023

So, jetzt ist ausnahmsweise, die andere Hälfte vom Team Michael mal mit Schreiben dran, denn ich liebe Metalcore und Liebe stand an diesem Tag auf dem Programm, genau genommen aus Schweden.
Nach einer weiteren durchzechten Nacht fast bis zum Sonnenaufgang mit der lustigen Nachbarschaft aus Oberfranken, wurde ich von der angestauten Hitze im Zelt schon früh daraus vertrieben (so ein “Cool & Dark“ Tent wäre vielleicht doch keine schlechte Idee...). Glücklicherweise schaffte ich es, mich von der noch faulen Truppe loszueisen und alleine gen Battlefield zu laufen, um mir um 13:50 Uhr die Band IMMINENCE, auf die ich sehr neugierig war, reinzuziehen. „From Sweden with love“ stand groß unter dem rosafarbenen Bandschriftzug. Die einstigen Schulfreunde Eddie Berg und Harald Barret und ihre Jungs aus Schweden lieben die Musik, die sie seit 2010 so unabhängig wie nur möglich schreiben und inklusive Merch auf ihrer Internetseite nachhaltig selbst vertreiben. Sie wertschätzten ihre Fans und übertrugen ihre Spielfreude auf das Publikum, das sich trotz flirrender Hitze vor der Bühne eingefunden hatte. Viele Schilder mit Liebeserklärungen wurden hochgehalten und das Konzert nahm seinen Lauf. Das war so ein Gig, bei dem einfach alles passte: die Stimmung, das Publikum, der Sound. Eddie spielte seine Violine, ein eher ungewöhnliches Instrument in dieser Musikrichtung, obwohl nicht gerade mein liebstes, perfekt platziert. Die Band selbst bezeichnet ihren Musikstil auch als Post-Metalcore, wobei diese Vorsilbe wohl auf die extrem gefühlvollen Passagen hinweisen soll. Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie erinnerte mich der Stil bei den ruhigen Passagen an diesem Tag an Bands wie die DEFTONES oder die frühen 30 SECONDS TO MARS, obwohl musikalisch ganz anders angesiedelt. Gerade das Innen nach Außen kehren der eigenen Seele, den zu bezwingenden Geistern, den dunklen Seiten, die gerne verdrängt werden und das Verzweifeln an den eigenen überwältigenden Gefühlen, die in den Songtexten verarbeitet und letztendlich in große Liebe transformiert werden sollen, jagten mir in den gefühlvollen Passagen einen Schauer den Rücken runter und ich hatte eine angenehme Gänsehaut und Freude. Die heftigen Parts ließen die Menge und natürlich mittendrin auch mich abgehen und grooven und bouncen. Es schienen auffallend viele passionierte Fans anwesend zu sein, die stetig mit Herzchen-Handzeichen und „I - Love- …“ - Schildern lautstark alle Texte mitsangen. Der extra formierte „Girls Only Pit“ wurde unter großem Applaus abgefeiert und die Menge hatte einfach nur echten, von Herzen kommenden Spaß. Für mich persönlich DAS Konzert des Festivals, weil ich hiermit einfach nicht gerechnet hatte. Die Setlist war mit nur 10 Titel zwar kurz und knackig, aber total stimmig und auf den Punkt. Mit “Chasing Shadows“, “Desolation“, “Ghost“, “Heaven In Hiding“ und “Temptation“ schafften es gleich 6 Tracks vom neuesten Album auf die Setlist, der Rest stammte vom “Turn The Light On“ Longplayer. Die Heavy Rotation dieser Scheiben auf meinen Abspielgeräten ist bereits jetzt schon vorprogrammiert und allen empfohlen, die es auch lieben, wenn Musiker einfach mal ihre Wut und verdrängten Gefühle rauslassen um sie in positive Energie zu wandeln.

Auf dem Summer Breeze ist es natürlich aufgrund der Menge der auftretenden Bands schwer, der Running Order gerecht zu werden. Eigentlich hätten mich die im Anschluss spielenden LIONHEART und MONO INC. auch interessiert, aber das nachmittägliche Grillen und Chillen klang dann doch verlockender.
Schließlich stand um 17:40 Uhr mein persönliches Must-See WHILE SHE SLEEPS auf dem Zettel. Das letzte Mal live 2020 im Schlachthof Wiesbaden erlebt und mit schönem, oft gehörtem Vinyl im Schrank, würde ich mich schon zur „Sleeps Society“ zählen lassen können. Der gleichnamige Titel des aktuellen Albums zierte als Banner die Bühne.
Zu den Jungs aus Sheffield muss ich jetzt nicht so viel erzählen, da sie ja mittlerweile um einiges bekannter sind und auch schon auf dem SB gespielt haben, damals noch auf der Pain Stage. An diesem Tag schafften sie es deshalb mühelos das Battlefield zu füllen und die Menge tobte von Anfang an. Die obligatorischen Crowdsurfer nervten zwar ein bisschen, wenn man der Show folgen oder rumpogen wollte, aber Gott sei Dank sind Schottenröcke bei den Surfern nicht mehr so populär wie noch 2019.
In Netzstrumpfhose und abgefahrener Brille heizte Lawrence “Loz“ Taylor die Menge an, um anschließend gemeinsam mit dem extrem sympathischen Mat Welsh (Gitarre, Gesang), ich sag jetzt mal, zu screamen. Weil sich WSS mit jeder neuen Platte neu erfinden wollen und deshalb mit elektronischen Elementen á la PRODIGY oder progressiven Klavier/Keyssounds spielen, statt starr in einer musikalischen Ecke zu verharren, schaut man sie sich am Besten einfach Live an, denn dann überzeugen die Engländer am meisten.
Die Setlist war bunt gemischt und ließ keine Wünsche offen. Die Texte der Stücke sind sehr intelligent, ansprechend und aussagekräftig. Titel wie “Fakers Plague“, “Sleeps Society“, “Systematic“ und “You Are All You Need“ vom neuen Output gehen nach kurzen, REFUSED - ähnlichen Intros voll auf die Zwölf, werden von Klassikern wie “So What?“, “You Are We“ abgelöst und bei “Brainwashed“ konnte der Pit nochmal so richtig zeigen, was auf dem SB Sache ist. Hm, während ich dies schreibe, merke ich, dass “Hurricane“ schon ein bisschen gefehlt hat.
Nach diesem Erlebnis gönnten wir uns erst einmal eine Kaffeepause in der strategisch günstig gelegenen V.I.P. Area, in der sehr angenehm SOEN von der T-Sage zu uns rüber schallte, die ich leider aufgrund meiner Prioritätenliste schon wieder verpasst hatte. Genau wie MALEVOLENCE und BEARTOOTH, die ich an den Vortagen nur aus der Distanz und in Auszügen bewundern konnte. Somit habe ich ja noch ein paar Bands auf meiner Bucketlist und hoffe ebenso darauf WSS nochmal in einem intimeren Rahmen sehen zu können.
Das Thema Metalcore ist vorerst hiermit abgehandelt und ich übergebe die Feder wieder an Michael himself.

BEYOND THE BLACK passen eigentlich sehr gut in mein Beuteschema. Als Fan der ersten Stunde von NIGHTWISH, WITHIN TEMPTATION sowie KAMELOT liegt Symphonic Metal schon auf meiner Welle. Leider gingen ihre Platten, vom selbst betitelten letzten Werk mal abgesehen, nicht so recht an mich. Auch live in unserem heimischen Club fehlte in der Vergangenheit der letzte Bums, um echte Begeisterung zu erzeugen. Umso gespannter war ich, wie sich der deutsche Vertreter in diesem Genre auf der Main-Stage machte. Da uns das Fotografieren von der Fotografenbühne aus verwehrt wurde, war klar, dass hier von Anfang an Feuer im Spiel war. Kleiner Nachteil hierbei ist immer, dass man weiter von den Musikern weg ist und zudem deutlich tiefer vor der hohen Bühne steht, so dass man die Protagonisten nur gut ins Bild bekommt, wenn diese am Bühnenrand agieren. In dieser Hinsicht benahm sich Frontfrau Jennifer Haben sehr kooperativ. Was jedoch die beiden Leuchtstoffröhren sollten, die sie zum kernigen Opener “Is There Anybody Out There?“ schwang, entzog sich meiner Kenntnis. Da es noch sehr hell war, verpuffte die Wirkung völlig und wir waren am Ende froh, dass sich die gute Jennifer dabei nicht verletzt hat. Als sie zu “Dancing in the Dark“ auch noch die Trommelstöcke schwang, musste ich zwangsläufig an den alten Spruch denken: “Schuster bleib bei Deinen Leisten!“. Um es auf den Punkt zu bringen: ihre “Leisten“, sind der Gesang, der mit den auf sie zugeschnittenen Liedchen, denen man den Ohrwurmcharakter nicht ganz absprechen kann, recht gut funktioniert. Die (Moden-) Show wirkte trotz Feuer und Rauch choreografiert und zum Teil hölzern. Die Band an sich wurde darüber hinaus zur Statistenrolle degradiert. Wir beschlossen deshalb, so nach dem ersten Drittel (das aktuelle Album war fast abgearbeitet), uns den Rest des Auftritts von hinten im Gras liegend anzuhören. Die 80 Minuten hatten ihre Längen, grade hinten raus.

POWERWOLF im Anschluss hatten so gesehen gerade mal 90 Minuten, die sie mit so viel Aktion füllten, dass es locker für 120 Minuten gereicht hätte. Wenn eine Truppe auf diesem Festival den Headlinerstatus verdient hatte, dann ganz sicher die Wölfe.
Nach einem epischen Fackelaufmarsch in Mönchsbegleitung legten sie augenblicklich so feurig los, dass sogar während der ersten Nummer “Faster Than The Flame“ das Fotografieren direkt vor der Bühne aus Sicherheitsgründen nicht möglich war. Aber nicht nur die Bühne, sondern das gesamte Battlefield war gegenwärtig Feuer und Flamme. Das Publikum übernahm während der gesamten Performance enorm textsicher die Chorgesänge und fügte sich somit nahtlos in einen gewaltigen Sound ein, der gefühlt wohl weit über das Festivalgelände hinweg schallte. Wer die Truppe aus Saarbrücken bereits live erlebt hat, weiß, dass ein POWERWOLF-Konzert viel mehr ist als Musik. Es ist eine Inszenierung, die ihresgleichen sucht. Das Bühnenbild erinnert zunächst an eine alte Basilika und in sich stimmig dazu wechselt eine riesige LED-Wand beinahe zu jedem Titel passend den Hintergrund. Es gab jede Menge Feuer und Rauch, Papierschlangen, Konfetti, ja sogar Kunstschnee war im Programm. Zu “Amen And Attack“ wurde in der Mitte der Bühne eine riesige alte Orgel positioniert, die zum einen perfekt ins Bild passte, zum anderen natürlich auch Flammenfontänen aus den Pfeifen spuckte. Mit einem weiteren Gimmik wurde sogar Geschichte geschrieben: unter Einsatz von Augmented Reality wurde ein virtueller Wolf erschaffen, der über dem oberen Bühnenrand auftauchte. Dieser war vor Ort natürlich nur auf den Bildschirmen zu sehen. Der Wolf erschien insgesamt viermal – während der Tracks “Incense And Iron“, “Amen And Attack“, “Beast Of Gévaudan“ und “Resurrection By Erection“. Beendet wurde das grandiose Spektakel standesgemäß mit einem phantastischen Feuerwerk, das den letzten Song “Werwolves Of Armenia“ untermalte.

 

 

Geflasht, hungrig und durstig zogen wir zunächst von dannen. Das gerade erlebte konnte sowieso nichts mehr toppen. Als allerdings ELUVEITIE los legten, hatten wir das Infield noch nicht, wie eigentlich vorgesehen verlassen. Obwohl Folkmetal nicht auf unserem Speiseplan steht, fühlten wir uns von den ersten Takten, trotz Drehleier, Geige und Flöte angezogen und blieben noch ein Weilchen, um dem überaus ansprechenden Spätakt zuzuschauen. Als “Lvgvs“ zum besten gegeben wurde, war da ja sogar eine uns bekannte Melodie: „….was wollen wir trinken sieben Tage lang...“ und zugleich unser Stichwort zur Partyzone Zeltplatz aufzubrechen.

Wie die Nächte zuvor ließen wir auch diese abermals bei ein paar gepflegten Bierchen und Äppler ausklingen. Zu unserer Feier gesellte sich dieses Mal ein Betreiber, der zwei Essensstände auf dem Festivalgelände unter seiner Leitung hatte. Dies bescherte uns ein paar interessante Einblicke in dieses Business und wir wurden außerdem erfreulicher Weise eingeladen, am nächsten Tag dort kostenfrei zu speisen.


Drohnenfoto POWERWOLF by Napalm Records

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