Review:

Resist

(Within Temptation)

Fünf Jahre ist es her, dass WITHIN TEMPTATION mit „Hydra“ ihr letztes Album veröffentlichten. In der Zwischenzeit kriselte es in der Band, selbst Trennungsgerüchte wurden laut. Doch die Band raufte sich zusammen und so erscheint nun, wenn auch mit Verspätung gegenüber dem ursprünglich angekündigten Veröffentlichungstermin, das neue Werk „Resist“, das die Niederländer in Auszügen bereits Ende 2018 live vorstellten. Nach längerer Pause ist die Erwartungshaltung naturgemäß besonders hoch und umso mehr verwundert das, was da aus den Boxen schallt.

Für den Opener „The Reckoning“ wurde Jacoby Shaddix von Papa Roach als Gastsänger verpflichtet – da erwartet man sich ein richtig fettes, druckvoll energiegeladenes Brett und anfangs scheint das auch noch im Bereich des Möglichen zu sein. Nach einer Weile allerdings beginnt der Song sich auf unbestimmte Weise anzufühlen wie Ferrarifahren mit angezogener Handbremse: das Potential ist unbestritten da, wird aber nicht ausgeschöpft. Irgendetwas fehlt. Rätselhaft bleibt auch, warum man den Gesang von Sharon den Adel und Jacoby Shaddix – beides eigentlich keine Angehörigen der bedauernswerten Fraktion, der mittels Autotune zum richtigen Ton verholfen werden muss – mit Verfremdungs-Effekten belegen muss. Der Song ist beileibe nicht schlecht, er zündet aber einfach nicht ganz so, wie man es erwarten würde – und allein das ist man von WITHIN TEMPTATION so eigentlich schon nicht gewohnt. Dabei ist „The Reckoning“ noch eindeutig einer der besseren Tracks des Albums.  Elektronische Spielereien hier, weichgespülte Synthie-Klänge da, dazwischen ein paar Shouts – man gewinnt den Eindruck, dass die Band krampfhaft bemüht ist, sich einen vermeintlich modernen Sound zuzulegen, um sich damit bei einer möglichst breiten Hörerschaft anzubiedern. Die gleich drei Features, die sich auf der Platte finden, muten da dann auch schon eher verzweifelt an und man wird den Verdacht nicht los, dass es sich dabei um einen Versuch handelt, zu überspielen, dass der Band alleine nichts wirklich Überzeugendes mehr einfällt und man sich daher schlicht nicht mehr anders zu helfen wusste, als den im Sinken begriffenen Kahn mithilfe von Gastmusikern notdürftig über Wasser zu halten.

WITHIN TEMPTATION gehörten einmal zu den Speerspitzen des Symphonic Metals, doch davon ist auf „Resist“ nur noch wenig zu spüren. Den einstigen opulent arrangierten Bombast sucht man hier eher vergebens. „Raise Your Banner“ mit Anders Fridén (IN FLAMES) geht immerhin gut vorwärts, verfügt über die Energie, die man an anderer Stelle oft vermisst und stellt damit einen der stärksten Tracks dar. „Endless War“, „Supernova“ und „In Vain“ dagegen plätschern eher vor sich hin. Das Tragische dabei ist, dass ein Lied wie „Endless War“ ohne die schwindsüchtig-schwachbrüstige Produktion des (leider nicht wirklich) für Fülle sorgenden orchestralen Mittelbaus sogar ein recht klassischer WITHIN TEMTPATION-Song hätte werden können. „Firelight“ hat zwar mit dem, was man bis dato gemeinhin mit dem Sound von WITHIN TEMPTATION assoziierte, überhaupt nichts mehr zu tun, schafft es aber wenigstens, etwas Stimmung aufzubauen. An anderer Stelle wiederum ergehen sich die Niederländer erfolgreich in der Demontage ihres eigenen Sounds: „Mad World“ klingt, als würde man den Remix eines ursprünglich vermutlich mal ganz brauchbaren WITHIN TEMPTATION-Songs hören, der von einem noch eher zurückhaltenden DJ durch die Mangel gedreht wurde: Holzhammer-Rhythmus der Marke Drum-Computer, im allgemeinen Klangmatsch nahezu versinkende Keyboardriffs, 0815-Melodie. Das nachfolgende „Mercy Mirror“ ist ein netter, radiotauglicher Pop-Song, der mit hübscher Melodie ins Ohr geht, aber einzig bei „Trophy Hunter“ blitzt noch einmal ein wenig der alten Größe auf. Seinen Tiefpunkt dagegen erreicht das Ganze bei „Holy Ground“, bei dem Sharon Den Adel sich stellenweise allen Ernstes am Sprechgesang versucht: man weiß nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll, musikalische Street Credibility klingt jedenfalls anders.

Nun sind Neuerungen im Sound natürlich auch immer Geschmackssache, aber „Resist“ wirkt in seinem Schlingerkurs schrecklich halbherzig. Bei einem Album mit einem solchen Titel und der damit einhergehenden Themensetzung, die zu Widerstand gegen Unterdrückung und dem Einstehen für die eigenen Überzeugungen aufrufen, würde man einen kämpferischen, druckvollen Sound mit Biss und Liebe zum Detail erwarten, doch stattdessen klingt „Resist“ auch in seinen härteren Passagen oft seltsam blutleer. Die Arrangements wirken oftmals uninspiriert, die ehemalige Detailverliebtheit fehlt über große Strecken (oder geht schlicht im restlichen Klangbrei unter), der Sound erinnert stellenweise an einen matschigen, fürs Radio glattgebügelten Einheitsbrei, der jede Feinheit gnadenlos plattwalzt. Obwohl alle nur erdenklichen Register gezogen werden, klingt der Gesamtsound merkwürdig leer, als würde die Hälfte fehlen. Dabei wurde der ursprünglich für Mitte Dezember geplante Veröffentlichungstermin wegen produktionsbedingter Probleme schon um anderthalb Monate nach hinten verschoben – man muss sich bangen Herzens fragen, wie das Ganze dann erst vor der weiteren Bearbeitung geklungen haben muss. Oder war es im Gegenteil gerade diese Nachbearbeitung, die dem Album das Genick gebrochen hat? Denn dass die Produktion einen nicht geringen Anteil an der Misere trägt, steht außer Frage: der oftmals blutleer wirkende Gesamtklang hätte sich sicherlich deutlich verbessern lassen, wenn man nur an den entsprechenden Reglern gedreht hätte.  „Resist“ ist über weite Strecken ein tontechnisches Fiasko. Die für die Band ehemals so zentralen symphonisch-orchestralen Elemente sind zum Teil durchaus da, sie sind nur dermaßen in den Hintergrund gemischt, dass sie nahezu untergehen und dadurch dünn und nach Konserve klingen, und auch die Gitarren verlieren sich an vielen Stellen im allgemeinen Grundrauschen. Man hätte das verhindern können – und müssen.

Die Band hatte seit ihrer letzten Veröffentlichung mit diversen Problemen zu kämpfen und gerade Sängerin Sharon den Adel wurde vom Schicksal übel mitgespielt. Vermutlich muss man also dankbar sein, dass die Niederländer ihre gemeinsame Karriere nicht einfach beendet haben. Doch das ändert leider nichts daran, dass „Resist“ – zumindest in der klangtechnischen Form, in der das Album nun vorliegt – eher das CD-gewordene Manifest einer Band ist, die sich über ihre eigene musikalische Richtung nicht mehr im Klaren zu sein scheint und sich in unentschlossener Belanglosigkeit verrennt. Bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft wieder nach oben geht und WITHIN TEMPTATION sich auf ihre einstige Stärke besinnen, anstatt (im deutlichen Widerspruch zum Albumtitel von „Resist“) jedem Trend hinterherzurennen, um nur ja nicht altbacken zu klingen. Das haben sie schließlich eigentlich gar nicht nötig.

Resist


Cover - Resist Band:

Within Temptation


Genre: Melodic Metal
Tracks: 10
Länge: 47:0 (CD)
Label: Vertigo Berlin
Vertrieb: Universal