Review:

Vitruvius I

(Vitruvius)

Eine hoffnungsvolle neue Progmetalformation aus Mexico - gut, mal was anderes. Hier ist also von VITRUVIUS die Rede. Der Name und vor allem auch die musikalische Ausprägung auf „Vitruvius I“ hätte so rein gar nichts von der heißen und feurigen Herkunft der Band aus Xalapa (Veracruz) schließen lassen. Die Musiker um Mastermind und Multiinstrumentalist Oskar Villarreal klingen rein oberflächlich eher wie eine typische Band aus nordischen Gefilden mit einem relativ breiten symphonischen Grundgerüst, etwas leicht unterkühlter Stimmung, hohem, klaren Gothic-geprägten Gesang von Dulce Robles (zum Glück aber nicht auf Opern-Sopran ausgerichtet) sowie äußerst virtuosem Gitarrenspiel. Letzteres spiegelt sich mitunter im deutlichen Hang zu (übertriebenem) Gefrickel („Stealing A Tear From The Rain“); man könnte es etwas verständnisvoller natürlich auch als Fusion bezeichnen. Zuletzt habe ich solche abgefahrenen Parts bei Altmeister STEVE VAI und dessen letzten sehr zu empfehlenden Silberlings „Where The Wild Things Are“ (2010) gehört. Mitunter wirken mir so manche Songteile etwas zu stark konstruiert, da ist die Stimme oftmals nur spärlich beteiligt und allenfalls schmückendes Beiwerk („Black Sphere Pt. 1 & 2“). Ansonsten versucht man schon bei all der prallen Musik und viel Kopfkino auch etwas atmosphärisch zu klingen sowie mit Stimmungen zu arbeiten („Inner Space“), hier ist aber schon noch etwas Entwicklungspotential.

Die selbst genannten musikalischen Vorbilder von VITRUVIUS sind ähnlich vielfältig wie treffend d.h. wer mit Sachen von SYMPHONY X, AYREON, DREAM THEATER oder auch RUSH was anfangen kann, könnte auch hier fündig werden, wie gesagt mit all den erwähnten Nebengeräuschen und kleinen Spielereien. Der weibliche Gesangspart ist recht gelungen und klingt sehr positiv, nicht ganz so bombastisch aufgemotzt wie die alten NIGHTWISH-Geschichten, sondern eher etwas straighter („Staind In The Moon“) wie eventuell die neue WITHIN TEMPTATION-Scheibe oder auch AFTER FOREVER. Besonders gut ist die Lady, wenn sie mal etwas mehr aus sich herausgeht und etwas kerniger intoniert - wie bei dem klasse Track „Memories“. Die Stimme nimmt sonst schon etwas weniger Spielraum ein als bei allen vorher genannten Formationen, denn es gibt hier (zu) viele instrumentelle Passagen. Dies geht dann leider manchmal etwas zu Lasten von nachvollziehbaren Songstrukturen. Die Gitarren und Keyboards wurden beide von Villarreal eingespielt, daher ist auch eine gewisse Ausgewogenheit beider Instrumente festzustellen, wenn auch ab und an der Fusionfreak wie bei "Alchemist" mit ihm durchgeht. Auch das ein oder andere etwas zu frickelige Solo sei ihm daher verziehen, dies wird aber ganz klar nicht jedermanns Sache sein.

Die Hauptfirmierung läuft hier schon stilistisch Progressive Metal, sehr virtuos mit schönem Frauengesang - aber auch sehr improvisiert klingende Ausflüge ins jazzige sind ab und an mal herauszuhören. Alles in allem ist dies zwar manchmal für „Normalhörer“ sicher etwas anstrengend, aber neben einem klasse Coverartwork wird eine sehr solide Mucke des beschriebene Genres geboten. Manchmal könnte es halt noch etwas songdienlicher sein, dann könnte mit dem nächsten Werk der ganz große Durchbruch gelingen - hörenswert sind VITRUVIUS zweifellos schon jetzt.

Vitruvius I


Cover - Vitruvius I Band:

Vitruvius


Genre: Progressive
Tracks: 10
Länge: 57:29 (CD)
Label: Dust On The Tracks
Vertrieb: Dott Music/Intergroove