Review:

Heimvorteil (Die St. Pauli CD)

(V.A.)

Wozu braucht der FC St. Pauli eigentlich schon wieder ein Benefiz-Projekt? Sollten Retter- und Rasenpaten-Aktion sowie Sponsoren wie Astra, Mobilcom und Bommerlunder, an die 10.000 verkaufte Dauerkarten und die zahlreichen Merchandising-Produkte nicht so langsam genug Kohle eingebracht haben, um den Verein zu sanieren? Aber was die Vereinsführung mit den Einnahmen in Millionenhöhe anstellt, ist ja schon seit längerem nicht mehr zu durchschauen. Für gute Spieler wird das Geld auf jeden Fall nicht ausgegeben... Aber was weder Cover noch Booklet vermitteln, wird im Presseinfo geliefert: Der komplette Gewinn aus dem Verkauf des Albums fließt zwar dem FC St. Pauli zu, soll aber projektgebunden für dessen Jugend- und Sozialarbeit im Viertel verwendet werden. OK - wenn´s stimmt, eine schöne Sache, zumal sämtliche Bands auf Lizenzzahlungen verzichten und einige Stücke sogar eigens für die CD aufgenommen haben. Die Zusammenstellung ist dann aber stellenweise etwas seltsam. Die vertretenen Hamburger Hip Hop-Acts - von FETTES BROT, über die BEGINNER, bis zu DEICHKIND - gehören sogar noch am ehesten auf diese Platte, wobei ich nicht verstehe, warum man von den BEGINNERN das uralte "Rock On" gewählt hat, anstatt den "City Blues" von der letzten Scheibe - eine einzige Liebeserklärung an die Stadt Hamburg, insbesondere auch an den Stadtteil St. Pauli. Auch die sogenannte Hamburger Schule muss man wohl auf eine solche Compilation nehmen, und so finden sich hier Tracks von TOCOTRONIC, den STERNEN und BLUMFELD. Zu Bernd Begemann muss hier hoffentlich nichts groß erzählt werden: Sein "Oh, St. Pauli" ist wohl der schönste und passendste Song auf der Platte. Auch die ÄRZTE passen in diesen Kontext, immerhin wohnt Bela seit einigen Jahren in Hamburg und besitzt eine Dauerkarte fürs Millerntorstadion. "Bravopunks" ist mit seinen 1:14 Minuten zwar ein bisschen dürftig, aber zum Glück bleibt man hier wenigstens von Belas grauenvoller "You´ll Never Walk Alone"-Version verschont. Aber was bitteschön machen die SPORTFREUNDE STILLER auf dieser Platte? Klar, sie sind Fußballfans, aber bekanntlich Bayern-Anhänger, und von einer Sympathiebekundung in Richtung St. Pauli ist zumindest mir nichts bekannt. Aber es kommt noch schlimmer - und zwar in Form von WIR SIND HELDEN. Ganz davon abgesehen, dass sie zum Übelsten gehören, was die deutsche Musikindustrie in den letzten Jahren hervorgebracht hat, fehlt mir hier dann endgültig der Bezug zu Verein, Fußball und Hamburg. Klar, die Platte soll sich auch in Berlin und München verkaufen, und wenn dadurch Geld für Jugendarbeit reinkommt, ist das ja auch ein löbliches Unterfangen, aber diese Compilation wird weder dem Verein noch dem Stadtteil St. Pauli gerecht. Eine Zusammenstellung mit Underground-Bands hätte weitaus besser gepasst, grade vor dem Hintergrund der Hafenstraße, deren Aktivisten immerhin das Totenkopf-Logo entliehen ist. Und außerdem: es gibt in Hamburg genügend gute Bands, um eine Platte vollzubekommen. Wo sind beispielsweise RANTANPLAN, SUPERPUNK und BAZOOKA CAIN? Mit dieser CD wird lediglich das Image unterstützt, das der Verein außerhalb der Dauerkarten-Besitzer hat, das ja zur Zeit deutschlandweit und sogar im deutschsprachigen Ausland als Kult gefeiert wird, wohingegen die Mannschaft auch diese Saison wieder nur mäßig spielt und die Vereinsführung den Bach runtergeht. Im Grunde spiegelt "Heimvorteil" dadurch den derzeitigen Zustand des kompletten Vereins wieder: außen hui - innen pfui...

Heimvorteil (Die St. Pauli CD)


Cover - Heimvorteil (Die St. Pauli CD) Band:

V.A.


Genre: Sampler
Tracks: 19
Länge: 68:28 (CD)
Label: Major Records
Vertrieb: Edel