Udo Dirkschneider mit Bundeswehrorchester? Dürfen die das? Das ist wirklich gar nicht so einfach zu beantworten. 2015 gab es in WACKEN schon eine kurze Premiere, aber der Kontakt wurde zwischen beiden Parteien scheinbar gehalten und mündet nun ins Album „We Are One“. Ich könnte mir es jetzt einfach machen und sagen: Das geht gar nicht und den Daumen nach unten richten. Denn mit True Metal hat dies hier nun mal gar nichts mehr zu tun und wird den einen oder anderen Hörer mächtig verärgern. Aber das wäre auch nicht ganz gerecht, und somit möchte ich hier ausführlich auf das Album eingehen.

Rein textlich und thementechnisch wird „We Are One“ niemandem wehtun. Es werden aktuelle Bereiche angesprochen wie Umweltschutz, Cyberwahn, Flüchtlingskrise, Umweltverschmutzung, Nationalismus, die Klimakatastrophe usw.. Themen, die zwar in der heutigen Zeit wichtig sind, aber im Fragefall brauche ich dafür nicht Udo, sondern - so traurig es ist - die Schlagzeilen der BILD-Zeitung reichen da voll aus. Ganz klar, man möchte textlich in keinster Art und Weise anecken, was natürlich auf die Beteiligung des Musikkorps zurückzuführen ist. Bei so einem Projekt darf in der Öffentlichkeit halt gar nichts politisch anbrennen. Eindeutig kein Metal, aber verständlich.

Mehr Metal ist, dass es nach 15 Jahren wieder eine Zusammenarbeit mit dem alten ACCEPT-Recken Stefan Kaufmann innerhalb des Albums gab. Den klaren und differenzierten Sound haben wir u.a. ihm zu verdanken.

Um die Ausgangslage final zu klären: Es gab in den letzten Jahren viele Versuche von Metal-Bands, mit einem Orchester zu agieren. Die meisten Versuche gingen den Bach runter, da Band und Orchester einfach nebeneinander spielten und niemals als Gesamtbild auftraten. Ein bekanntes Beispiel sind natürlich METALLICA mit ihrem „S&M“-Album. Dass es auch anders geht, bewiesen RAGE mit dem Lingua Mortis Orchestra. Hier kann ich bei „We Are One“ Entwarnung geben. Man merkt, dass Band und das Musikkorps die Stücke zusammen arrangiert und somit das Motto „We Are One“ tatsächlich musikalisch durchgezogen haben. Hier findet man tatsächlich keinen Ansatz zum Meckern. Hier sind Profis auf beiden Seiten am Werk, und das merkt man auch.

So, wer jetzt noch nicht eingeschlafen ist, nun geht es mit dem Review der 15 (!) Stücke erst los. Ich kann hier keine Zusammenfassung liefern, da die Songs doch sehr unterschiedlich sind, und da ich ja Platz habe, werde ich jeden Song einzeln bewerten. Genug der Worte und ab in das Review von „We Are One“.

Eigestiegen wird mit „Pandemonium“. Das Orchester eröffnet mit einem überzeugenden Part, und eine Gitarre verleiht dem Beginn den letzten Schliff. Und dann kommt Udo, und man fühlt sich wohl. Klingt bisher alles gut. Der Song nimmt Fahrt auf, und das Orchester begleitet angenehm. Der Refrain kommt sehr Moll-lastig und erinnert tatsächlich an U.D.O. auf einem Doom-Trip. Ein sauberes Solo rundet den Song ab. Ein wirklich guter Einstieg. So kann es weitergehen. Gleichzeitig im übrigen auch ein Statement von Bundeswehr und Udo gegen rechte Politik.

Weiter geht es mit dem Titelsong „We Are One“. Klingt sehr jazzig und ungewohnt. Der Rhythmus ist schleppend und teilweise einschläfernd. Aufgewacht wird erst im Refrain, der an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist. Unterirdisch und auch textlich nicht besonders anspruchsvoll.

Gehen wir lieber zum nächsten Song „Love And Sin“ über, welcher mit einem schönen Chor beginnt und von Flötentönen umsäuselt wird. Hier kommt man einem Soundtrack für einen Film sehr nah. Leider bleibt der Song beim Einstieg der Band sehr unspektakulär, und auch eine Gastsängerin, deren Name scheinbar ein Geheimnis auf der Platte ist, belebt den Song nicht. Leider wieder kein guter Song, an dem das Orchester aber in diesem Fall keine Schuld hat.

„Future Is The Reason“ beginnt sehr militärisch, was zum Thema des Klimawandels nicht ganz passt. Hier dreht die Gastsängerin samt Chor wieder auf und das nicht im positivem Sinn. Hier klingt alles gewollt, aber nicht gekonnt. Der Song kommt nicht auf den Punkt und kann somit wieder auf der negativen Seite verbucht werden.

Um die Fridays For Future-Bewegung dreht es sich bei „Children Of The World“. Es fängt sehr bedächtig an. Oboe und Piano eröffnen das Lied um dann sehr bedächtig mit Bandunterstützung in den Song zu starten. Die ersten 1:30 Minuten plätschern so vor sich hin. Der Song wird auch nicht durch den Einstieg von Udo intensiver. Dann wird es gruselig. Ein Kinderchor setzt ein, und hier geht die Geschichte dann eher in die peinliche Richtung. Im Altenheim werden wahrscheinlich ein paar Tränen fließen. Leider auch nicht gut.

„Blindfold The Last Defender“ beginnt wieder mit einem schönen Orchesterpart und wieder mit der ominösen Gastsängerin. Eine Ballade deutet sich an, die gerne auch von NIGHTWISH hätte kommen können. Bestimmt nicht schlecht, aber auf der falschen Platte, und spätestens hier hätte die Dame im Info mal eine Erwähnung verdient. Kein schlechter Song, aber unpassend. Wo ist Udo?

Es folgt „Blackout“, welches wie ein Videospiel beginnt und einen schönen und düsteren Orchesterpart bietet, in dem Schüsse (???) fallen. Sehr gute Solo-Gitarre und tolles Zusammenspiel zwischen beiden Fronten. Es geht doch auch ohne Udo und Gastsängerin. Ein wirklich tolles Instrumentalstück. Endlich kann der Daumen auch mal nach oben zeigen.

Die Thematik bei einem Titel wie „Mother Earth“ sollte klar sein. Der Song fängt flott an, und das Zusammenspiel passt. Udo kommt jetzt auch wieder zu seinem Recht, und „Mother Earth“ entwickelt sich zu einem wirklich guten Song mit einem dominanten Refrain. Geht ganz gut ins Ohr.

„Rebel Town“ beginnt sehr exotisch und wird sofort mit einem harten und überzeugenden Part eröffnet. Udo klingt überzeugend, und auch die hohen Töne sitzen. Der metallischste Song bisher und somit eigentlich ein guter Song, wenn bitte nicht diese Chor-Einlagen wären. Sie zerstören den ganzen Song. Warum macht man das?

Beschwörend beginnt „Natural Forces“. Hier fühlt man sich wieder wie in einem Soundtrack, was ja nichts Schlechtes bedeuten muss. Klingt irgendwie wie für einen „Indiana Jones“-Film komponiert. Kommt da noch mehr? Nein! Kein Gesang. Nur ein kurzer (guter) Chor. Braucht auf der Scheibe aber leider keiner. Wenn ich einen Filmsoundtrack hören möchte, dann kaufe ich mir kein Album von U.D.O..

„Neon Diamond“ beginnt sehr ruhig, bis ein treibendes Riff den Hörer aufschrecken lässt. Ein cooles Saxophon integriert sich perfekt, und Udos Gesang kann glänzen. Leider ist auch die Gastsängerin wieder am Start, aber im Refrain holt der Song alles raus. Ein tatsächlicher Ohrwurm. Nichts gegen die gute Dame, aber wie gut hätte der Song nur mit Dirkschneider werden können? Trotzdem ein toller Song.

Orchestral beginnt „Beyond Gravity“, welches ein wenig an Star Trek erinnert, bis orientalische Töne aufhorchen lassen. Klingt erst mal interessant und geht dann in gepflegtes Midtempo über. Passiert endlich mal was? Nein! Kein Gesang – nur dieses orientalische Gedödel und das Orchester. Langsam nervt es wirklich!

Aktuelles Thema im Song „Here We Go Again“ – die Flüchtlingslage. Beginnt erst mal sehr rockig um dann mit jazzigen Klängen zu verwirren. Und dann kommt´s! Udo Dirkschneider fängt an zu rappen! Ich finde ja viel lustig, aber wo es aufhört, da hört es auch auf! Dass der Refrain scheiße ist, brauche ich gar nicht mehr zu sagen. Das ist einfach eine Unverschämtheit! Aus Angst vor Zensur schreibe ich nicht weiter. Frechheit!

„We Strike Back“ beginnt sehr flott. Fast schon Speed Metal. Geht da noch was? Ja, der Refrain sitzt, und das Ding ist endlich mal etwas, mit dem man etwas anfangen kann. Klar, jede normale Metal-Band schreibt solche Songs an einem Sonntagvormittag, aber auf diesem Album ist man über solche Töne doch erfreut. Auch die Soli-Gitarren sind passend und gut. Hier können wir endlich mal aufatmen.

Der letzte Song hört auf den Namen „Beyond Good And Evil“ und beginnt mit einem überzeugenden Riff. Das Orchester steigt passend ein. Leider haben wir es hier wieder mit diesen unsäglichen Chören zu tun, welche sich ein Wechselspiel mit harten Gitarren liefern. Von Gesang keine Spur. Was soll dieser Unsinn? Mir reicht´s!

So, es ist geschafft. Fazit: Das Album ist eine Frechheit, und da ist nicht mal das Orchester schuld, welches einen guten Job abliefert. Warum macht sich Dirkschneider auf seinem eigenen Album so rar? Warum werden laufend kitschige Chöre benutzt? Warum sind teilweise die Instrumentalstücke spannender als der Rest? Ehrlich gesagt, ich habe die Faxen dicke! Bei aller Liebe zu Udo und seinem Schaffen. Das Ding hier ist ein Albtraum, und ich hoffe, es fliegt diversen Leuten nur so um die Ohren! Aber in Wacken 2021 (ich bin mir sicher, dass es zu einem Auftritt kommt) wird dieser Nonsens bestimmt abgefeiert. Ich könnte kotzen!

 

We Are One


Cover - We Are One Band:

U.D.O. & Das Musikkorps Der Bundeswehr


Genre: Metal
Tracks: 15
Länge: 74:59 (CD)
Label: AFM Records
Vertrieb: Soulfood