Review:

Dis Morta

(TOXIK)

TIPP

Wenn eine Band nach einer langen Auszeit wieder mit neuem Material vorstellig wird, dann ist oftmals Skepsis angesagt. TOXIK jedoch haben das ganz clever gemacht und nichts überstürzt. So gab es erst einmal ausgiebige Touren und die eine oder andere EP als Testballon. Teils mit neu eingespielten alten Nummern und teils auch mit neuen Stücken. Live konnten sich TOXIK in den letzten Jahren immer weiter steigern, was auch dem stabilen neuen Line-Up geschuldet ist. Aber gerade, weil TOXIK live so ziemlich alles wegblasen, war ich sehr gespannt, was die Herren uns auf "Dis Morta" präsentieren. Um es vorwegzunehmen: Es ist der absolute vertonte Wahnsinn. Ultratechnischer Thrash, welcher zwischen VOIVOD-artigen Dissonanzen und WATCHTOWER-Breaks hin und her pendelt und es dabei sogar noch schafft, dies mit prägnanten Songs und eingängigen Melodien zu verbinden. Bei aller Komplexität überfordert "Dis Morta" nicht. Es lädt zum Headbangen genauso ein wie zum analytischen Hören unter dem Kopfhörer. Für eine Thrash-Band von immanenter Wichtigkeit sind Power und Aggression, und auch das gibt es hier ohne Ende. Die 23 Jahre seit dem zweiten Album "Think This" haben Mastermind Josh Christian reifer werden, aber nicht auswimpen lassen. Darüber hinaus hat er mit dem lebenden Gummiball Ron Iglesias einen Sänger an seiner Seite, der nicht nur intelligente Texte beisteuert, sondern auch mit einer zu den Songs psychotischen Performance glänzt. Ein absoluter Maniac hinter dem Mikro. Aber auch der Rest der Mannschaft (Drummer James DeMaria, Gitarrist Eric Van Druten und Basser Shane Boulos) sind wichtige Teile im Gesamtkunstwerk TOXIK. Gerade live wird die gute Stimmung innerhalb der Band mehr als deutlich, und diese Energie hat sich nun offensichtlich auf das Album übertragen.

Neben dem Grundgerüst aus meist sehr speedigen Abfahrten, sind es die Überraschungen, die Feinheiten, die aus einem sehr guten Album einen modernen Klassiker machen. Der fast schon symphonische Refrain im Titelstück, der kurze Friedman/Becker-Tribut in "Feeding Frenzy", das "PINK FLOYD-Break" in "Hyper Reality" oder der balladeske Beginn von "Devil In The Mirror" (bevor ein rasendes Riff jedwede aufkeimende Romantik pulverisiert). Nichts davon geht aber auf Kosten der Power. Ein Stück wie "Straight Razor" hätte auch auf "World Circus" eine gute Figur gemacht. Das Album strotzt nur so vor technischen Kabinettstückchen, die aber kein Show-Off bedeuten, sondern kompositorisch sinnvoll den jeweiligen Song bereichern. Man ertappt sich öfter dabei zu denken: "das kann jetzt aber echt keinen Sinn machen", und trotzdem funktioniert es. Es ist ein Paradigmenwechsel im klassischen Songwriting. Christian schafft es, Puzzleteile, die eigentlich nicht zusammenpassen, so zu verbinden, dass, am Ende vollkommen überraschend, ein stimmiges Gesamtbild dabei herauskommt.

TOXIK haben das Kunststück fertig gebracht, ein neues, frisches, zeitgemäßes und vor allem relevantes drittes Album zu komponieren, ohne mit der eigenen Vergangenheit brechen zu müssen. Es mag wie pure Häresie klingen, aber nachdem das Album nun über einen Monat lang sehr regelmäßig hier lief, bin ich geneigt zu behaupten, dass es das beste TOXIK-Album ist, da es die Stärken der beiden legendären Vorgänger bündelt und zusammen mit einer juvenilen Frische ein Gesamtkunstwerk darstellt, welches ich so schon lange nicht mehr gehört habe. Also den 05.08.2022 rot im Kalender anstreichen, denn da wird "Dis Morta" in die Welt gelassen.

 

Dis Morta


Cover - Dis Morta Band:

TOXIK


Genre: Thrash Metal
Tracks: 10
Länge: 44:30 (CD)
Label: Massacre Records
Vertrieb: Soulfood