Denkt man an THE SWEET, hat man sofort Songs wie "The Ballroom Blitz", "Teenage Rampage", "Blockbuster!" oder "Fox On The Run" im Kopf. So großartig diese Nummern auch sein mögen, sie entstammen einer fernen Galaxie namens Glam Rock. Wie aber sind THE SWEET im Jahre 2024 aufgestellt?
Das Urgestein Andy Scott (Gitarre) ist der einzige Überlebende der Gründer und zugleich das Bindeglied zwischen Gegenwart und der glorreichen Vergangenheit. Mehr als ein halbes Leben und viele Generationen liegen zwischen dem Gestern und Heute, so dass man sagen könnte, die Musik von damals ist irgendwie erwachsen geworden. Der Zuckerguss auf den hochfliegenden Melodien von früher ist über die Jahre geschmolzen, die kindliche Unbekümmertheit ist einem eher nachdenklichen Ton gewichen, und der Sound hat die Schwere der vergangenen Pandemie assimiliert.
Das Album wurde bereits 2019 begonnen und Corona-bedingt zunächst auf Eis gelegt. Die Arbeit an "Full Circle" wurde erst wieder aufgenommen, nachdem die COVID-Phase der Isolation beendet war. Hierfür stellte Andy eine nahezu komplett neue Truppe zusammen. Tom Cory (Gitarre und Keyboard), der auch an der Produktion beteiligt war, Lee Small (Bass) und Paul Manzi (Gesang) kamen 2019 an Bord, einzig Bruce Bisland am Schlagzeug war bereits da (seit 1991).
Das nächste Level der Entwicklung ist aber aus meiner Sicht in erster Linie solch einem Übersänger wie Paul Manzi, der in seiner Vita drei hervorragende Alben mit ARENA stehen hat, zu verdanken. Neo-Prog trifft auf Glam Rock - eine Melange, die ihresgleichen sucht.
"Circus" rollt gewaltig aus dem Bahnhof und stampft wie die auf dem Cover abgebildete Lok gemächlich durch die Prärie, wobei Andy an der einen oder anderen Stelle die Dampfpfeife mimt. "Don't Bring Me Water" legt ein paar Briketts mehr Melancholie in den Kessel. Hier suhlt sich Paul regelrecht im erdigen Sound. Die Rückbesinnung auf alte Tugenden gelingt Mr. Scott mit "Changes" in der Mitte der CD dann aber doch noch. Hier sind sie wieder: die bunten Gitarrenparts und zuckersüßen Chorgesänge. Umso schwerer wirkt danach allerdings "Everything". Die Nummer entwickelt sich nach basslastigem Einstieg mit herunter gestimmten Gitarren hin zu einer atmosphärischen Ballade, bei der Mr. Manzi erneut zu glänzen vermag. Wir besteigen bei "Destination Hannover" abermals den Zug und reisen mit Dampflok-Rock durch Deutschland. Angekommen in Hannover, lässt man mit "Fire In My Heart" die 70er wieder hochleben. Die Nummer ist darüber hinaus bestens geeignet, beim Konzert diverse Singspielchen zu zelebrieren. Der Titeltrack bildet den opulenten Abschluss einer außergewöhnlichen Platte und zeigt uns einen Ausblick auf das, was wir in Zukunft von dieser Band noch erwarten können. Paul Manzi zieht noch einmal das komplette Register seines Könnens, und Andy Scott folgt mit der Truppe in eine progressivere Zukunft.
"Full Circle" ist unter dem Strich eine klasse Hardrock-Scheibe, die man locker zwischen aktuellen Platten von DEEP PURPLE und URIAH HEEP einordnen kann.
Full Circle
Band:
THE SWEET
Genre: Hard Rock
Tracks: 11
Länge: 41:56 (CD)
Label: Metalville
Vertrieb: Rough Trade