Review:

Presets

(Sylvan)

TIPP
Natürlich machen die Hamburger SYLVAN auf ihrem aktuellen Werk "Presets" keine "schnöde" oder gar gediegene Popmusik, wie man es selbst auch etwas augenzwinkernd angekündigt hat oder in manchen Rezensionen völlig daneben geschrieben wurde. Es ist immer noch eindeutig Progrock, der allerdings diesmal in einer etwas anderen Grundausprägung daherkommt - die Pladde klingt nämlich viel lockerer und entspannter, trotz einer gewissen tragenden Melancholie, aber nicht zu trist oder gar depresiv. Einschmeichelnde Melodien gibt es zu hauf, aber nicht zu platt-billig. Manchmal schimmert ein 80'er Jahre New Wave Feeling durch die Songs hindurch und dann wieder eine unheimliche Weite in hymnischen Refrains. Der Vergleich mag inzwischen etwas abgedroschen sein, aber der Sound kann eine gewisse Nähe zu COLDPLAY (zumindestens zu deren letzten beiden überragenden Alben) nicht verleugnen, bloß hier wird noch mehr Tiefe und meistens ein deutlich detailreicherer Songaufbau geboten. Als Progpop könnte man "Presets" schon bezeichnen, denn es gibt kürzere Songs wie das balladeske "Signed Away" oder das mit Indieflair daherkommenden "For One Day" - sie müssten im Radio eigentlich rauf und runter laufen, wenn es für deutsche Bands eine Lobby im Einheitsbrei der meisten Chartsender geben würde - Qualität ist da leider selten entscheidend. Trotz dieser, sagen wir mal "kommerziellen" Sprenkel, sind auch noch genügend der insgesamt 12 Tracks jenseits der 7-minuten Grenze vertreten und hier kommen auch die eingefleischte Progfans auf ihre Kosten. Opulente Hämmer wie z.B. der epische Titelsong "Presets" oder auch "Former Life" - da wird typisches Slvlvanfutter serviert, das absolut packend mit viel Ausstrahlung sowie intensiven Spannungsbögen aufwarten kann. Begleitet durch die grundsoliden, punktgenauen Drums von Matthias Harder, einem stets knackigen Bass mit ordentlich Groove ("One Step Beyond") von Sebastian Harnack, dem feinfühlig sowie mitreißend zugleich klingenden Gitarrensound von Kay Söhl, den abwechslungsreichen Keyboards mit viel Piano von Volker Söhl sowie über allem quasi tronend das markante Timbre von Marco Glühmann, der unheimlich emotional die sehr frei interpretierbaren Texte intoniert und mich stimmlich hier sehr angenehm manchmal irgendwie an Midge Ure (ULTRAVOX) erinnert, haben SYLVAN ein stimmiges Gesamtkunstwerk abgeliefert. Mit dem Vorgängeralbum "Posthumous Silence” gelang den Jungs endlich der Durchbruch auf breiter (Kritiker-) und Fans Basis. Aber der Nachfolger, der eigentlich gar nicht der Nachfolger ist, weil "Presets” nämlich parallel zu PHS aufgenommen und produziert wurde, ist nur schwer mit seinem Vorgänger zu vergleichen, da die Grundintention absichtlich eine völlig andere war. Man wollte betont eingänglicher klingen (ähnlich wie dies MARILLION vielleicht zu Beginn der Hogart Ära gemacht haben), der Zuhörer vergisst trotz aller stilistischen Finessen und Andersartigkeiten nie, dass hier SYLVAN zu jeder Sekunde noch nach sich selbst klingen. Trotz aller klanglicher "Experimente" haben die Hamburger sich ihre Identität erhalten. Intelligente Progmusik, nicht zu konstruiert, mit großen Refrains, je nach Bedarf auch mal spartanisch arrangiert. Dann wieder diese unheimlich treibenden Rythmen, die auf schwebende Klangwelten treffen und von diesem alles verbindenden atmosphärischen Gesang mit wahren Gänsehautorgien und viel Pathos zusammengehalten werden - das ist ganz großes (Prog-) Kino. Klar, die Proghardliner werden hier nicht so recht glücklich, aber deren mir oftmals zu engstirniges Kategoriendenken sollte hier auch nicht bedient werden. Die Band hatte einfach Bock zwischendurch mal etwas anderes, entspannenderes zu machen oder zu zeigen - das hat mit Anbiederung an den Mainstream nicht das Geringste zu tun! Beide Seiten der CD ( in Anlehnung an alte Plattenzeiten wird nach "Side A" und "Side B" unterschieden) haben es in sich. Da darf man sich einfach auf die Musik einlassen, zurücklehnen und eintauchen ("On The Verge Of Tears") in die Welt von SYLVAN.

Die Jungs haben hier mit ihrem sechsten Studioalbum ihre derzeitige absolut herausragende Stellung als beste deutsche New Art Prog Rock Band sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. "Presets" macht süchtig und gehört für mich schon jetzt ganz klar zu den Alben des Jahres 2007.

Presets


Cover - Presets Band:

Sylvan


Genre: Progressive
Tracks: 12
Länge: 62:28 (CD)
Label: Point Music
Vertrieb: Point Music