Von Neal Morse’ Ausstieg vor 13 Jahren haben sich SPOCK’S BEARD nie richtig erholen können. Die überragenden Fähigkeiten der übrigen Bandmitglieder sind geblieben, aber die großen kompositorischen Ideen fehlen seitdem, und auf den folgenden Veröffentlichungen ist ihre Musik zusehends verflacht. Der Ausstieg des an den Lead-Gesang nachgerückten Drummers Nick D'Virgilio 2011 hat dann auch gar nicht mehr so viel ausgemacht, trotzdem wurde mit dem 2013er Album „Brief Nocturnes And Dreamless Sleep“ wohl ein vorläufiger Tiefststand erreicht.
Mit „The Oblivion Particle“ haben SPOCK’S BEARD wieder einmal versucht, ein relevantes Album aufzunehmen. Tatsächlich geht es sogar ziemlich vielversprechend los: Der Opener „Tides Of Time“ ist klassische SPOCK’S BEARD. Weit gespielte Themen, verschwurbelte Rhythmen, schwer rockende Riffs – alles da. Nur der Gesang ist farbloser als früher, aber das kannte man ja schon vom Vorgängeralbum. Dann aber schlägt Einfallslosigkeit um sich. „Minion“, „Hell’s Not Enough“, „Get Out While You Can“, „Benett Built A Time Machine“ – alles zum Einschlafen langweilig, gekrönt durch fürchterliche Refrains. Fast immer brauchen die Stücke wahnsinnig lang, bis sie richtig losgehen, ohne dass Spannung aufgebaut würde, und fast immer werden dann im letzten Drittel vertrackte Instrumental-Parts eingebaut, um zu retten, was noch zu retten ist.
Doch tatsächlich gewinnt das Album in der zweiten Hälfte – als man es längst schon nicht mehr erwartet – an Intensität. Zwar zieht sich auch „A Better Way To Fly” erst einmal etwas hin, geht dann im Mittelteil aber ordentlich ab und wird stellenweise richtig wild, wobei die Keyboards psychedelische Akzente setzen. Super! Das zehneinhalb Minuten lange „To Be Free Again“ besticht dagegen durch seine ruhige, fließende und teils düstere Atmosphäre, verbunden mit einer gewissen Heavyness. Auch das abschließende „Disappear“ kann noch einmal begeistern: am Anfang wieder viel Ruhe, viel Atmosphäre, wobei stellenweise etwas PINK FLOYD mitschwingt, dann ein typischer wilder Instrumental-Ritt inklusive eines ebenso typischen A acapella-Intermezzos (SPOCK’S BEARD-Trademark-Sound, muss man schon sagen) und ein großes, breit ausgespieltes Finale.
Na also – geht doch! Offenbar sind SPOCK’S BEAR doch noch fähig, hervorragende Songs zu schreiben. Allerdings scheint es ihnen einfach nicht mehr zu gelingen, diese Qualität über ein gesamtes Album aufrechtzuerhalten, denn von den großen Werken der Neal Morse-Ära sind sie nach wie vor weit entfernt. Immerhin ist man am Schluss von „The Oblivion Particle“ aber wieder einigermaßen mit ihnen versöhnt.
The Oblivion Particle
Band:
Spock's Beard
Genre: Progressive
Tracks: 9
Länge: 66:14 (CD)
Label: InsideOut
Vertrieb: Universal