Review:

Terra Incognita: Beyond The Horizon

(Roswell Six)

Ich fall' gleich mit der Tür ins Haus und stelle etwas ernüchtert fest: Selten hat mich eine Scheibe in der letzten Zeit so enttäuscht wie dieses (Mach) Werk von ROSWELL SIX Namens "Terra Incognita: Beyond The Horizon". Dieses insbesondere im Vorfeld vom betreffenden Label Prog Rock Records beinahe schon etwas vorgehypte neue Allstarprojekt kann leider nicht annähernd die geweckten Erwartungen an einen echten Hochkaräter erfüllen, den sich viele Progressive Fans und natürlich auch Kritiker erwartet hatten.

Ungeachtet der sicher ganz brauchbaren Vorlage von Sci/Fi Autor Kevin J. Anderson (der auch die Texte schrieb und als Co-Producer fungierte), in Fachkreisen gilt er auch eher als die Rosamunde Pilcher des Fantasy da bei ihm auch eher die Masse (mehr als 100 Bücher bisher geschrieben) als Klasse zählt, ist die Musik insgesamt einfach zu beliebig und inhaltlich zu dürftig.

Und dafür war eher mehr als weniger alleine der Tastenhero Erik Norlander (u.a. ROCKET SCIENTIESTS) zuständig, der die Musik im Alleingang komponiert hat. Auch die etwas zahnlose Produktion dieser Scheibe geht auf sein Konto und leider dominieren von vorne bis hinten seine meistens altbackenen Keyboards, egal ob Synthie, Orgel oder sonstige Plastiksounds, diese Album. Die Gitarren kommen trotz künstlicher Doppelung ohne Ende meist viel zu kurz, die Rhythmusfraktion wurde ebenfalls etwas zu weit nach hinten gestellt und so entsteht ein eher flacher Höreindruck ohne viel Energie oder Durchschlagskraft wie es für solch eine Rockoper hätte sein müssen. Es gibt viel symphonisches Gedudel, es gibt reine Instrumentals (z.B. „The Edge Of The World“ ganz am Schluss eher etwas orientierungslos und ohne richtiges Finale) und überflüssige Zwischenspiele verwässern die Inhalte der Songs. Norlander hat anscheinend sehr viel AYREON gehört, anders kann ich mir die zahlreichen Zitate nicht erklären. So schlimm wäre dies ja auch gar nicht, aber er schafft es aber nicht mal ansatzweise die kompositorische Genialität von LUCASSEN zu erreichen. Es fehlt mir ganz oft die Tiefe, Atmosphäre und auch die Dramatik hinter dieser Story. Der Holländer bringt die Verbindung aus folkig-symphonischen Elementen mit einer gewissen Heavyness deutlich packender rüber als ROSWELL SIX. Hier dominiert eher gedämpfter Rock, ebenfalls gibt es viele mehrstimmige Chorarrangements die sogar ähnlich bei AYREON klingen aber inhaltlich deutlich dünner daherkommen. Beim noch soliden Opener „Ishalem“, mit schwerer Kirchenorgel startend, geht das noch mit einigermaßen gelungener Melodie, aber selbst hier sind schon zu viele Längen im Stück wo nicht viel passiert. Auch sind manche der nach 80er Bontempi-Billig-Plastikorgel klingenden Keyboardfanfaren die ständig durchs Klangbild holpern einfach nur peinlich und nervig.
An den tollen Vocalisten die hier mit an Bord waren liegt es jedenfalls nicht, dass der Funke einfach nicht überspringen will. James LaBrie (DREAM THEATER), Michael Sadler (Ex-SAGA), John Payne (ASIA) oder die bessere Hälfte des Masterminds LANA LANE machen eine soliden Job und holen noch das Beste aus den Songs heraus. Insbesondere Sadler liefert mit der mit schönen Streichern versehenen Ballade “Letters In A Bottle“ die stärkste Leistung ab. LANA LANE wird manchmal mit arg viel Hall auf die Piste geschickt bleibt bisweilen etwas unter Wert.

Die instrumentellen Mitstreiter scheinen größtenteils nur für das Booklet geholt worden zu sein, denn man hört nur sehr wenig von solche prägnanten Leuten wie Gary Wehrkamp (SHADOW GALLERY), Chris Brown (GHOST CIRCUS), Kurt Barabas (AMARAN'S PLIGHT, UNDER THE SUN), Chris Quirarte (PRYMARY), David Ragsdale (KANSAS), Mike Alvarez (IQ) oder Martin Orford (IQ) durch. Die Gitarren schlummern eher brav im Hintergrund, eine Ausnahme bildet das etwas riffigere „Swept Away“, Solos (bei „The Winds Of War“, einem der wenigen guten schnelleren Tracks blitzt mal eines auf) sind ansonsten so gut wie nicht vorhanden. Da hat der "gute" Norlander lieber noch ein Keyboardsolo mehr mit eingebaut statt etwas mehr auf deren Qualitäten zu setzen, sehr schade.

Ein Konzeptalbum der progressiven Superlative ist definitiv etwas anderes als "Terra Incognita: Beyond The Horizon". Die oftmals eingesetzten Chöre sind zwar sehr pompös aufgemacht, nutzen sich aber mangels griffiger Melodien und ähnlichem Aufbau sehr schnell ab. Bei den Songs bleiben überraschende Breaks, unerwartete Arrangements oder gar experimentelle Parts völlig außen vor. Nur so richtig progressiv geht es hier nie zu, nicht mal annährend, das alles ist eher aufgemotzter Hardrock mit symphonischer Ausrichtung und absolut vorhersehbar.

Auch das Instrumental "The Sinking Of The Luminara" mit Ragsdale und seiner typischen E-Violine sowie den drückenden Basslinien von Barabass überzeugt mich nicht wirklich, das musikalische Thema ist einfach zu langweilig. Auch der gefühlvolle Titeltrack "Beyond The Horizon" mit schöner Klavier und Flötenbegleitung und erneut mit Sadler am Mikro gehört zu den wenigen Höhepunkten. Lana Lane zieht insgesamt erneut den Kürzeren, insbesondere das arg bedächtig eingesungene "Merciful Tides" zeigt dies deutlich.
Die 13 Tracks von "Terra Incognita: Beyond The Horizon" und die etwas an die griechische Mythenwelt erinnernde Story über Seefahrer, Ungeheuer, verfeindeten Gottheiten sowie ein getrenntes Liebespaar ist in der musikalischen Umsetzung passend zum Inhalt leider klassisch baden gegangen. Selbst das sehr ideenreich gestaltete Artwork mit allen Texten sowie die Linernotes des Autors reißen es da nicht mehr raus. Vor einem Kauf sollte man daher unbedingt mal reinhören - ich empfehle aber statt dieser Scheibe viel eher Sachen von AYREON, FRAMESHIFT, HENNING PAULY oder auch AMARAN'S PLIGHT, die heben wesentlich mehr packende Momente und ein stimmiges Gesamtkonzept. Schade, hier wurden vorhandene Potentiale zu leichtfertig verschenkt.

Terra Incognita: Beyond The Horizon


Cover - Terra Incognita: Beyond The Horizon Band:

Roswell Six


Genre: Progressive
Tracks: 12
Länge: 67:28 (CD)
Label: Progrock Records
Vertrieb: