Review:

Zarah - A Teartown Story

(Ricochet)

TIPP
Mensch, wenn ich diese klasse CD von RICOCHET nur etwas früher bekommen hätte, diese Scheibe wäre ganz sich unter meinen Top 5 des Jahres 2005 gelandet! Was die Hamburger hier auf ihrem spannungsgeladenen Konzeptwerk "Zarah - A Teartown Story" abgeliefert haben ist nämlich wirklich aller erste Kajüte. Die Stilrichtung ist eigentlich schon aufgrund eines ziemlich typischen Namens (Ricochet = engl. für Querschläger) klar - hier gibt´s Progmetal satt und zwar aus der ersten Liga, dargeboten in höchster Qualität und ohne jeden Ausfall. Die Anlehnung an bekannte Formationen der melodischeren Progausrichtung dieses Genres soll hier nur mal als kleiner Hinweis dienen, denn RICOCHET schaffen es tatsächlich in ähnliche Regionen wie THRESHOLD, DREAM THEATER oder auch zuletzt RIVERSIDE vorzustoßen, ziehen dabei trotzdem "ihr" Ding durch d.h. der Bandsound ist ziemlich eigenständig und verkommt nicht wie vielfach schon gehört, zu einem reinen seelenlosen Plagiat.

Die Band an sich gibt es eigentlich bereits sehr lange, es dauerte allerdings fast 10 Jahre bis nach dem Debütalbum "Among the Elements" von 1995 ein Nachfolger herauskam. Dies hatte mehrer Gründe u.a. gab es personelle Probleme neben einem Bassisten suchte man mehrere Jahre (!) nach einem passenden Sänger, nutzte aber die Zeit um ca. 50 Songs zu schreiben und an den Kompositionen zu feilen. Diese Geduld sowie Hartnäckigkeit spricht ebenfalls für die Musiker, nach Feierabend mit viel Geduld ein solch ambitioniertes Album einzuspielen ohne auseinanderzubrechen. Nachdem seinerzeit das Debüt lediglich in dem Insiderfachmagazin "Praline" auf überregionale positive Resonanzen stieß (".. alle Songs sind von bestechender Qualität. Klasse!", Praline 41/95) und selbst ein Gastauftritt inklusive Song in der norddeutschen Kultserie "Großstadtrevier" mit Jan Vedder nicht viel nützte, sind diesmal die Reaktionen zu Recht auf etwas breiter Basis sehr positiv. Trotzdem haben RICOCHET auch erst Ende 2005 ein Label im Ausland für dieses Sahnteil gefunden, was aber absolut unverständlich ist, da haben INSIDE OUT ganz sich etwas lohnenswertes verpaßt.

Sowohl bei der inhaltlichen Ausgestaltung sowie auch ein klein wenig bei der musikalischen Form (besonders in den wunderbar melancholischen Momenten) kommen bei mir (nur positive)Erinnerungen an MARILLIONS Konzeptwerk "Brave" wieder hervor. Die Lyrics sind wirklich außergewöhnlich fesselnd wobei zusammenfassend das kurze Leben eines von viel Leid geprägten jungen Mädchens erzählt wird, angefangen vom Missbrauch über die Ermordung des Täters bis zu ihrem Selbstmord. Dahinter soll aber nicht nur ein Einzelschicksal aufgezeigt werden sondern auch der kritische Blick Gesellschaft (Syn. "Teartown") stehen, sowie das Leben an sich. Gab es in der ein oder anderen Form zwar schon mal ähnlich aber Ricochet haben durchaus ihre eigene, hörenswerte Variante verfasst. Die Umsetzung des textlichen Konzeptes erfolgt in episch/dramatischer Form, es gibt viele längere Tracks Songs, die beinahe schon soundtrackartig ineinander greifen und ja es gibt hier neben den üblichen Progausschmückungen (ohne es dabei mit Gevatter Frickel zu stark zu übertreiben!) aber auch richtig knallharte Metalbangernummern wie z.B. "Caught in the Spotlight" aber auch Gefühlvolles fehlt nicht das melancholische "Final Curtain" mit seinen genial, weiten Gitarrensolos zaubern zeitlose Melodien aus den Boxen. Die Keyboards werden hier nicht als notwendige Randerscheinung eingesetzt sondern der Tastenmann hat’s richtig drauf, darf sich daher auch in opulenten Arrangements sowie stimmigen Klangteppichen austoben ohne dabei den Sound zu verwässern oder manigfaltige Spannungsbögen überzustrapazieren - ganz im Gegenteil. Ricochet bieten einfach ganz großes Progkino und können egal ob breaklastige Instrumentals wie "Disobedience" (ein wenig darf man auch mal zeigen, was man alles so drauf hat!) oder auch emotional sehr tiefgehende aber immer kompakt verpackte Ideen wie beim riffig-epischen "Teartown", nie verliert man den Song als solchen aus den Augen. Wie gesagt Vergleiche sind hier eher nicht so angebracht, wenn auch "Silent Retriever" doch etwas stark nach IQ klingt. Bei solch anspruchsvollen Gratwanderungen braucht es natürlich auch eine fähigen Vocalisten und diese Position bekleidet hier Fronter Christian Heise, der mit einem unglaublich wandelfähigen Organ, nicht nur sicher in höchsten Ebenen "umherturnt" sondern auch die tiefen Lagen meisterhaft beherrscht. Mit großem und vor allem einfühlsamen Stimmeinsatz bewegt er sich abwechselnd kraftvoll/wütend und genauso auch melodisch, auch mal pathetisch ohne dabei jedoch ein Fünkchen an Glaubwürdigkeit zu verlieren - einfach klasse! Ricochet möchte man sich daher sofort am liebsten auf einer Livebühne vorstellen, um dabei noch mehr in den Tiefen dieser grandiosen Musik versinken. Hoffentlich bekommen die Hamburger bald die Gelegenheit dazu, und dann wird hoffentlich mein heimlicher Favorit des Albums das geniale "Cincinatti Road" gespielt, denn hier finden sich alle Trümpfe dieser bemerkenswerten Band in einem Song vereint.

Zarah - A Teartown Story


Cover - Zarah - A Teartown Story Band:

Ricochet


Genre: Progressive
Tracks: 9
Länge: 72:26 (CD)
Label: Prog Rock Records
Vertrieb: Just For Kicks