Review:

Island Noises

(Poor Genetic Material)

TIPP
Fast vier Jahre ist es schon her, dass uns die Prog Art Rocker von POOR GENETIC MATERIAL zuletzt mit einem Album „Paradise Out of Time“ beglückt hatten. Aber jetzt fand sich endlich wieder Zeit und Sänger Phil Griffiths (ansonsten ja hauptamtlich bei ALIAS EYE am Mikrofon) hat mit seiner Zweitband diesmal ein recht ambitioniertes neues Album „Island Noises“ aufgenommen. Gegenüber dem für Bandverhältnisse fast schon mainstreamigen Vorgänger ist diesmal eine amtliche Portion Art Prog herausgekommen. Auf dem doppelseitigen Konzeptalbum wurde William Shakespeares Klassiker „The Tempest“ (Der Sturm) musikalisch sehr differenziert, mit vielen tollen Details aber auch in einer gewissen Leichtigkeit umgesetzt.

Wie schon angedeutet sind Poor Genetic Material stilistisch wieder etwas zurück in die eigene Vergangenheit gereist und widmen sich ihrem typisch einfühlsamen sehr melodischen Artrock der Jahreszeitenzyklus-Alben. Die Band hat gute drei Jahre an dem Album gearbeitet, mehrere Gastmusiker dazu eingeladen (u.a. Querflöte, Sängerin) und viel Arbeit in die Produktion gesteckt. Das hat sich absolut gelohnt, der Sound ist echt sehr volumig aber toll ausgewogen d.h. die Instrumente sind absolut gleichwertig gestellt. Egal ob Gitarre, die vielfach sehr detailliert groovenden Basslinien (u.a. bei „Assassins and Sleepers“) oder auch die tolle warmherzige Stimme von Sänger Phil. Ich habe seinen charismatischen etwas theatralischen Gesang mit den mal gefühlvollen, dann wieder recht energischen Ausbrüchen wirklich vermißt, ein toller Vokalist.

Aber auch die anderen Musiker lassen sich nicht lumpen und bieten ihren typischen Melodienbetonten Art Prog Rock mit wie immer einfließenden Neo-Progsprengseln absolut kurzweilig und so ziemlich ohne jede nervigen Frickelparts. Als Erzähler mit schöner Stimme in bester very British English Manier ist Martin Griffiths („Beggars Opera“) im Einsatz. Das Artwork ist zwar diesmal schön bunt (der Innenteil der handgemalten Bilder ist aber viel besser als das eigentliche Cover), kann aber wie bei den vorherigen Alben teilweise auch schon, leider mit der hochwertigen Musik nicht so ganz mithalten.

Über einzelne Stücke von den insgesamt 14 Tracks von „Island Noises“ zu sprechen würde natürlich den Rahmen sprengen, die Band schafft es aber locker bei fast 100 Minuten den Spannungsfaktor hochzuhalten. Im Gegensatz zu dem jüngsten Werk von CENTRAL PARK gelingt es PGM weitläufige Atmosphären aufzubauen, und diese Stimmungen trotz ausladender Arrangements mit schönen Melodien zu versehen, die Kompositionen sind dabei nie reines Mittel zum Zweck. Hier ist tatsächlich absolute Homogenität angesagt, insbesondere die Tastenarbeit Philipp Jaehne gebührt ein Sonderlob egal ob Einflüsse von PENDRAGON, ELOY oder auch CAMEL - er hat alles drauf und kombinierte es mit seinen eigenen Ideen und vielfältigen Sounds. Die Band agiert über beide CD’s (die zweite Seite ist dabei etwa verspielter und beim ersten Durchgang etwas weniger leicht konsumierbar z.B. wie beim etwas arg jazzigen „Ariel“) trotzdem dominieren elegische Klanggebilde, mit großflächigen oftmals auch symphonischen Soundwänden in üppigen Arrangements, die Songs bauen sich vielfach erst nach und nach auf um dann aber sehr packend die jeweiligen Motive zu einem stimmigen Ganzen miteinander zu verbinden („Drowning“).

Gitarrist Stephan Glomb zeigt hier eine klasse Breite im Handling denn neben schöngeistigen Gezupfe läßt er durchaus auch mal stärker den Rocker raus, wie dies früher nicht so sehr der Fall war. Ein gutes Beispiel ist dass riffige „Let them beware“ hier werden durchaus Progmetalgefilde gestreift.

„Island Noises“ bietet natürlich neben vielen hervorragend ausgearbeiteten Instrumentalpassagen mit vielen Breaks, Wechseln auch teilweise recht griffige Hooklines („Dreamstuff“). Einer meiner Highlights ist ganz klar das toll hymnisch-kraftvolle „The Roarer“ mit einem AYREON-artigen Refrain ein echter Pop-Progtitel. 20 satte Minuten dauert dann der opulente Titeltrack mit packendem Progkino irgendwo zwischen PINK FLOYD oder 80er Jahre GENESIS mit schönen Flötenparts, mal flirrend dann wieder flächigen Keyboardwänden und man verliert sich nie zu selbstverliebt in langweiligem Instrumentengeleier. Stets einen gewissen roten Faden verfolgend, auch mit sehr gefühlvollen Zwischenstücken und diesem grandios hochgepeitschten Finale mit melodramatisch wunderbar getragenem Schluss - Hammersong.

Für alle Fans atmosphärischer Progsounds ist die aktuelle „Island Noises“ sicher einer der Höhepunkte des noch jungen Jahres - POOR GENETIC MATERIAL haben wiedereinmal eindrucksvoll gezeigt wie Art Rock klingen muß.

Island Noises


Cover - Island Noises Band:

Poor Genetic Material


Genre: Progressive
Tracks: 14
Länge: 97:48 ()
Label: Progrock Records / Quixote Music
Vertrieb: CMS