Review:

One Second

(PARADISE LOST)

Wie sich die Lage doch ändert, wenn erst mal ein bisschen Wasser die Elbe herunterfließt: Heute erinnern sich nur noch wenige Menschen daran, was bereits anno 1997 für ein Geschrei zum Release von "One Second" tobte: "Verrat an der Szene", "Ausverkauf" und "Verweichlichung" waren nur die harmlosesten Vorwürfe. Der Aufschrei, zum aktuellen Album von METALLICA oder als MANOWAR mit Stefan Raab auf die Bühne kamen, waren laue Lüftchen gegen den Orkan an Beschimpfungen, dem sich damals PARADISE LOST ausgesetzt sahen. Und denjenigen, die sich zu "Host" immer noch aufregten, kann man nur unterstellen, es nicht kapiert zu haben. Bereits gleichzeitig zu diesem Album fielen bei Gitarrist Aaron Aedy und Sänger Nick Holmes die Haare, und PARADISE LOST begannen, die veritable Live-Band zu werden, die sie heute bei guter Laune sein können. Bis dahin waren PL-Gigs nämlich - um alle Nostalgikern, die sich das Konzert von anno dunnemals in ihrer Erinnerung zurechtgemogelt haben, auf den harten Boden der Realität zurückzuführen - meist ein Vorspielen der Hits, während sich Nick Holmes hinter seinem meterlangen Haarvorhang versteckte und die Saiten-Fraktion ihre Mähnen schüttelte und nebenbei vereinzelt auf Griffbrett und Schuhe starrte. Alte Zöpfe wurden auch bei den Songs abgeschnitten: Das Songwriting lehnte sich an die letzten beiden PL-Alben an, allerdings war weniger (Instrumentierung und Bombast) diesmal mehr (Melancholie, Düsternis und Abwechslung). Misanthrope Popsongs wie "Another Day", "This Cold Life", "Disappear" oder "One Second" brachten Melancholie sparsam auf den Punkt, "Say Just Words" und "Soul Courageous" rockten geradeaus nach vorne, und "Lydia" zeigte eine Band, die sich für richtig verzweifelte Musik gekonnt aller Register bedient. Allerdings galt es mit einem Durchhänger wie "Mercy" auch gepflegte Langeweile auszuhalten.

One Second


Cover - One Second Band:

PARADISE LOST


Genre: Gothic Rock
Tracks: 12
Länge: 50:5 (CD)
Label: Music For Nations
Vertrieb: Zomba