Der Opener „Get Ready“ findet nach einer chaotischen ersten Hälfte zu einem beinahe konventionellen Post Rock-Stück, dass zu gefallen weiß. Ob diesen Fact auch NYOS goutieren? Damit steigt das Duo also scheinbar mit dem eigenen „Hit“ ein. Der folgende „Superstar“ steigert seine Wiederholungen dermaßen, dass der ungeübte Hörer froh ist, wenn der Song zu Ende ist. Und „Lézard Rouge“ verwirrt mit einer zirkushaften Melodie und abgefahrenen Drumming. Es ist zu vermuten, dass auch Jazz-Größen wie Sunny Murry oder Billy Hart nicht irr-vertrackter hinkriegen würden. Die Gitarre piekst dabei in deine Ohren so sehr wie der Zahnarzt mit dem Bohrer in den Schneidezahn, Grundgütiger. Und wie schön ist ganz plötzlich das ruhig wabernde Gitarrenspiel?
Das Berliner Label der Band, Pelagic, steht für ungewöhnliche Musik – und das ist sehr gut so. Aber das inzwischen in Finnland beheimatete Duo treibt es auf die Spitze. Sowohl Gitarrist Tom Brooke als auch Drummer Toumas Kainulainen sind sicherlich begnadete Musiker und trauen sich was beim Songwriting, falls sie es denn überhaupt tun. Nicht selten wirkt das Instrumental-Album wie eine freie Improvisation. Aber „Growl“ ist krass und mutet einem echt viel zu. Nur: Vielleicht liegt genau da der Sinn des Albums: Wer konventionellen Metal erwartet, der wird mit diesem Album wenig anfangen können. Aber auch Free Jazz hat seine Fans und irgendwo dazwischen wird es Menschen geben, die auch NYOS siebtes Album in ihr Herz schließen. Vor allem Schlagzeuger. Oder wenn es ein verdrehter Künstler ist, ein Trendsetter, so mit rotem Schal und wichtigem Gesicht bei Zuhören, dann könnten ein paar StudentInnen aufspringen und das abgefahrene Duo zu neuen Helden der hispsteresken Szene machen. Sie werden dann von kinetischem Schlagzeugspiel und extra-hypnotischen Gitarren-Loops schwadronieren. Muss nicht, kann aber, weil: Geschmäcker sind ja nun mal verschieden. Und sogar „Hurz“ hatte ja seine Fans. Zurück zur Scheibe: die geht immer verwirrender weiter – ist „Pepe-Pepe“ überhaupt noch ein Lied (was es in der verträglichen Endphase dann beinahe glaubhaft unter Beweis stellt)? Bei den neun Stücken weißt du nie, was dich erwartet, aber du kannst dir sicher sein: Es wird hart. Verdammt hart. Im Sinne von anstrengend. Aber niemand hat behauptet, dass das Leben ein leichtes ist.
Growl

NYOS
Genre: Progressive
Tracks: 9
Länge: 45:27 (CD)
Label: Pelagic Records
Vertrieb: Cargo