Review:

Given To The Rising

(Neurosis)

Genau wie man bei Hustensaft erst dann eine Heilung erwartet, wenn er bitter schmeckt, erwartet man auch bei einem Neurosis-Album schon gleich im voraus, dass es weh tun muss - mindestens emotional. Gern erzähle ich die Geschichte von meinem allerersten NEUROSIS-Konzert, das so intensiv war, dass ich davon eine Woche lang Alpträume hatte. Derart beeindruckend kann meines Wissens keine andere Band dieser Welt die ansonsten eher hohle Phrase "psychedelisch" tatsächlich umsetzen. NEUROSIS konnten durch ihre dunklen Klangabenteuer die dunkelsten Winkel der Seele ausloten. Und dann kamen die letzten beiden, schon fast "altersmilden" Alben "A Sun That Never Sets" und "The Eye Of Every Storm", deren Grundstimmung eher dazu diente, gute und böse Geister miteinander zu versöhnen. Also sehr gute Alben, die aber beileibe nicht so polarisierten wie die "frühen" NEUROSIS. Warum ich diese Volte ziehe, bevor ich zu "Given To The Rising" komme? Weil ab Dezember 2006 Gerüchte durch Telefonleitungen zogen, wie hart und "oldschool" das aktuelle Album werden würde. Noch gesteigert wurde die Vorfreude dann durch die Online-Single "Water Is Not Enough", die seit Monaten auf Myspace verfügbar ist - tighte 7 Minuten lang und doch ohne Abnutzungserscheinung: Stetig wie eine Mühle pulverisieren die Gitarrenriffs die Nerven zu Staub, nur anscheinend träge säbeln NEUROSIS Scheibe um Scheibe von der bisherigen Gemütsverfassung ab und Steve von Till schreit sich die Seele dazu heraus und in den Hörer hinein. Und man kann weder weiter skippen noch weghören, weil dieses Stück Musik einfach die gesamte Aufmerksamkeit erfordert. Dadurch wird natürlich die Erwartungshaltung noch einmal um ein x-faches nach oben geschraubt - und kann nur enttäuscht werden. Trotzdem ist "Given To The Rising" ein Wahnsinns-Album geworden, es ist wieder hart und dunkel, tiefschürfend und hochemotional - aber es hat auch erhebliche Längen. Während der Titelsong und das bereits erwähnte "Given To The Rising" beides Überhämmer sind, brauchen andere Songs 10-20 Durchläufe eh sie zünden, und je mindestens sechs Minuten von "At The End Of The Road" und "Origin" hätten NEUROSIS genauso gut weglassen können. Darum, aber auch weil Epigonen wie CULT OF LUNA, ISIS oder JESU qualitativ an ihre Väter im Geiste angeschlossen haben, wirken NEUROSIS anno 2007 nicht mehr gar so spektakulär...

Given To The Rising


Cover - Given To The Rising Band:

Neurosis


Genre: Doom Metal
Tracks: 10
Länge: 70:41 (CD)
Label: Neurot Recordings
Vertrieb: Southern Records