Nach dem mauen Singer-Songwriter-Ausflug „Songs From November“ macht Neal Morse wieder Prog. Zusätzlich ist sein neues Album so etwas wie eine kleine Premiere: Zum ersten Mal überhaupt ist Morse ohne jegliche Vorbereitung mit einer Band ins Studio gegangen, um die Songs erst dort in Sessions entstehen zu lassen. Daher auch der Albumtitel „The Grand Experiment“, und daher auch die Veröffentlichung als THE NEAL MORSE BAND. Diese hat Morse übrigens erweitert: Neben den üblichen Verdächtigen, Mike Portnoy an den Drums und Randy George am Bass, sind mit Eric Gillette ein zweiter Gitarrist und mit Bill Hubauer ein Keyboarder mit an Bord.
Schon der gut 10-minütige Opener „The Call“ dürfte alle Fans, die Morse seine „Songs From November“ übelgenommen haben, versöhnen. Der klingt nämlich so, wie man Morse am liebsten hat: Es gibt einen komplexen Aufbau mit vielen verschiedenen Parts, tolle Melodien und Harmonien, zwischendurch wird es sogar mal richtig düster und einigermaßen hart, und rotzdem klingt alles völlig unangestrengt. Der nur etwa halb so lange Titeltrack kommt dagegen überraschend grade rockend daher, wenn auch mit einem SPOCK’S BEARD-typischen mehrstimmigen Refrain, worauf mit „Waterfall“ eine folkige Ballade folgt, die eigentlich sogar ganz schön ist und eine schwebende Atmosphäre verbreitet, die aber auch manchmal die Kitsch-Grenze leicht überschreitet und mit ihren sechseinhalb Minuten auch etwas zu lang geraten ist. Der mit knapp vier Minuten kürzeste Track „Agenda“ überrascht wiederum einerseits durch sein simples Riff, andererseits – und vor allem – aber auch durch seinen Sonnenschein-Retro-Pop-Refrain. Beim abschließenden „Alive Again“ wird es dann endlich wieder richtig episch. In knapp 27 Minuten wird noch mal alles ausgepackt, was man von Morse kennt: unterschiedlichste Parts, wilde Rhythmen und Melodiebögen, dynamische Wechsel und Steigerungen, aber auch groovende Riffs und natürlich Melodien zum Reinlegen. Schön old-schoolig, das alles, nur an einer Stelle wird es mal etwas musical-mäßig, das ist dann doch etwas hart.
Klar, Neal Morse erfindet auch auf „The Grand Experiment“ das Prog-Rad nicht neu und zitiert sich immer mal wieder selbst. Andererseits kann man sich das auch immer wieder gut anhören, und beweisen muss er sowieso niemandem mehr etwas. Und besonders der Anfangs- und Schluss-Track gehören unterm Strich wohl mit zum Besten, was Morse seit seinem Ausstieg bei SPOCK’S BEARD aufgenommen hat.
The Grand Experiment
Band:
Neal Morse
Genre: Progressive
Tracks: 5
Länge: 52:44 (CD)
Label: InsideOut
Vertrieb: Universal