Review:

The Tower

(MOTORPSYCHO)

„The Tower“ stellt in mehrfacher Weise einen Einschnitt für MOTORPSYCHO dar: Vor den Aufnahmen hat Drummer Kenneth Kapstad die Band verlassen, der zehn Jahre in der Band gespielt und die Musik des Trios auf ein weiteres Niveau gebracht hatte. Außerdem – und vermutlich auch infolgedessen, um den Beginn dieses neuen Abschnitts zu markieren – haben MOTORPSYCHO zum ersten Mal ein Album komplett in den USA aufgenommen, u. a. im legendären Rancho de la Luna-Studio in Joshua Tree, und noch dazu nicht ihre eigenen Instrumente gespielt, sondern ausschließlich das vorhandene Equipment verwendet. Zudem tritt auf mehreren Stücken ein gewisser Alain Johannes als Gastmusiker in Erscheinung, der für seine Zusammenarbeit z. B. mit den QUEENS OF THE STONE AGE hinlänglich bekannt sein dürfte.

Die neue Umgebung hat ihre Spuren hinterlassen: „The Tower“ hört man gewisse Stoner und Heavy Rock-Einflüsse deutlich an und ist sicher das härteste Album, das die Norweger jemals aufgenommen haben. Gleichzeitig finden sich dort aber auch die wohl ruhigsten, melodischsten und – man muss schon sagen – süßlichsten Stücke der Band-Geschichte. Tatsächlich klingt der neue Sound erst einmal ungewohnt. Kaum ein MOTORPSYCHO-Album klingt wie ein anderes, aber trotzdem stellt sich immer irgendwie ein Gefühl von Vertrautheit ein, das auf „The Tower“ jedoch auch nach mehreren Durchgängen fehlt. Und das, obwohl man die Band, wie man sie kennt, überall heraushört: die großen Riffs, die ungewöhnlichen Instrumental-Parts, die mehrstimmigen Gesangsharmonien. Was hier aber etwas zu kurz gekommen ist, ist das Songwriting. Die Strukturen der Stücke sind weniger ausgefeilt als üblich, die Jams wirken oft etwas ziellos. Man höre sich z. B. nur das an PINK FLOYD erinnernde Gitarrensolo im ersten Teil von „A Pacific Sonata“ an, bei dem Snah immer wieder in bloßes Gedudel abzudriften droht. Die kurzen Songs „Stardust“ und „The Maypolet“ dagegen sind trotz der ausgefeilten Gesangsharmonien (oder gerade deswegen) doch etwas zu Hippie-mäßig ausgefallen. Was man vermisst, sind Stücke wie „The Magic & The Wonder“ von „Behind The Sun“ oder „The Alchemyst“ von „Little Lucid Moments“, in denen fantastische Melodien, komplexe Rhythmen und treibende Energie scheinbar mühelos miteinander verbunden werden.

Zugegeben: Das alles ist Jammern auf höchsten Niveau. Jeder anderen Band würde man für ein solches Album wahrscheinlich zu Füßen liegen. Und es gibt immer wieder Passagen, die einen unweigerlich mitreißen. Im zweiten, grandiosen Teil des bereits erwähnten „A Pacific Sonata“ etwa muss man vor lauter Space einfach abheben, eine psychedelische Mini-Oper in gut sieben Minuten wie „The Cuckoo“ muss man erst mal schreiben können, und wie sich das abschließende „Ship of Fools“ über eine knappe Viertelstunde in einen wahren Höllenritt verwandelt, kann man nur als meisterhaft bezeichnen.

Und der neue Drummer? Ist nicht Kenneth Kapstad, so viel ist von Anfang an klar. Tomas Järmyr ist sicher ein hervorragender Schlagzeuger (sonst hätte er den Posten bei MOTORPSYCHO auch sicher nicht bekommen). Aber er spielt mehr im Hintergrund, konventioneller, weniger akzentuiert und nimmt insgesamt eine weniger bedeutende Stellung in der Musik ein. Aber geben wir ihm eine Chance und warten wir mal ab, wie er sich auf der kommenden Tour live in das Band-Gefüge einbringt.

 

 

The Tower


Cover - The Tower Band:

MOTORPSYCHO


Genre: Rock
Tracks: 10
Länge: 84:39 (2-CD)
Label: Stickman
Vertrieb: Soulfood