Review:

Kingdom Of Oblivion

(MOTORPSYCHO)

Eigentlich hat man gerade erst das letzte MOTORPSYCHO-Album so richtig verdaut. "The All Is One" ist mit seinen 85 Minuten Spielzeit und dem fünfteiligen, gut 40-minütige "N.O.X." im Zentrum ein echter Brocken – ein Meisterwerk, das man sich aber erarbeiten musste. "Kingdom Of Oblivion" erscheint nur ein gutes halbes Jahr später. Ein Grund dafür ist, dass die Basis dafür Aufnahmen aus den Sessions zum letzten Album bilden, ein weiterer – natürlich –, dass mangels Touren viel Zeit zum Ausarbeiten der Stücke vorhanden war.

Gemäß eigener Aussage war die Intention, ein reines Hard Rock-Album aufzunehmen. Doch dabei ist es natürlich nicht geblieben. Die Einflüsse sind trotzdem deutlich spürbar: Stücke wie "The Waning", "United Debased" oder auch der Titeltrack leben vor allem von schwerem Riffing und kommen für MOTORPSYCHO-Verhältnisse erstaunlich geradlinig und heavy daher, wobei auch immer wieder BLACK SABBATH anklingen. Auch der knapp elfminütige Longtrack mit dem irren Titel "The Transmutation of Cosmoctopus Lurker" ist so ein Hammer, teils schleppend-doomig, dann auch wieder treibend, mit ungewohnt lärmigen Gitarren und rohen Drums. MOTORPSYCHO wären aber nicht MOTORPSYCHO, wenn sie nicht doch immer wieder ungewöhnliche Parts, spacige Harmonien und psychedelische Sounds einbauen würden, und genau durch diese Kombination entstehen dann diese ganz besonderen, magischen Momente, die so wohl keine andere Band hinbekommt.

Im Mittelteil wird der Rock-Anteil allerdings deutlich heruntergefahren – was an sich ja nicht schlimm sein muss, erst recht nicht bei einer Band wie MOTORPSYCHO, die auch ruhige Parts über lange Zeit spannungsvoll halten kann. Hier mag ihr das aber nicht so recht gelingen. Das atmosphärische "Dreamkiller" und das folkige "The Hunt" mäandern etwas ziellos vor sich her, steigern sich dabei zwar, aber in beiden Fällen setzen irgendwann Riffs ein, die Ausbrüche vortäuschen, die dann jedoch ausbleiben, so dass die aufgebaute Spannung verpufft. Auch das HAWKWIND-Cover "The Watcher" will nicht richtig zünden. Das Stück ist schon im Original komplett unrockig, MOTORPSYCHO kippen aber auch noch einmal eine ordentliche Ladung Psychedelik oben drauf. So richtig spannend ist das nicht, sondern wäre auf einer Single-B-Seite wohl besser aufgehoben gewesen. Ausserdem gibt es noch zwei je zweiminütige Interlude-artige Instrumentals, die zwar ganz nett, aber nicht wirklich nötig sind. Gleiches gilt dann auch für das das Album abschließende, ebenfalls instrumentale "Cormorant". Immerhin: Zwischendurch entschädigt das sich immer wieder dynamisch von ganz ruhig bis zu dramatisch und wieder zurück entwickelnde achteinhalbminütige "At Empire’s End" mit seinem "Echoes"-Gedächtnis-Orgelsound und schwelgerischen Harmonien. Und nicht unerwähnt bleiben sollte auch "Lady May 1", ein grösstenteils akustischer Folk-Song, der mit tollen mehrstimmigen Gesängen das erste Albumviertel abschließt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Unterm Strich ist "Kingdom Of Oblivion" immer noch ein herausragendes und über weite Strecken mitreißendes Album, das großen Spaß macht. Dass man trotzdem den Eindruck hat, dass einige Stücke überflüssig oder schlichtweg zu lang bzw. zu spannungslos geraten sind, ist vielleicht einfach dem Umstand geschuldet, dass man noch zu verwöhnt vom letzten Meisterwerk ist. Ich selbst hätte mir ein kürzeres, dafür dichteres Album ohne die besagten Längen gewünscht. Aber das ist natürlich Jammern auf sehr hohem Niveau.

 

Kingdom Of Oblivion


Cover - Kingdom Of Oblivion Band:

MOTORPSYCHO


Genre: Rock
Tracks: 12
Länge: 70:25 (CD)
Label: Stickman Records
Vertrieb: Soulfood