Mensch MARILLION, die Progveteranen von der Insel haben es tatsächlich geschafft und nochmal ein wirklich starkes Album raus gehauen. Das Teil nennt sich „F E A R“ und steht für „Fuck Everyone And Run“. O.k. bei dem plakativen Titel ist beinahe zwangsläufig ein eher zeitkritisches Album zu erwarten und tatsächlich MARILLION liefern hier mit ihrem 18'ten Album fast eines der besten Werke in der Post-Fish Ära ab. Bisher war dies nach meiner bescheidenen Meinung „Bave“ aber FEAR bietet ähnlich hochwertigen Progrock mit ganz viel Atmosphäre, songlicher Tiefe und tollen Melodien.
Es ist ja mittlerweile schon das Studiowerk Nummero 12 mit Sänger Steve Hogarth und der drückt nicht nur mit seinen emotionellen Vocals sondern auch mit den hier besonders politischen Texten seinen Stempel auf. Er schafft hier den schmalen Spagat zwischen zerbrechlich und für seine Verhältnisse wütend, krafvollen Parts hervorragend, dies war nicht immer so. Sehr schwache Scheiben wie etwa „Marillion.com“ oder „Radiotion“ litten neben dünnem Songwriting auch an zu viel Gesäuselparts des Frontmannes.
Doch hier auf Fear keine Spur davon, Hogarth will die Scheibe gar als Protestalbum verstehen, es werde hier die heutzutage weitverbreitete Mentalität, die Menschen auszunutzen, zu verarschen und sich anschließend aus dem Staub zu machen angeprangert. Fehlende gesellschaftliche Normen bzw. deren Einhaltung und fragwürdiger Gesinnungen. Geld regiert die Welt, was kümmert da noch Moral oder Ethik. Dies will man insbesondere auch die Politik zu.
Doch genug der Sozialkritik selbst diejenigen, die tatsächlich immer noch der FISH-Ära hinterher trauern könnten hier sowohl in textlicher als auch musikalischer Hinsicht ihren Frieden mit der Band machen. Das Album gliedert sich grob in Hauptsongs mit diversen Unterparts, die auch ineinander übergehen. Bereits das Opening Paket Eldorado ist vielleicht am gewöhnungsbedürftig bietet aber tolle Passagen mit einer gewissen Traurigkeit („Demolished Lives“) aber auch rockig, markante Momente („Fear“) mit fesselnder Rhythmik.
Diese Scheibe bietet viele gelungene melancholische Momente ist aber nicht ganz so dunkel & düster wie „Brave“ geraten, auch wenn das Ende inhaltlich eher negativ geraten ist, denn da übernehmen die Bösen bzw. „The New Kings“ quasi die Herrschaft.
MARILLION besinnen sich insgesamt wieder eher auf die melodischen Momente, lassen das verschroben-experimentelle früherer Phasen außen vor und lassen wieder verstärkt die elegischen Gitarren von Steve Rothery („The Jumble Of Days“) sprechen, perfekt kombiniert mit breit angelegten Keyboardsounds von Mark Kelly. Das alles klingt sehr gut abgestimmt und Hogarth vergißt, neben seinen typisch hohen Gesangsteilen auch nicht die etwas mehr abgehenden Rockpassagen mit einzubinden. Selten klang er dabei so abwechslungsreich.
Der Schluß mit dem über 20 minütigen Epos „The New Kings“ verbindet dann perfekt die typischen Trademarks der Band, bombastischer Sound mit vielen kleinen Details und einer packenden roten Linie. Da kommen dem geneigten Hörer Reminiszenzen an vergangene Zeiten in den Sinn aber ohne dass es zu altbacken wirkt. Man erfindet sich mit „F.E.A.R.“ wiedereinmal gekonnt neu, auch deshalb weil hier einfach die Balance stimmt d.h. weniger aufgesetzter musikalischer Anspruch und weniger Drama bei Hogarth.
Die eingefleischten Fans werden sowieso blind zu greifen, alle anderen die Marillion vielleicht schon etwas länger nicht mehr auf der Liste stehen hatten, sollten „F.E.A.R.“ wieder eine Chance geben. Dieses Album gehört sicherlich zu den stärksten Werken, die man in der langen Banddiskographie finden kann.
Das eher bescheidene Coverartwork drückt, trotz viel Gold, diese Qualität leider nicht so ganz aus aber dies war schon bei vielen Alben zuvor recht ähnlich. Aber hier zählt ja nicht die Verpackung sondern der Inhalt und der überzeugt mit vielfältigem Progkino der Spitzenklasse.
F.E.A.R. (Fuck Everyone And Run)
Band:
Marillion
Genre: Progressive
Tracks: 5
Länge: 68:16 (CD)
Label: Ear Music
Vertrieb: Racket Records