RAGE haben mal wieder ihr zweites musikalisches Baby aktiviert und eine neue Platte im Rahmen des LINGUA MORTIS ORCHESTRA gemacht. Das Ergebnis „LMO“ ist, für mich wenig überraschend, sehr gelungen ausgefalle , um nicht zu sagen hervorragend. Waren schon die Vorgänger in dieser Richtung "XIII", "Ghosts" oder auch "Lingua Mortis" nicht schlecht, so ist diese Orchesterplatte mit ganz großem Abstand das bisher stärkste Werk, überzeugt von der ersten bis zur letzten Note und zeigt wie man die Verbindung von Metal und Klassik perfekt umsetzten und mit neuen Impulsen versetzen kann.

Dies hat vor allem einen wesentlichen Grund: die Musik mit den vielen Orchesterbestandteilen klingt dermaßen dicht und symphonisch sowie gleichzeitig aber auch sehr gitarrenlastig metallisch- fett, dass es den Zuhörer vollständig in seinen Bann zieht. Eine Verwässerung oder eventuelle Zukleistern findet hier nicht statt. Man merkt hier sehr deutlich, dass die Songs nicht vorher irgendwie in ihrem Grundgerüst feststanden und die Streicher nachher nur ergänzt oder drumherum eingebaut wurden sondern die Musik ist eine tolle Symbiose aus gleichberechtigten stilistischen Parts. Viele (beileibe nicht alle) solche Geschichten, wo im Nachhinein diese Streicher-Arrangements auf bestehende Songs gebastelt wurden, leiden unter einer gewissen Aufgesetztheit und Authentizätsverlusten - davon gibt es hier zu keiner Sekunde auch nur den Anschein davon zu hören.

Maestro und Hauptsongwriter Victor Smolski hat diesen Spagat mühelos u.a. mit gleich zwei verschiedenen Orchestern geschafft. Aus Spanien und Weißrussland waren an diesem Projekt weit über 100 Personen beteiligt. Dabei wurde auf LMO inhaltlich das Thema Hexenverbrennung anno 1599 basierend auf einer wahren Begebenheit verarbeitet. Neben den drei RAGE-Mitgliedern sind als Gäste für den Gesang Jeannette Marchewka, Sopranistin Dana Harnge sowie Henning Basse (ex-METALLIUM) zu hören.

Victor hat sich dabei musikalisch ein Denkmal gesetzt, was dieser Man kompositorisch so alles drauf hat ist der helle Wahnsinn. Solche komplexe Arrangements und Kompositionen können heutzutage nicht viele Musiker umsetzen, er als originärer Gitarrist verbindet seine brillante Technik, Fingerfertigkeit mit tollen Ideen ohne den Blick für's Ganze zu vergessen. So baut er immer wieder tolle Soli in die symphonischen Parts so mit ein, dass auch für bisherige Streicher und Orchesterhasser ein packendes Metalalbum entstanden ist. Der Sound ist überragend geworden, und sehr fett; die grundsätzliche leichte Gitarren-Dominanz läßt aber auch dem Orchester seine Freiräume mit vielen selbsttragenden Teilen sowie großartigen Melodien und Chören in bester Orfscher Carmina Burana Tradition. Diese Album ist für diese Art Musik sehr heavy und mitunter auch progressiv aber vor allem wunderbar harmonisch. Wem das Geträllere auf ähnlichen Genrewerken bisher eher auf den Nerv ging wird hier sicher besser bedient, die Frauenstimme kommt nicht so penetrant in hohen Tönen sondern auch mal in Normalauslage daher und nicht nur als Dauersopran. Peavy Wagner war ja an sich jetzt nicht der Überflieger in Sachen Gesang, zwar immer solide aber nicht überragend hier agiert sein eher etwas rauerer Gesang ebenfalls im Wechsle mit weiblichen Singstimmen dermaßen überzeugend, wie ich es ihm nicht zugetraut hätte. Die kommt bereits beim krachenden etwas melancholischen Opener "Cleansed By Fire", einem 10minütigen Epicmeisterwerk mit allen symphonischen Finessen aber stets im Fluß mit toller Melodie zum Tragen, ob die aktuellen NIGTHWISH so was noch hinbekommen? Auch Neudrummer Andre Hilgers liefert eine überzeugende Performance ab, berarbeitet sein Drum-Kit dermaßen treibend mit ganz viel Power und Drive, so dass die Streicher davon profitieren. In allen Songs liefert Smolski mit seinen tollen Solos u.a. "The Devil's Bride" viel Abwechslung, kommt nie zu frickelig rüber und ist zweifellos der akutell bessere MALMSTEEN. Wie gesagt hier gibt zuweilen recht heftig zu Werke ein absoluter Kracher ist "Scapegoat", der Song ist richtig aggressiv mit coolen düsteren Riffs, genauso wie das kraftvolle „Which Hunt". Balladeske Sachen gibt’s natürlich auch die Kommerzsingle "Lament" kommt relativ poppig daher, geht aber knapp am Kitsch vorbei, die Gänsehautmomente und Emotionen überwiegen dann doch. „Eye For An Eye“ ist ähnlich aber doch etwas weniger nur „schmeichelnd“ aufgebaut. Das packende „Afterglow“ ist klassischer Symphonic Metal.

RAGE schaffen es auf LMO scheinbar mühelos im kompakten Zusammenspiel mit den beiden Orchestern eine absolut stimmige Platte abzuliefern, die stilistisch auch mal im Nahbereich von Sachen wie AVANTASIA oder dem TRANS SIBERIAN ORCHESTRA eine dankbare Anhängerschaft gewinnen sollte.

LMO


Cover - LMO Band:

Lingua Mortis Orchestra feat. Rage


Genre: Metal
Tracks: 10
Länge: 65:27 (CD)
Label: Nuclear Blast Records
Vertrieb: Warner