Review:

Live In Anaheim

(Ian Gillan)

Während hierzulande alle Mann gegen die Rente mit 67 demonstrieren, scheint so etwas im Musikbusiness kaum jemanden zu jucken. Die Kastelruther Spatzenhirne werden noch im Rollstuhl ihr scheintotes Publikum beglücken, die Flippers besingen noch das Alpengrün, wenn wir Mittzwanziger schon lange beigebuddelt sind, und auch im Rockzirkus sind Bands wie die ROLLING STONES, THE WHO, STATUS QUO oder eben Ian Gillan´s Stammband DEEP PURPLE vermutlich noch die nächsten 100 Jahre konstanter als Pi, die Eulersche Zahl und die Warteschlange beim Straßenverkehrsamt zusammen. Letzterer hat erst kürzlich mit „Gillan´s Inn“ eine Scheibe mit diversen Neueinspielungen seiner fast schon unüberschaubaren, 40-jährigen Karriere abgeliefert und beschert seinen Fans nun ein Live-Album, auf dem er erneut alle Register seines Könnens zieht. Und es ist echt erstaunlich, wie fit und munter sich der gute Ian auf „Live In Anaheim“ präsentiert. Da wird zwischen den Songs herumgejuxt, die Begleitband ist nicht nur sprödes Beiwerk, sondern darf sich auch mal in den Vordergrund spielen („Rivers Of Chocolate“ oder das Drum Solo), und als echtes Bonbon für die Fans gibt es nicht nur tausendfach durchgekaute Gassenhauer, sondern (mitunter auch recht seltene) Stücke aus allen Perioden des Schaffens von Herrn Gillan. Gleich drei Songs (das Gänsehaut-verdächtige „Wasted Sunsets“, der geile Rocker „Not Responsible“ und die letzte Zugabe „Knocking At Your Back Door“) stammen vom unterbewerteten Purple-Hammeralbum „Perfect Strangers“, und bis auf „Into The Fire“, das balladeske „When A Blind Man Cries“ und das obligatorische „Smoke On The Water“ finden sich hier keine ausgelutschten Altlasten. Nix mit „Speed King“, „Space Truckin´” oder „Black Night“ – um diese Kracher zu hören, greift man eh besser zu „Live In Japan“ – hier werden primär Freunde des Solisten Ian Gillan angesprochen. Der Sound kommt roh und authentisch rüber, und auch den Maestro selbst hat man nicht noch mal durch den Knöpfchenwolf gedreht, sondern gönnt ihm seine stimmliche Altersgelassenheit, die zwar immer noch absolut überzeugt, gesangliche Höchstakrobatik aber realistischerweise außen vor lässt. „Live In Anaheim“ ist also nicht nur etwas für Gillan/Purple-Fans, sondern für alle, die mal hören möchten, wie man auch als Rocker in voller Würde altern kann. Sehr hörenswert!

Live In Anaheim


Cover - Live In Anaheim Band:

Ian Gillan


Genre: Hard Rock
Tracks: 20
Länge: 102:26 ()
Label: Edel Records
Vertrieb: Edel