Review:

Helloween

(HELLOWEEN)

TIPP

Als es bei uns hieß: „Wer macht die neue Helloween?“, habe ich natürlich keine Mikrosekunde gezögert und „Hier!“ geschrien, denn es gibt kein Album, dem ich 2021 mehr entgegenfiebere. Mittlerweile ist mir allerdings klar geworden, dass das keine übermäßig dankbare Aufgabe ist. Was kann ich über das Album noch schwadronieren, das meine schreibenden Kollegen noch nicht schon hundertmal erwähnt haben? Vermutlich nicht viel, versuchen möchte ich es dennoch.

Da ich ein großer Fan nicht nur der Hansen/Kiske-Ära bin, sondern auch die meisten Alben seit „Master Of The Rings“ richtig klasse finde, war ich sehr gespannt, ob und wie HELLOWEEN den Spagat wagen würden, nicht nur allen Sängern Raum zu geben, sondern eben auch musikalisch sämtliche Phasen abzudecken. Und sie haben genau das gemacht, was ich mir erhoffte: „Helloween“ ist kein krampfiger Versuch, 1988 wiederzubeleben, sondern ein Parforceritt durch alle Zeiten und Inkarnationen hindurch. HELLOWEEN haben sich auch auf dem neuen Album eine ihrer stärksten Eigenschaften erhalten: Es ist trotz fünf verschiedener Songwriter eine geschlossene Teamleistung, die maximale Abwechslung mit absoluter Homogenität verbindet. Kein Song klingt wie der andere, und trotzdem tönt alles unverkennbar nach HELLOWEEN. Das ist ein weiteres Indiz für die tolle Stimmung in der Band, welche schon auf der „Pumpkins United“ -Tour genauso zu spüren war. Wenn Rückkehrer Michael Kiske erzählt, dass Weiki beim ersten Treffen nach Jahren auf ihn zukam und als Erstes fragte: „Was habe ich getan, dass du so einen Groll auf mich hast?“ und er ihm damit sämtlichen Wind aus den Segeln genommen habe, dann klingt das authentisch und erwachsen. Dass darüber hinaus Deris und Kiske mittlerweile richtig dicke sind, Gerstner als Jungspund die beiden alten Herren Hansen und Weikath zu mehr Sorgfalt mahnt und Grosskopf ständig ein dickes Grinsen im Gesicht trägt, macht es super, einfach diese Reunion noch mehr zu lieben als ohnehin schon.

Der Einstieg mit der melodischen und sehr traditionellen Weikath-Speed-Granate „Out For Glory“ ist clever gewählt und zeigt HELLOWEEN in absoluter Bestform. Das nun folgende „Fear Of The Fallen“ kommt ebenfalls meist recht flott aus den Boxen und präsentiert einen kraftvollen Deris, der im Duett mit Kiske einen Refrain schmettert, welcher sich sofort in den Gehörgängen festsetzt und zeigt, wie wichtig Deris auch als Songwriter für HELLOWEEN ist. „Best Time“ ist ein typischer „Feelgood“-Track, der „I Want Out”/„I Can”-Kategorie und zeigt Sascha Gerstner und Andi Deris als eingespieltes Songwriting-Team. Auch bei „Mass Pollution“ wird Andi Deris als Hauptverantwortlicher geführt und ist ein kraftvoller und recht moderner Midtempo-Track, der deutlich zeigt, dass HELLOWEEN keine Oldie-Veranstaltung sind, sondern mit beiden Beinen im Hier und Jetzt stehen. Bei „Angels“ aus der Feder von Sascha Gerstner darf Rückkehrer Michael Kiske so richtig glänzen. Ein perfekter Song, welcher zwischen heavy Stakkato-Riffs und epischem Chorus hin und her pendelt. Abwechslungsreich und doch eingängig. Bei „Rise Without Chains“ beweist Andi Deris, dass er nach 27 Jahren Bandzugehörigkeit die Wurzeln HELLOWEENs perfekt verinnerlicht hat. Die Uptempo-Nummer hätte auch auf den beiden alten „Keeper“-Scheiben eine mehr als gute Figur gemacht. Wer auch immer wieder für eine Überraschung gut ist, ist Basser Markus Grosskopf. Er gehört nicht zu den fleißigsten Songwritern im Lager der Kürbisköpfe (einmal möchte ich das hier auch schreiben), aber wenn ein Beitrag von ihm kommt, so gehört er für mich eigentlich immer zu den Highlights auf den jeweiligen Alben und so auch hier. Tolle Teamarbeit von Kiske und Hansen im Chorus mit positiver Durchhalte-Message. Das nun folgende „Robot King“ von Weikath ist eine siebenminütige Speed Abfahrt, die zu keiner Sekunde langweilig wird und zeigt, wie abwechslungsreich man auch im hohen Tempo komponieren kann. Mit „Cyanide“ wird es dann nochmal richtig heavy. Die Deris-Nummer bewegt sich im dezenten Uptempo und steht für die HELLOWEEN nach 2005.  Mit „Down In The Dumbs“ gibt es einen weiteren Song von Michael Weikath zu hören, der neben eines abwechslungsreichen rhythmischen Grundgerüsts auch allen drei Stimmen Platz bietet. „Orbit“ ist ein kurzes Instrumental, welches die zwölfminütige Hansen-Hymne „Skyfall“ einleitet. Hier werden dann nochmal alle Register gezogen, und es wird klar, warum HELLOWEEN ein ganzes Genre begründet haben. Es stimmt einfach alles: Power, Speed, Melodie. Die zwölf Minuten vergehen wie im Flug, keinem Part haftet der Nimbus des Überflüssigen an. Als ich zum ersten Mal Kiske im Refrain hörte, hatte ich wirklich Pipi in den Augen.

Fazit:

HELLOWEEN haben sich mit ihrer neuen Scheibe selbst ein Denkmal gesetzt, indem sie nicht nur versucht haben, vermeintliche Erwartungen zu erfüllen, sondern indem sie ein authentisches, allumfassendes Magnum Opus erschaffen haben, welches sämtliche Facetten aus fast 40 Jahren Bandgeschichte zusammenfasst, und daraus wurde dann das perfekte HELLOWEEN-Album destilliert.   

Helloween


Cover - Helloween Band:

HELLOWEEN


Genre: Heavy Metal
Tracks: 12
Länge: 65:10 (CD)
Label: Nuclear Blast Records
Vertrieb: Rough Trade