Review:

Scythian Stamm

(HELL:ON)

TIPP

Was passiert, wenn DEICIDE mit MORBID ANGEL eine innige Beziehung eingehen, um dann einen Seitensprung mit NILE zu wagen und deren ägyptischen Ausflüge einfach durch orientalische Folklore auszutauschen? Richtig, das ergibt eine richtig geniale Mischung und hört auf den Namen HELL:ON. Das sechste Album der Death Metaller aus der Ukraine strotzt nur so vor Spielwitz, technischen Spielereien und bärenstarken Kompositionen. Das gesamte Album besticht durch den gezielten Einsatz von Genre-fremden Instrumenten wie einer Sitar, einer Maultrommel und beeindruckenden Horneinsätzen, die eine sehr dichte Atmosphäre aufbauen. Die Grundessenz von „Scythian Stamm“ ist aber wuchtiger Death Metal, der mit einer gnadenlosen Brutalität durch die Boxen rauscht, aber niemals im Geschwindigkeitsrausch endet. HELL:ON lassen lieber tonnenschwere Riffs sprechen, die teilweise mit einer epischen Melodieführung angereichert werden, um dann wieder, von den starken Vocals von Sänger Olexandr, in die richtige Richtung gelenkt zu werden. Schon der Opener „Spreading Chaos“ hält, was der Songtitel verspricht. Massive Riffwände werden von vereinzelten Blastbeats umschmeichelt, um dann wieder ein orientalisches Feeling aufkommen zu lassen. So muss moderner, aber doch traditioneller, Death Metal klingen, und HELL:ON zeigen uns wie dies klingen muss. Da auf „Scythian Stamm“ nicht ein Stinker vorhanden ist, zieht sich das positive Hörerlebnis über die gesamte Spielzeit. Besonders gut gefällt mir der Schlagzeugsound auf „Scythian Stamm“. Hier wurde kein Trigger-Overkill durchgeführt, sondern die Drums klingen natürlich, dominant und somit natürlich gut. Ich kann auf dem Album einfach keine Schwachstelle finden. Vom Cover-Artwork bis zum Sound ist alles im mehr als grünen Bereich, und von den grandiosen Songs braucht man hier gar nicht mehr zu sprechen. Was soll man machen? „Scythian Stamm“ ist ganz einfach eine Perle des Death Metals und verdient die Höchstnote und somit einen ganz klaren Tipp!

 

2005 ging es los in Zaporoschje, 2021 kommt die sechste Scheibe von HELL:ON. Die Ukrainer sind im Death Metal verwurzelt, der eine Acker reicht ihnen aber nicht. Und so schicken sie ihre Traktoren auch in Richtung Thrash-Ernte, sehen dabei auch schwarz. Und da das immer noch richtig reicht, gibt es dazu noch ein bisschen Tribal, Ethno und Co. Das mag sich exotisch anhören, klingt aber auf „Scythian Stamm“ dennoch recht konventionell. Klar. Die Osteuropäer haben mächtig Wumms im Oberarm, und auch die Melodien sind bisweilen ein bisschen catchy. Aber: Im oberen Tempobereich wird es zwar (logisch) schneller, aber eben auch schnell langweiliger. Das abwechslungsreiche „The Architect’s Temple“ gibt ein prägnantes Beispiel für achterbahnartiges Qualitätsmanagement in einem Song. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Musikalisch ist das auf sehr gutem Niveau, auch die Vocals stimmen, wenngleich da ein bisschen mehr Varianz guttäte. Und auch die Atmosphäre nimmt phasenweise mit. Und zum Abschluss vertonten die Todmetaller mit „My Testament“ sogar ein Gedicht des ukrainischen Fußballers, äh Dichters, Shevchenko, irgendwann mal übersetzt von John Weir. Fetzt auch. Aber es überzeugt eben alles nur so fast und nie total. „BEHEMOTH für Arme“ wäre sicherlich arg übertrieben, aber Fans der Polen, Anhänger von NILE und allgemein von Death Metal der eher bombastischen Art sollten mal hinhören. (Meisenkaiser)

 

Scythian Stamm


Cover - Scythian Stamm Band:

HELL:ON


Genre: Death Metal
Tracks: 10
Länge: 54:3 (CD)
Label: Hell Serpent Music
Vertrieb: Bandcamp