Review:

Acoustic Album

(Grobschnitt)

Es gibt zwei Bands, die einem Meisenkaiser Angst machten. Die eine heißt Gorgoroth, hat ihren Furcht erregenden Zauber inzwischen verloren. Die andere ist GROBSCHNITT. Wenn der hier schreibende, ältere weiße Mann an seine Kindheit zurückdenkt, dann wabern blasse Erinnerungen an merkwürdige Menschen, die noch komischere Musik machen, durch die hintere Hirnrinde. Keine Ahnung hatte der Knirps, aber irgendwie verrückt war das mindestens, dieser heute als Krautrock bezeichnete Stil. Und auch, wenn der Jüngling damals nicht wusste, was „psychedelisch“ bedeutet, so passte der Begriff doch zu diesen irren Hippies. Ein Blick zurück: Das unverwechselbare Markenzeichen waren ihre bis zu vier Stunden dauernden Live-Konzerte mit einem Mix aus Musik, Theatereinlagen und einer von abgedrehten visuellen Effekten unterstützten Bühnenshow. 1978 wählten die Rockfans der WDR-Sendung "Rockpalast" Grobschnitt zur besten Live-Band des Jahres. Doch auch die 50 Jahre alte Rocklegende aus dem südwestfälischen Hagen gibt sich heute geläutert. Denn das „Acoustic Album“ bringt 13 Lieder („Illegal“ ist nicht dabei) – kein Kraut, kaum Rock, nur die reinen Songs in akustischer Form. Eine Aufgabe, also für den durchaus überraschten Adressaten. Denn beim ersten Hören wirkt das Werk strunzlangweilig, also richtig öde, viel zu gewollt. Die Gründungsmitglieder „Lupo“ (Leadgitarre) und „Willi Wildschwein“ (Sänger und Gitarrist) sowie Willis Sohn „Nuki“ (Gitarre, Gesang, Percussion) reduzieren den Rahmen mit Stimme, drei Gitarren und dezenten Percussion-Elementen und bedenken die Studio-Alben aus der Zeit von 1972 bis 1987 sind mit je ein bis zwei Nummern – von "Wonderful Music" vom 1972er-Debüt über deutsch gesungene Titel von "Jumbo" (1976) oder "Anywhere" vom Klassiker "Rockpommel's Land" (1977) bis hin zu "Der Weg nach Haus" vom bisher letzten Studioalbum "Fantasten" (1987). Aber auch so bekannte Longplayer-Songperlen wie „Drummers Dream“ (1974) und die Grobschnitt-Hymne „Vater Schmidt`s Wandertag“ (1976) sowie „Könige der Welt“ (1984) fehlen nicht. Das macht 74 Minuten – und pure Fadheit, bestehend aus einem Mix aus Reinhard Mey, Godewind und DDR-Liedermachern. Doch: Einige intensive Hörversuche weiter entwickelt sich etwas. Siehe da: Stück für Stück entfalten die Songs ihre volle Wirkung. Aber eben auch nicht wie erwartet: Die authentische und erstaunlich kraftvolle Produktion und die plötzlich immer spannender werdende Musik transportieren viel Emotionen und ungeheuer melancholische Momente. Warum das so ist? Wirken da die nachdenklichen Texte? Jedenfalls ändert auch der GROBSCHNITT-typische Kauz-Humor nichts an der Bedrücktheit. Immerhin: Melancholie ist schöner als Trauer. Und zu letzterem besteht überhaupt kein Grund, denn vor allem das abschließende Doppel „Könige der Welt“ und „Der Weg nach Haus“ untermauert in fast 20 Minuten, was für tolle Musik die Westfalen gemacht haben. Das Fan-Motto „Kein Tag ohne Grobschnitt“ ist für die Metal-Community vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber offene Rock-Fans sollten hier unbedingt rein hören. Es lohnt sich. Habt keine Angst!

 

 

Acoustic Album


Cover - Acoustic Album Band:

Grobschnitt


Genre: Rock
Tracks: 13
Länge: 75:42 (CD)
Label: Brain
Vertrieb: Universal