Review:

Original Album Classics (5-CD-Box) (Re-Release)

(Gotthard)

Als GOTTHARD in 1992 mit ihrem selbstbetitelten Debüt durchstarteten war nicht nur das hervorragende DEEP PURPLE-Cover „Hush“ der Grund dafür, dass die schweizer Band sich rasch großer Beliebtheit erfreute. Mit Sänger Steve Lee (Alpenländer mit britischer Mutter) hatte man von Anfang an eine der besten Hard Rock Stimmen am Mikro – und auch ihr Mentor Chris von Rohr (KROKUS) sorgte dafür, das GOTTHARD von Anfang professionell agierten und ihren Weg (nicht nur in ihrer Heimat) gingen. Dabei erfuhr „Gotthard“ mit seinem (wie man heute sagen würde) Retro-Sound nicht gleich überall große Zustimmung. Eine ganze Reihe von Wortführern und Fans der Metal- und Rockwelt hielten den 70er-orientierten, melodischen Hard Rock für gnadenlos unzeitgemäß und sprachen der Band die Zukunftsfähigkeit ab – wie man sich täuschen kann. Songs wie der nach vorn galoppierende Opener „Standing In The Light“, der groovende Highlight-Cover „Firedance“ oder das flotte „Mean Street Rocket“ fanden zahlreiche Fans – GOTTHARD spielten sich Live den Arsch ab und überzeugten. Aber auch damals schon gab es einen Fokus auf ruhigere Stücke; die Ballade „Angel“ klingt nach WHITESNAKE in ihren besten Zeiten und ist eine Blaupause für die GOTTHARD-Ballade, der zweite langsame Song „All I Crae For You“ steht dem in nichts nach. Trotzdem gilt „Gotthard“ als die „härteste“ Platte der eidgenössischen Institution. Ergo - eines der stärksten Genre-Debüts der 90er.


Zwei Jahre später setzte man dann mit dem in den USA eingespielten „Dial Hard“ (1994) seinen Weg fort. Die Songs hätten ja durchaus auch auf das Debüt gepaßt, die US-Produktion sorgte hier aber für mehr Druck und Power – der in die vollen gehende Opener „Higher“ und die Power-Hard Rock-Single „Mountain Mama“ (samt Bläser) kamen da gerade richtig fett. Und ein Track wie „Get It While You Can” präsentiert ja auch die 80er-Heavy Rock Elemente in Vollendung – gutes Songwriting, Feeling in Gesang und Gitarre, stampfender Bass und Schlagzeug. Mit „Come Together“ wurde diesmal ein Stück der BEATLES gecovert – ganz so gelungen wie zwei Jahre zuvor „Hush“ war es aber doch nicht. „Dial Hard“ war ein tolles Zweitwerk, welches den Status der Band festigte und ihnen in ihrer Heimat das erste Nummer-1-Album bescherte.


1996 erschien dann „G.“ – GOTTHARD brachten das Kunststück fertig als ihr wegweisendes drittes Werk auch ihr bis dato Bestes abzuliefern – und das obwohl das Debüt „Gotthard“ und „Dial Hard“ schwerlich zu toppen waren. Wie selbstverständlich vereinte man die Trademarks der ersten beiden Alben mit einem mittlerweile sehr erfahrenen Songwriting, kraftvoll groovender Hard Rock bei dem sogar die (wenigen) ruhigeren Stücke echt Laune machten. Neues gab es nur im Detail – aber dass dann zum Beispiel schon beim Opener „Sister Moon“ – nämlich ein fett und hart vor sich hin stampfender Midtempo-Blues-Rocker der Extraklasse. Danach wurde mit „Make My Day“ die erste (von einigen) Hard Rock-Keulen auf „G“ rausgeholt („Fist In Your Face“ und „Lay Down The Law“ seien da mal noch genannte). Als dritter Track folgte das obligatorische Cover – diesmal „Mighty Quinn“ von BOB DYLAN (besser bekannt durch die MANFRED MANN‘S EARTH BAND), was mit solch fetten Gitarrensound plötzlich wieder hörbar wird. Das man als Single ausgerechnet die beiden gelungenen Akustik-Balladen „Father Is That Enough?” und „One Life, One Soul” auskoppelte (dazu gab es noch die Ballade „Let It Be“ und als CD-Bonus mit „He Ain’t Heavy, He’s My Brother” eine weiteren guten Schmusesong) darf man im Nachhinein durchaus als Hinweis auf die Zukunft der Band verstehen. Der bluesige Rock’n’Roll einer Komposition wie „Sweet Little Rock N' Roller“ wäre da schon die bessere Richtung gewesen.


Denn nachdem das Dritte GOTTHARD-Werk nunmehr sie Spitze erklommen hatte, dachte manch einer ab jetzt kann es nur noch bergab gehen – und das tat es dann leider auch. Denn das 1999 erschienene dritte Album „Open” ließ schmerzlich den Biss der ersten drei Alben vermissen. Ob es nun der Hang zum Erfolg war oder der Mainstream-Druck des Managements – ich weis es nicht. Aber GOTTHARD verlieren sich auf „Open“ in einer Möchtegern-BON JOVI – AOR - POP – Kultur. Und das stand ihnen gar nicht gut. Sicherlich hatte das 2 Jahre zuvor erschienene Unplugged-Live-Werk „D-Frosted“ seinen Anteil – brachte es der Band doch Platin-Scheiben, europaweiten Erfolg und ausverkaufte Hallen. Demzufolge war „Open“ eigentlich nicht der Nachfolger des rockenden Meilensteins „G“ sondern der Akustikscheibe „D-Frosted“ - GOTTHARD standen vor der Jahrtausendwende für ruhigere Töne. Das Steve Lee das Zeugs genial und emotional rüber bringen konnte wird nicht wundern; und auch waren nicht alle Songs schlecht – hier sei mal der HENDRIX-Gedächtnis-Song „Hey Jimi“, der eingängige Hit-Opener „Free And Alive“ oder „Tell No Lies“ genannt. Unter den vielen ruhigere Tracks sticht sicherlich „Let It Rain“ hervor, Vieles war durchaus gut komponiert – nur der Punch und die notwendige Ausgewogenheit, welche eine Rockband im AOR-Hard Rock-Bereich auszeichnen sollte, war GOTTHARD bei „Open“ abhanden gekommen.


Mit „Homerun” wurde es in 2001 dann wieder besser – aber nur etwas. Der Erfolg von „Open“ hatte tiefgreifende Spuren im Selbstverständnis der Band hinterlassen; wieder waren viele Songs Melodic Rock und mittlerweile die Kompositionen der Balladen auch nicht mehr ganz so zwingend wie zuvor. Ausnahme war die Ballade „Heaven“, welche zum bis dato erfolgreichsten Song der Band avancierte und es gar auf Platz 1 der heimischen Charts schaffte. In Folge wurde „Homerun” auch das erfolgreichste Album von GOTTHARD und durchaus ein Renner bei den Mainstream-Fans der Band. Nichts desto trotz enthält das Album gute Rocker - „Light In Your Eyes“ ist ein gelungener Midtempo-Song zum Mitsingen, „Eagle“ kommt rhythmisch-stampfend hart daher, „End Of Time“ hält die Fahne der alten GOTTHARD hoch – nur zu wenig. Vor allem im gegen Ende von „Homerun“ wird es doch ein wenig lau. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.


Drei klasse und zwei solide Alben - wer also bisher an den Schweizern vorbeihörte, der sollte sich schleunigst dieser GOTTHARD 5-er-CD-Box zum kleinen Preis besorgen - und die ersten drei Alben auf Rotation stellen.

Original Album Classics (5-CD-Box) (Re-Release)


Cover - Original Album Classics  (5-CD-Box) (Re-Release) Band:

Gotthard


Genre: Hard Rock
Tracks: 72
Länge: 0:0 (CD)
Label: Ariola
Vertrieb: Sony