Review:

Experiments In Mass Appeal

(Frost*)

Mangelnde Kritikfähigkeit kann man dem Songwriter/Keyboarder/Produzent von FROST* Jem Godfrey
nun wahrlich nicht vorwerfen. Denn für das aktuelle Werk "Experiments In Mass Appeal“ hat sich der Hauptmacher laut eigenem Bekunden die Hauptvorwurf des Debüts „Milliontown“ (2006) sehr zu Herzen genommen, nämlich an seinem eher mäßigen Gesang zu arbeiten. Kurzum hat er sich daher einfach einen Sänger mit ins Boot geholt und so wuchs die Band diesmal zu einem stattlichen Fünfer. Dec Burke heißt der neue Mann und der hat wahrlich was drauf, besitzt eher eine proguntypische, recht helle (Alternative-) Stimme und kann außerdem noch überdurchschnittlich gut Gitarre spielen. Godfrey hält ihn für den kommenden Prog-Megastar. Na ja aus meiner bescheidenen Sicht ist dies eher leicht übertrieben, denn die Stimme ist zwar nicht schlecht, könnte bei den etwas heftigeren Momenten (und da gibt es einige) durchaus etwas kräftiger klingen, da singt er manchmal etwas vergeblich gegen die mächtige Instrumentalwand an. Ansonsten sind auch wieder Gitarrist John Mitchell (ARENA, IT BIITES, KINO), Drummer Andy Edwards (IQ) und Bassist John Jowitt (ARENA, IQ, JADIS) mit dabei. Dieser nicht nur auf dem Papier tollen Besetzung muss man die Umsetzung dieser Scheibe wirklich als sehr gut bescheinigen. Hier gibt es kein nerviges Namedropping und aufgewärmtes Proggesülze sondern es wurde wirklich erfolgreich auf mehr Risiko gesetzt, musikalische Wagnisse eingegangen und teilweise klingt das Ganze auch etwas experimentell. Trotzdem ist die Musik nie in irgendeiner Weise zu verkopft oder kommt zu technisch-spröde rüber.

Das Ziel auf "Experiments In Mass Appeal" war es komplett anders als auf dem Vorgänger zu klingen, auch songwriterisch sollte der schmale Spagat zwischen schnödem Rock, frischen Sounds und natürlich jeder Menge Anspruch für die verwöhnte Proggemeinde geschafft werden. Es braucht vielleicht zwei bis drei Anläufe sich in die Scheibe hineinzuhören aber dann steht fest: Dieses ehrgeizigen Vorgaben wurden erreicht. Sämtliche Songs besitzen ihre ganz eigene Klangcharakteristik, die Wechsel zwischen atmosphärisch sowie eher straighteren Parts sind äußerst variabel und auch die sehr gelungenen Tastensounds mal retro-spacig, dann wieder Streicher und auch Pianoklänge kommt sehr gut. Der Schlagwerker verdient sich bei mir ein Extralob für sein absolut dynamisches und gleichzeitig tightes Spiel. Die Songs sind dabei stets sehr melodiös gehalten, haben einen gewissen Hang zum Bombast was die mitunter üppige Ausgestaltung betrifft, aber auch die griffigen Gitarren dürfen richtig losledern, aufziehen und sorgen für viele energetische Momente. Dies bietet nicht jede Progplatte so vorzüglich, die vielen Kleinigkeiten sorgen für angenehme Kurzweil, man kann sich dabei je nach Track mal zurücklehnen in den Sound von FROST* eintauchen, Neues entdecken und dann aber auch wieder herzhaft mitrocken. Die reine Proglehre wird hier sicher nicht praktiziert aber gerade das sind die Stärken dieser Band. Manchmal erinnert mich dieses Album an die megastarke Scheibe von PURE REASON REVOLUTION ("The Dark Third", kann ich nur jedem empfehlen), nur nicht ganz so betont psychedelisch aber ähnlich packend. Viele überraschende Wechsel, brachiale laut-leise Dynamiken, fette Gitarrenwände und dann wieder sehr gefühlsbetonte Momente sind hier obligatorisch aber nicht berechenbar und sorgen trotzdem für ein kompaktes Gesamtwerk.

Als songliche Highlights für die etwas gefühlvollere Seite von FROST* sind das akustische „Saline“ mit dem schönen Wechselgesang, das packende „Toys“ sowie mein absoluter Favorit, der Knaller „Dear Dead Days“, ein tolle Abgehnummer mit hymnischem Refrain.

Im Vergleich zur letzten ebenfalls sehr gelungen IT BITES-Scheibe) ist hier nicht die dort sehr präsent vorherrschende „Pop-Prog“ Attitüde zu finden, sondern es wird hier eine durchaus innovative, intelligent gemachte Rockmusik praktiziert. Ein sehr cool-modern daherkommendes Produktionskleid sagt allen die hinhören wollen: Prog muss nicht verstaubt und altbacken sein sondern den Mutigen gehört dass Hier und Jetzt. Daher dürfen bei "Experiments In Mass Appeal“ nicht nur die üblichen Fans gerne mal reinschnuppern sondern auch alle schubladenfrei Denkenden. Prog für die Masse - warum denn eigentlich nicht?!

Neben der normalen Albumversion wird es auch noch eine Special Edition mit einer DVD inklusive Bonusmaterial geben, diese lag uns für diese Rezi jedoch leider nicht vor.

Experiments In Mass Appeal


Cover - Experiments In Mass Appeal Band:

Frost*


Genre: Progressive
Tracks: 9
Länge: 55:52 (CD)
Label: InsideOut Music
Vertrieb: SPV