Review:

Heimdal

(Enslaved)

Bei ENSLAVED bleibt es spannend und unberechenbar! Auf ihrem 16. Album liefern die Norweger komplexe Songstrukturen und tolle Atmosphäre: Ein bisschen Black Metal (in erster Linie in Form des harsch raspelnden Gesanges von Sänger und Bassist Grutle Kjellsons) und viel psychedelischer Progressive Metal. Die Band aus Bergen entwickelt sich auch nach 30 Jahren noch weiter und hat ein quasi unerschöpfliches Kreativpotential. Vor 30 Jahren veröffentlichten ENSLAVED bereits einen Song mit dem, aus der nordischen Mythologie stammenden Titel „Heimdal“, so wird thematisch eine Verbindung zu den Anfangstagen der Truppe geschaffen. Klanglich liegt das neue Material einige Seemeilen entfernt von „Vikingligr Veldi“ aus dem Jahr 1994 und dem vorangehenden „Yggdrasill“-Demo. Wobei die Inhaltsstoffe ähneln und auch damals nachdenkliche Keyboardteppiche gewoben wurden. Viel Liebe steckt die Band auf „Heimdal“ in die Arrangements und Effekteinsatz und sie beweisen wieder mal „Arsch in der Hose“ und scheißen auf Komfortzone. ENSLAVED machen das was sie wollen und kümmern sich herrlich wenig um Trends, und auch darum geht’s im Black Metal. Natürlich wird der ein oder andere Hörer, härteren Zeiten der Band (verständlicher Weise) nachweinen; ich persönlich mag den alten und den neueren experimentellen Stil der Truppe.

Eilif Gundersen (WARDRUNA) spielt ein blechernes Horn, schwappendes Wasser erklingt; auf das Wikinger-Langschiff gesprungen und los geht’s! Zum Auftakt gibt’s mit „Behind The Mirror“ einen komplexen Song, Clear-Gesang und Kreisch-Gesang wechseln sich erwartungsgemäß ab. Zumeist schauen ENSLAVED gedankenverloren verträumt in die Natur und kurz blitzen wilde böse dreckige Momente auf. „Behind The Mirror“ besitzt ein schönes Riffing und spacige Mellotron-Effekte. „Congelia“ offenbart einen sperrigen monoton-frenetischen Rhythmus und einen ordentlichen Stapel Black Metal-Disharmonien. Es folgt „Forest Dweller“ und der Song hat es in sich: Akustik-Gitarre, ein Hauch von Okkult-Rock und natürlich Progressive Rock. Keyboarder Håkon Vinje sorgt szenenweise für DEEP PURPLE-Momente, die Hammondorgel-Sounds sind schön eingesetzt. Kommt hier eigentlich jedes Bandmitglied ans Mikro? (Håkon Vinjes, Iver Sandoy, Grutle) Zu „Kingdom“ trifft proggiger Groove auf ein Industrial-Sequenzer-Intro und exzellente Theatralik. Das Zwischenspiel in der Mitte des Tracks wirkt wie ein Ausschnitt aus einem Ritual. „The Eternal Sea“ ist ein super Track: mysteriös und ergreifend. „Caravans To The Outer Worlds“ kennen wir bereits von der gleichnamigen EP (2021). Es gibt ein gutes Gitarrensolo von Arve "Ice Dale" Isdal, einen lässigen Basslauf und thrashige Riffs zu hören und gegen Ende sind TOOL-Anleihen zu vernehmen. Das Album endet mit dem Titeltrack „Heimdal“ mit schwerem langsamen Riffing.

ENSLAVEDs Architekt Ivar Björnson („Peersen“) schreibt den größten Anteil der Texte und der Musik. Man muss sich nichts vormachen, die progressive und mitunter abgefahrene Komplexität der Musik geht auf Kosten der Hitdichte der Songs. Die Musik ist nicht eingängig, aber macht trotzdem Spaß. Die Produktion ist absolut lupenrein. Das mystisch-stimmungsvolle Coverartwork stammt von Grutle Kjellson und seiner Lebenspartnerin.

Es bleibt spannend wohin die Entdeckungsreise mit ENSLAVED noch hingeht, die Jungs werden noch viele Geschichten zu erzählen haben.

Heimdal


Cover - Heimdal Band:

Enslaved


Genre: Progressive
Tracks: 7
Länge: 48:25 (CD)
Label: Nuclear Blast
Vertrieb: Rough Trade