Review:

Cannonball

(Der Kaiser)

Hach, auf einer Zeitreise in die 80er begegnet der Metal-Historiker nicht nur wirklich ungewöhnlichen Scheiben, sondern auch Stilblüten einer vergangenen Zeit. Ein nicht ganz unbekannter Schreiber formulierte anno 84, dass das Songmaterial von „Vautors“ ganz gut sei, ihm das dämliche Gejaule des Sängers aber alle Nerven tötet, aber dennoch einige Songs ganz gut seien. Naja, heute hätte die Chose vermutlich unglaublichen Kauzcharakter... Wie dem auch sei: Die beiden Veröffentlichungen von DER KAISER, eben „Vautors“ und „La Griffe de l’Empire“ gehören neben den völlig anders gelagerten Morsüre vermutlich zu den wirklich ungewöhnlichen und wohl auch schwer verdaulichsten der vergangenen Franzosen-Metal-Zeit. Songs wie „Der Kaiser“ „Saga Des Fers“, „City Ferocé“, „Vengeance“ oder „Aberdeen“ gehören zu den absoluten Klassikern - für den Rezensenten. Warum erzählt der das aber bloß alles? Weil die Pariser 33 Jahre später tatsächlich eine neue Scheibe veröffentlichen: „Cannonball“.  Elf Songs im schicken Brennus-Digi-Pack.  Und es beginnt mal wieder überraschend, mit einem Dudelsack-Intro. Ebenso ungewöhnlich und zumindest für den Liebhaber der alten Zeiten – DER KAISER lässt den Sänger jetzt englisch singen. ENGLISCH! Eigentlich ein – ähem – NoGo! Und ein absoluter Eigenidentitätskiller. Aber alles ist ja nun mal Geschmackssache... Sei’s drum, der alten Liebe wegen wird doch genau hingehört. Bandgründer André Thierry ist genauso noch dabei wie Drummer Phillipe und Gitarrist P'tit Tchong, lediglich Sänger Pierre Placines startet neu. Musikalisch wirkt vieles vertraut. Vor allem der charismatische Bass erinnert an gute, alte Zeiten. Der Gesang kommt schon beim schnellen „San Monster“ nicht mehr so schräg wie bei den Vorgängern, dadurch wirkt das Material aber auch irgendwie auch konventioneller. Immer wieder erinnern die Franzosen an Iron Maiden, und dieses Gefühl verursacht nicht nur Kollege Thierry mit seinem Bass. Besonders deutlich klingt das durch bei „Ivory Tower, Pt 1“, dass in Grundzügen das Zeug zu einem Klassiker hat und in seiner choralen Verspieltheit sogar an Queen denken lässt. Interessant auch: „The Odyssey of Damned Souls“, das bisweilen gar „RIme of the Ancient Mariner“ zitiert. Maiden und sich selbst gedenken DER KAISER dann auch mit „Vengeance, Pt. 2“. Ihren mächtigsten Opus sparen sich die Pariser bis zum Schluss auf. „Cannonballs“ vereint über mehr als acht Minuten all das, was DER KAISER ausmacht. Progressiv-kauziger Heavy Metal! Schade bleibt, dass die Band den französischen Gesang zugunsten kompatibler Anglo-Zunge geopfert hat. Dennoch ist DER KAISER nach drei Jahrzehnten Abwesenheit vom Vinyl-Markt ein wirklich interessantes Album gelungen. Hach. Ja.

Cannonball


Cover - Cannonball Band:

Der Kaiser


Genre: Heavy Metal
Tracks: 11
Länge: 55:16 (CD)
Label: Brennus
Vertrieb: Socadisc