Review:

Oak, Ash & Thorn

(DARK FOREST)

TIPP

Ein bekanntes deutsches Metal-Magazin hat im Jahr 2018 seinen Lesern die scharf diskutierte Frage gestellt: „Gibt es ein Leben nach Iron Maiden“? Die Antwort ist schwierig zu beantworten, da es nach einer Auflösung der Eisernen Jungfrauen natürlich kein wirkliches und erfülltes Leben mehr geben kann und somit ausgeschlossen ist. Nun aber tritt eine Band mit dem Namen DARK FOREST dieser logischen und von einem Großteil der Metal-Hörerschaft akzeptierten Gesetzmäßigkeit mit aller Macht in den Hintern!

Das Gründungsjahr der Engländer beläuft sich auf das Jahr 2002. Das selbstbetitelte Debütalbum stand nach sieben Jahren Findungsphase 2009 in den Regalen, und es folgten darauf drei weitere Alben mit den Titeln „Dawn Of Infinity“ (2011), „The Awakening“ (2014) und „Beyond The Veil“ (2016), welche alle recht positive Pressekritiken ernten konnten.

Und dann begegnet ausgerechnet mir in 2020 das aktuelle Album „Oak, Ash & Thorn“ und bringt den kleinen Redakteur komplett durcheinander. Ich gebe zu, beim ersten Probehören war mein Urteil relativ schnell klar: Ein komplett durchschnittliches, melodisches Metal-Album mit einem eher harmlosen Sänger, dem man ohne Probleme eintausend Euro leihen kann und diese am nächsten Tag ohne Aufforderung mit Zins und Zinseszinsen zurückbekommt. Eben ein gut zu hörendes Album von einer netten und freundlichen Band, aber leider eine Veröffentlichung, die man in Windeseile wieder zu den Akten stellen kann, und die als Staubfänger dienen wird.

Tja, und dann kam der zweite, der dritte, der vierte… der x-te Durchlauf. Ok, meine Gleichgültigkeit entschwand immer mehr, und eine gewisse nagende Euphorie machte sich breit. Die Stimme wurde immer besser und kraftvoller und die geliehenen eintausend Euro waren in den Taschen der Band verschwunden. Von wegen nette Band! DARK FOREST hatten mich gebrochen, besiegt und werden mich für immer in ihrem Bann halten. Der Kampf englische Band gegen deutschen Review-Schreiber geht eindeutig an die Insel. Und mit Freude gestehe ich meine anfängliche Unwissenheit und Verwirrung ein und gelobe hiermit Besserung.

In Stimmung für die folgenden 50 Minuten wird man durch ein beruhigend-schönes Intro gebracht. Wasserrauschen, fröhliches Vogelgezwitscher und stimmungsvolles Feuer bereiten uns auf die folgenden Großtaten vor.

Und diese Großtaten bestehen aus der herausragenden Stimme von Sänger Josh Winnard, welcher besonders in höheren Stimmlagen scheinbar einem Bruce Dickinson einen besonders schönen guten Tag wünschen will. Wahnsinn, wie variabel und sicher hier in allen Tonlagen agiert wird. Ein Ohrenschmaus, wie man ihn von einem Sänger lange nicht gehört hat.

Wie es sich für eine traditionelle und besonders englische Heavy Metal-Band gehört, kommen dominante Twin-Gitarren des Öfteren und immer an den richtigen Stellen zum Tragen. Die Gitarrenarbeit ist sowieso auf der gesamten Scheibe auf einem sehr hohen Niveau angesiedelt. Feinste Metal-Melodien gehen nahtlos in teilweise folkige Parts über um im Gesamtbild daraus eigenständige Hymnen für die Ewigkeit zu schaffen. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist der Titelsong, welcher in das gleiche Kaliber wie MAIDENs  „The Clansman“ stößt. Und dies ist beileibe nicht der einzige Song, der keinen Vergleich mit Steve Harris & Co scheuen muss. Gerne werden auch rockige Parts auflockernd in die virtuosen Instrumentalpassagen aufgenommen und peppen einzelne Abschnitte erfolgreich und anspruchsvoll auf.

Generell landen DARK FOREST aber immer wieder an dem Punkt, wo sie ankommen wollen: Das Generieren von epischen, hymnenhaften und modernen (irgendwie ein Widerspruch in sich) NWOBHM-Titeln. Beendet wird das Album mit dem Instrumentalstück  „Heart Of The Rose“, welches dieses Kunstwerk des Heavy Metals glanzvoll abschließt.

Inspirieren ließ sich die Band von den Kurzgeschichten des englischen Autors Rudyard Kipling, der im Jahr 1906 die historisch-fantastischen Erzählungen im Buch „Puck Of Pook’s Hilll“ schuf, aber eher bekannt als Erschaffer des Dschungelbuchs ist. Das Plattencover fügt sich sehr gut in die Fantasy-Welt von DARK FOREST ein, holt einen von Anfang an ab und entführt den Hörer in eine Welt von Abenteuern und wilden, unbekannten Landschaften.

Fazit: Für mich war die komplette 180-Grad-Drehung meiner eigenen Meinung über „Oak, Ash & Thorn“ eine riesen Überraschung. Selten hat es so lange gebraucht, bis mich ein Album dermaßen gepackt hat und scheinbar so schnell nicht mehr loslassen wird. Eine Überraschung, die ich mit Freude genossen habe. Für mich bringen DARK FOREST den melodischen NWOBHM auf eine ganz neue Stufe und klopfen tatsächlich ganz laut bei unseren Freunden von IRON MAIDEN an. Ich hoffe, MAIDEN und auch alle Fans der härteren Gangart sperren die Türen weit auf und bereiten DARK FOREST einen Logenplatz auf den ganz großen Bühnen dieser Welt!

 

Oak, Ash & Thorn


Cover - Oak, Ash & Thorn Band:

DARK FOREST


Genre: Heavy Metal
Tracks: 9
Länge: 52:44 (CD)
Label: Cruz Del Sur Music
Vertrieb: Soulfood