Seit einigen Jahren macht ein Quintett aus Melbourne in Florida auf sich aufmerksam. Die fünf Herren schrecken nicht zurück vor brutalster Massakrierung ihrer Musikinstrumente, und jeder einzelne Release strotzt regelrecht vor gnadenloser Aggression. Sie nennen sich "Bodysnatcher", zu Deutsch in etwa "Leichendieb", und ballern uns schwungvoll mit schwerster Artillerie astreinen Südstaaten-Deathcore um die Ohren.
Nun hat der Schlachthaus-Squad aus Florida erneut zugeschlagen, und zwar in Form einer recht kurzweiligen EP, die den gruseligen Namen "Vile Conduct" trägt (dt.: scheußliche Tat). Das Cover des Werks zieren ein paar blutige, frisch gezogene Zähne nebst rostiger Zange auf holzigem Untergrund. Wer den physischen Datenträger in die Hände bekommt, erhält auch noch einen Blick auf die Rückseite, die den passenden Unterkiefer zu besagten Zähnen zeigt. Blutverschmiert, schmerzverzerrt, alles irgendwie abstoßend.
Das mag alles nicht sehr einladend sein, aber es ergänzt ganz gut das, was den Hörern akustisch auf der EP geboten wird und visualisiert den Wahnsinn einer Krise, die das Heimatland des Quintetts seit mehreren Jahren plagt, wie wir im Verlauf noch sehen werden.
Musikalisch ist das Ding einheitlich und kompromisslos: Brutale Breakdowns, treibende Drums, alles herrlich dissonant und ultra tiefgestimmt. Mal schnell, mal langsam - das klassische Deathcore-Rezept, garniert mit brutalen, tiefen Growls direkt aus der Hölle. Es scheint fast müßig, dabei auf einzelne Songs einzugehen, denn im Grunde wird genau das mit jeder Nummer präsentiert. Man mag es, oder man mag es nicht - wer den Opener "Infested" feiert, feiert wohl auch den Rest der EP.
Spannend wird es dann aber doch mit dem 36-sekündigen "Confession", das ein einziger schwer verständlicher weil stimmlich verzerrter Monolog ist, der die derzeit in den USA grassierende Fentanyl-Krise thematisiert. Der Track leitet über zu "Murder8", für den sich die Jungs niemand geringeren als Hatebreed-Sprachrohr und Infield-Zerstörer Jamey Jasta ("DESTROOOOOY EVERYTHIIING") für ein paar Gast-Vocals ins Studio geholt haben. Auch wenn die Lyrics schwer verständlich bleiben, ist ihre Message, die schonungslose Verurteilung der Fentanyl-Krise in den USA, nur zu deutlich. Das Ausmaß der Drogenkrise, die auch den Heimatstaat von Bodysnatcher stark heimsucht, ist für uns in Europa kaum zu begreifen, das menschliche Leid der Betroffenen und Angehörigen herzzerreißend und schwer zu ertragen. Für Drummer Chris Whited ist der Song autobiographisch: er verlor beide Geschwister an die Droge, die als bis zu 100-mal stärker als Heroin gilt. Die Band zeigt einen klaren Standpunkt und gibt der Droge ein musikalisches Gesicht: Brutal, hässlich, unangenehm. Lines wie "Fentanyl made me an only child" gehen unter die Haut, erst recht, wenn man den Hintergrund kennt.
Auch Gastsänger Jamey Jasta hatte bekanntlich mit einer langen Alkoholabhängigkeit zu kämpfen, und so wirkt die Nummer wie ein starkes musikalisches Statement gegen sämtliche Drogen.
Bei genauerem Hinhören entpuppt sich übrigens auch nicht nur bei Murder8 ein gewisser Einfluss, den Jamey und seine Band, die derzeit auf 30-Anniversary-Tour ist, auf die Nachwuchs-Deathcore-Sternchen haben. Grade "Human Disdain" packt immer wieder die Hardcore-Keule aus und unterstreicht, dass der Gastauftritt von Jamey durchaus passend ist.
Das erklärte Ziel der Band ist es den "Core" in den Deathcore zurückzubringen. Die EP ist ein deutliches Zeichen, dass sie dabei auf dem richtigen Weg sind. Weg von den Blackened-Death-Einflüssen, die das Genre seit längerem mit Bands wie Lorna Shore heimsuchen, auch wenn die sicherlich ebenso ihre Berechtigung haben und grade das genannte Beispiel wohl aus keiner anständigen Metal-Playlist mehr wegzudenken ist. Bodysnatcher werden sich ihren Platz in diesen Listen in Zukunft allerdings ebenso verdient haben.
Ja, "Vile Conduct" ist abstoßend, hässlich, brutal. Das fängt beim Cover an, betrifft die angesprochenen Themen, betrifft die Musik. Doch genau das möchte es auch sein, und was am Ende hängen bleibt, ist ein Werk, das vor allem eines ist: schonungslos ehrlich. Nichts wird schöngeredet, und durch die autobiographische Prägung wirkt das auch authentisch. Landet es deshalb trotzdem in meiner Playlist "Metal, der bummst"? Ja. Weil es bei aller Schwere halt auch unfassbar Spaß macht, wenn man die Texte ausblendet. Moshpit, here we go.
Autor Jakob Pflüger
Vile Conduct
Band:
BODYSNATCHER
Genre: Hardcore
Tracks: 6
Länge: 17:55 (CD)
Label: MNRK heavy
Vertrieb: SPV