Review:

Rockpalast: Musical Dome (22.11.1999)

(BAP)

Die Archive öffentlich-rechtlichen Anstalten bieten doch noch viel lohnenswertes, vor allem gute Musik - daher macht es durchaus großen Spaß, sich diese Konzertreihe der ROCKPALAST-Serie mit BAP anzutun. Tatsächlich hat keine andere deutsche oder internationale Band öfter unter diesem Banner gespielt. Die Kölner Vorzeigerocker waren über die Jahre gleich siebenmal zu Gast beim Rockpalast und so werden jetzt alle diese Gigs auf insgesamt 5 DVDs veröffentlicht.Nach dem wir zuletzt das älteste Konzert vom 28. November 1981 in der Hamburger Markthalle mit den Mannen um Sänger/Bandleader Wolfgang Niedecken in der Urbesetzung besprochen hatten, bietet jetzt dieser Mitschnitt ein Konzert von der 1999er "Tonfilm"-Tour und größer könnten die Gegensätze eigentlich nicht sein.

Das fängt schon an mit dem etwas theatermäßigen Ambiente des Kölner Musical Dome mit dem sitzenden Publikum in den bequemen Sesseln, obwohl gesessen haben die Fans ja beim Markthallengig größtenteils auch, aber hier wie da geht das nicht allzu lange und die Livebegeisterung reißt die Leute schließlich doch relativ schnell mit. Aber die „neuen“ BAP sind an diesem 22.11.99 eigentlich nicht mehr mit den Anfangstagen zu vergleichen. Einzig Mastermind und Urmitglied „Wolfjang“ Niedecken sowie Drummer Jürgen Zöller (seit 1987 dabei) sind noch übrig geblieben und dies hört man auch musikalisch recht deutlich. Da spielen Profimusiker durch und durch „ihre“ Musik, will sagen die neuen Songs aus dem durchaus gelungenen „Tonfilm“-Werk, aber natürlich auch die alten Sachen. Es fehlt mir persönlich zwar aus sentimentalen Gründen ein wenig, heute würde man sagen der „Spirit“ der alten Tage, aber sei’s drum, der Major Heuser hat nun leider auch endgültig abgedankt jetzt ist Wolf Maahn Gitarrist, Helmut Krumminga der Leadgitarrist und der pflegt einen ganz anderen Stil. Der kommt auch rockig aber eher etwas STONES-artiger, verzockter und mit mehr Breaks geprägt und nicht so wild-energiegeladen wie Heuser daher. Egal, es muss weitergehen, eine neue Epoche der BAP-Geschichte wurde eingeläutet und trotzt vieler Vorbehalte gelingt es tatsächlich, dieses neue Bandgefühl auch hier filmisch gut rüberzubringen.

Niedecken ist bei seinem Heimspiel natürlich gut drauf, äußerst redselig gibt sich als Plaudertasche und lässt dabei immer wieder mal ernste aber auch komische Kommentare sowie interessante Hintergrundinformationen zu den Inhalten von manchen Tracks raus. Auch seinen Textständer hat er wie meistens vor sich stehen. Die Aufnahmen sind gegen das Hamburgkonzert gestochen scharf, geradezu auf Hochglanz getrimmt. Die Schnitte sind nicht übertrieben, im Vordergrund steht meistens der Sänger.
Bei diesem Konzert handelt sich um so eine Art "unplugged Gig", das heißt die Musiker haben den Songs zum Teil völlig neue Arrangements im akustischen Gewande verpasst, es gibt viele neue Instrumente wie Mundharmonika, Saxophon usw. Man sitzt dabei meistens entspannt auf Barhockern wie bei MTV und musiziert gemeinsam sehr gekonnt und auch als absolut eingespielte Einheit.

Der Anfang dieser DVD ist mir allerdings etwas zu bedächtig, das fängt schon an mit dem recht unorthodoxen Song „Vum donnernde Lääve“ mit dem zwar schönen Schifferklavier sowie dem Kommentar Niedeckens „Gestern ham ’se dabei geschunkelt“ - ne muss ja wirklich nicht sein wir sind ja nicht bei den HÖHNERN. Die Band ist gut drauf, bietet einen wirklich satten Altherrenrock mit viel Groove, das hat was von E-Street Band auf Kölsch wenn das Saxophon klasse röhrt - nicht zuletzt durch die super orgelnden Keyboards von Michael Nass wie u.a. bei „Diss Naach ess alles drinn“. Zwischendurch wird natürlich auch ordentlich abgerockt aber man hat sich mit Bedacht doch viele eher sonst nicht gespielte Songs auf die Playlist gesetzt. Auch die Mitwirkung von Sheryl Hackett die von 1999 bis 2003 festes Mitglied der Band war, ist hier so eine Art Vermächtnis, denn diese unglaubliche „schwarze“ Stimme veredelt mit ihren Percussion- sowie Gitarreneinlagen den doch eher unspektakulären Gesang Niedeckens oder drängt ihn gar lässig zur Seite wie bei der geilen Coverversion von „Hungry Heart“, „Nemm mich met“, „Vill passiert sickher“ - diese eindrucksvolle Lady verstarb leider schon 2005.

Auch sehr cool geworden ist die ungeheuer lässige „Müsli Män“-Version im JADE’s „Smooth Operator“ Gedächtnissound, sehr geil. „Rita, mir zwei“ hätte ich absolut nicht gebraucht, aber sehr überzeugend ist das zuletzt eher selten gespielte „Wat, user Rock'n'Roll?“ mit schönen Backings. Wie gesagt, der „neue“ Sound ist manchmal etwas "anspruchsvoll", man zeigt was man alles kann oder drauf hat, sehr viele Details, Breaks usw. aber es hat schon was und man gewöhnt sich schnell daran. Die neuen Interpretationen von „Nemm mich met“, "Jupp", "Arsch huh, Zäng ussenander" und "Ruut-wiess-blau querjestriefte Frau" lassen die Halle dann doch begeistert mitgehen. Dann „Verdamp lang her" im Akustiklook und ohne Majors Solo aber mit Tastenbetonung im Mittelteil - ja, geht schon, aber dieser Song muss eigentlich mehr rocken. Ein würdiger Schluss ist dann der Klassiker „Helfe kann dir keiner“, wunderbar melancholisch klingt ein gelungener Konzertabend passend aus.

Insgesamt bietet diese etwas andere Form BAP’scher Unterhaltung im Musical Dome sehr viel Spaß auf hohem spieltechnischem Niveau, mit viel stilistischer Abwechslung, ob dies alles noch so viel mit der ursprünglichen Rockformation von BAP zu tun hat, muss jeder (Fan) selbst entscheiden, sehen-und hörenswert ist diese DVD allemal.

Die Spielzeit beläuft sich auf über 200 Minuten, weshalb man auch die letzen fünf Songs des Gigs auf die zweite DVD verbannte. Danach gibt es ein 1999 geführtes Interview mit Niedecken und Rockpalast Ikone Peter Rüchel. Nur dieser Mann übertreibt es in dieser Viertelstunde mitunter schon etwas mit seinen sehr auf Intelekt getrimmten Ausführungen mit zuviel Klugsch***en und versucht sich als eine Art Literarisches Quartett auf Musik. Da sagt dann Niedecken schon mal „.. ich versteh jetzt nicht ganz was du meinst“. Immerhin interessant: der „Major“ Heuser wollte mehr internationalen Pop als „Kölsch Rock“ spielen und musste daher zwangsläufig aussteigen.



Tracklist:

01. Rockpalast-Vorspann / Ansage / Intro

02. Vum donnernde Lääve

03. ’Ne schöne Jrooß

04. Niemols verstonn

05. Diss Naach ess alles drinn

06. Rock’n’Roll Star

07. Müsli Män

08. Für ‘ne Moment

09. Rita, mir zwei

10. Wat, user Rock’n’Roll?

11. Allerletzte Chance

12. Nemm mich met

13. Verdamp lang her

14. Jede Draum jedräump

15. Jupp

16. Arsch huh, Zäng ussenander

17. Mayday!

18. Leechterkette Locke

19. Novembermorje

20. Ahn ’ner Leitplank

21. Miss Samantha’s Exklusiv-Discount-Jeschenkboutik

22. Ruut wieß blau querjestreifte Frau

23. Ewije Affhängerei

24. Maat et joot

25. Vill passiert sickher

26. Hungry Heart

27. Hück ess sing Band en der Stadt

28. Et letzte Leed

29. Helfe kann dir keiner



Extras:

30. Interview 1999

31. Rockpalast-Trailer


Rockpalast: Musical Dome (22.11.1999)


Cover - Rockpalast: Musical Dome (22.11.1999) Band:

BAP


Genre: Rock
Tracks: 28
Länge: 208:0 ()
Label: EMI Music
Vertrieb: EMI Music