Was soll man über eine Band wie ANNIHILATOR schreiben, was nicht schon längst geschrieben worden ist? Sie sind der erfolgreichste kanadische Export im Bereich Heavy Metal und Thrash. Musikalisch platzieren sie sich wohl genau dazwischen – ich persönlich verorte die Combo nicht im Thrash. Mit legendären Werken wie "Alice In Hell“ und dem alles überstrahlenden "Never, Neverland“ haben sie sich Denkmale für die Ewigkeit gesetzt. Coburn Pharr, der Sänger auf "Never, Neverland“, ist übrigens Anfang dieses Jahres im Alter von 62 Jahren verstorben – R.I.P.
Nach diversen Personalrotationen entschied Jeff Waters, alle Positionen bis auf das Schlagzeug, das von Randy Black gespielt wurde, selbst zu besetzen. Es war so eine Art Comeback, als das Album "King Of The Kill“ 1994 erschien – just zu einer Zeit, als der Metal kaum noch einen Fuß auf den Boden brachte.
"King Of The Kill“ knüpft genau dort an, wo "Never, Neverland“ aufgehört hatte. Die Platte hat keinen Ausfall, und es ist diese Symbiose zwischen harten und ruhigeren Passagen, die das Output zu etwas überaus Besonderem macht. Songs wie "21“, "Second To None“, "Speed“ und der Titeltrack haben nicht nur richtig Schmackes, sondern entfalten sich auch als wahre Groove-Perlen. "Bad Child“ und vor allem das starke "In The Blood“ unterstreichen die Vielseitigkeit von Waters, dem man auch die ruhigeren Stücke abnimmt. Überdies wurde die ursprüngliche Reihenfolge der Titel verändert.
"Refresh The Demon“ (1996) haut stilistisch in die gleiche Kerbe wie der Vorgänger, die Hitdichte ist allerdings lange nicht so hoch. "Ultraparanoia“, "Syn. Kill“, der Titeltrack und das progressive "A Man Called Nothing“ überstrahlen den Rest. Letzterer ist allein den Kauf der Scheibe wert.
Auf "Remains“ verfolgt der nun vollständig solo agierende Jeff Waters (die Drums kommen vom Computer) einen etwas anderen Ansatz. Es ist die Zeit, in der sich der New- und Industrialmetal breit zu machen begannen, und ich habe den Eindruck, dass diese Stilrichtungen Jeff etwas beeinflusst haben. Jeff selbst sagt heute, dass diese CD ein Experiment war und er im Nachhinein bedauert, sie ohne einen echten Schlagzeuger aufgenommen zu haben. Zweifellos sind auf diesem Output überragende Songs enthalten. Auf Tracks wie "Murder“, "Sexecution“ und dem Einstieg "Tricks And Traps“ zeigt Mr. Waters, was er an der Klampfe alles draufhat. An dieser Stelle muss ich für den Gitarrengott Jeff Waters unbedingt eine Lanze brechen. In letzter Zeit sind mir einige Rankings begegnet, in denen die Gitarrenhelden der letzten 50 Jahre gefeiert wurden und nie war der Kanadier dabei - zu Unrecht, wie ich finde!
Nun komme ich zur vierten CD, bei der ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Das Ding nennt sich "More Noise Vol. 1“, und der Name ist in diesem Fall leider zum Teil Programm. Neben den Bonustracks, die zu den oben genannten Alben gehören, befindet sich darauf außerdem diverses Demomaterial, wie z.B. "Slates“, zu dem vermutlich nur der eingefleischte Anhänger Zugang findet. "King Of The Kill“ enthält bereits sechs Bonussongs – "Jeff Demos“ –, die anderen beiden haben keinen einzigen. So stellt sich mir die Frage, warum man die zugehörigen Zugaben nicht gleich mit auf die CDs gepackt hat.
Nichtsdestotrotz sind auch hier ein paar nette Nummern am Start, wie z.B. die beiden Balladen "Only Be Lonely“ (King Of The Kill – Bonus) und "It’s You“ (Remains – Bonus). Die Liveversion von "The Box“ und das AC/DC-Cover "Riff Raff“ (Refresh The Demon – Bonus) gefallen mir persönlich noch am besten.
Die Ausstattung der ersten drei CDs ist recht gut. Das Digipack enthält jeweils ein Booklet mit einer Einführung vom Musikjournalisten Alex Milas, sämtliche Texte und ein paar Fotos von Jeff Waters. Im Digipack selbst sind auf der Innenseite die Linernotes von Jeff abgedruckt. "More Noise Vol. 1“ hingegen hat kein Booklet, und auch sonst sind dort nur die Titel zu lesen.
Wiederveröffentlichungen von 1994 - 1997 + Bonus-CD

Annihilator
Genre: Heavy Metal
Tracks: 52
Länge: 226:42 (CD)
Label: EarMusic
Vertrieb: Edel