Band:

Incubus

BiografieDrei Jahren ist es nun her, dass Incubus mit "Drive”, einem ihrer eingängigsten Songs, ein Nummer-Eins-Hit in den "US Modern Rock Charts" gelang. Kurze Zeit später tauchte die Single sogar in den oberen Regionen der Top 40 der Billboard Charts auf. Nun endlich kann den eingeschworenen Fans der Band die Sorge genommen werden, dass sich der Incubus-Sound angesichts des kommerziellen Erfolges grundlegend geändert haben könnte. Denn: Auch das neue Album "A Crow Left Of The Murder” kickt wie ein störrisches Muli.




Bereits die erste Single-Auskopplung "Megalomaniac" bestätigt die ungebrochene Affinität zu harter, kompromissloser Rockmusik - seit jeher der Schlüssel zum Incubus-Sound. Nach virtuosem Aufbau instrumentaler Spannung entfesselt der Song ein Riff-Monster, das aus den Tiefen des Meeres emporsteigt, Feuer speit und ganz Tokyo in Schutt und Asche legt. Von Zeit zu Zeit wird der Soundorkan von sparsam instrumentierten Strophen unterbrochen, bevor wieder wütenden Zornestiraden aus Sänger Brandon Boyd hervorbrechen: "Hey megalomaniac, you’re no Jesus/ Yeah, you’re no fucking Elvis/ Wash your hands clean of yourself baby/ And step down, step down, step down.”




Das Video zu "Megalomaniac” wurde von der gefeierten Regisseurin Floria Sigismondi (u.a. Björk, Sigur Ros, Marylin Manson, David Bowie) inszeniert und unterstreicht das politische Protestpotenzial des Songs. Doch dabei lässt sich auf "A Crow Left Of The Murder" - wie überall - das Politische kaum vom Persönlichen trennen. Bei "Pistola" z.B., einem weiteren heftigen Stück (und "Lollapalooza"-Live-Favorit), erklärt Boyd freimütig: "My pen is a pistola … a patriot’s weapon of choice". Auch "Talk Shows On Mute”, das George Orwells Schreckensvision des Klassikers "1984” heraufbeschwört, als auch "Made For T.V. Movie”, ein musikalischer Flirt der Beatles mit Alice In Chains, sparen nicht mit bissigen Kommentaren zur aktuellen Lage der Gesellschaft. Songs wie "Agoraphobia”, das in einem großartigen Pop-Refrain gipfelt, und das treibende "Leech" sind dagegen Boyds vertraute Grübeleien zum Thema "Zwischenmenschliches".




Angesichts des zornigen Gesamteindrucks bzw. -sounds von "A Crow Left Of The Murder" besteht kein Zweifel, dass Boyd - ansonsten ein gern genommenes Vorbild an Positivität - ganz schön angefressen ist. Und es ist beileibe nicht nur der Krieg, die allgemeine Ungerechtigkeit in der Welt und die Unmenschlichkeit zwischen den Menschen, die ihm schlechte Laune machen. So gibt der Duktus von "Priceless", eine Hookline-schwere Anklage des Materialismus (hierin "Zee Deveel" genannt), einen Hinweis über den Ursprung seiner Erbitterung: Sechs Jahre Musikbusiness sind für eine Band wie Incubus schließlich lang genug, um eine ordentliche Portion Ernüchterung und Frust abbekommen zu haben.




Man kann davon auszugehen, dass Boyd, Einziger, Schlagzeuger Jose Pasillas und Ur-Bassist Dirk Lance (Ben Kennedy stieß 2003 hinzu, als Lance ging) bei der Bandgründung 1991 an der Highschool im "San Fernando Valley"-Ausläufer Calabasas die allgemeinen Begehrlichkeiten des Rockstartums noch als durchaus erstrebenswert empfanden. Doch nun, nachdem die Band ausreichend in den Genuss aller Vorzüge gekommen ist, scheint sich ein erhöhtes Ich-Bewusstsein der eigenen Position - und deren Gefahren - zu manifestieren.




Immerhin wurden Boyd und Kollegen mit Doppel-Platin-Platten für ihr 1999er-Album "Make Yourself” (von dem u.a. der ihr Top-Ten-Breakthrough-Hit "Pardon Me", der Airplay-Favourit "Stellar" und das eingangs erwähnte "Drive" stammen) und das 2001er-Album "Morning View" (das auf Platz zwei der "Billboard 200" chartete und Radio-Singles wie "I Wish You Were Here" (Platz 2), "Warning" (Platz 3) und "Nice To Know You" (Platz 9) enthielt) ausgezeichnet. Außerdem ist Incubus einer der wenigen Acts, der von sich behaupten kann, sowohl mit dem "Ozzfest" als auch mit "Family Values" und Mobys "Area One" durch die USA getourt zu sein - auf Du und Du mit dem einen oder anderen geschätzten Kollegen und einer Handvoll von Jugendidolen. Darüber hinaus hat es die Band geschafft, mehr als ein Jahrzehnt lang interessant zu bleiben und von Kritikern für ihre unzähmbare Experimentierfreude gefeiert zu werden, die neben den melodischen Crowd-Pleasern stets ihren Platz im Incubus-Oeuvre behauptet. Und dennoch ist die Welt nach wie vor ein verdammt lausiger Ort: Diejenigen, die sich einst "keep it real" auf die Fahnen schrieben, halten sich am wenigsten daran.




Incubus waren nie eine musikalisch eindimensionale Band, und Boyd war nie ein Songschreiber, der sich damit zufrieden gab, lediglich eine einzige Stimmungslage zu vermitteln. Trotz aller Wut ist "A Crow Left Of The Murder" durchwirkt von einem Gefühl der Katharsis und des Triumphs. "Yeah, I’m down, but not out/ And far from done”, verspricht Boyd in "Beware! Criminal”. Und das Album hat auch seine zarten Momente. "Here In My Room" ist eine hübsche, gedämpfte Ballade, auf der Boyd uns anvertraut: "If the world were to fall apart/ In a fiction-worthy wind/ I wouldn’t change a thing/ Now that you’re here/ Love is a verb/ Here in my room”; auf "Smile Lines” schimpft er, "High school never ends”; und "Southern Girl” vermittelt die Unbekümmertheit junger Liebe - der Sänger erklärt dem Objekt seiner Zuneigung: "Look no further/ I am yours.”




Mit "A Crow Left Of The Murder" erreicht Brandon Boyd ungeahnte Sphären gesanglicher Fertigkeit. Natürlich gibt es auch hier wieder die charakteristische, synkopierte Phrasierung - denn ganz offensichtlich schlägt nach wie vor das Herz eines "Beatpoeten" in ihm - doch findet sich auf "Crow" weit weniger Sprechgesang als zuvor. Anstatt dessen setzt Boyd zu Falsett-Höhenflügen an und unterstreicht mit entwaffnend virtuosen Exkursionen geschickt seine beeindruckende Gesangsperformance.




Bassist Ben Kennedy, der sich während seiner langjährigen Mitgliedschaft bei den Roots immer danach sehnte zu rocken, ist auf "Crow" endlich in seinem Element. Das donnernde "Megalomaniac" trägt am deutlichsten seine Handschrift, aber auch "Pistola", "Smile Lines" und das epische Thrash-o-Rama "Sick, Sad Little World" - auf dem auch Einziger virtuos glänzt und mit einem langen, ausführlichen Solo Hendrix zur Ehre gereicht. Dieser Track versinnbildlicht die furchtlose kreative Energie, den beneidenswerten Sinn für Dynamik und den Eklektizismus, der Incubus während der ganzen 58-und-ein-paar-Zerquetschte Minuten von "A Crow Left Of The Murder" auszeichnet: Es gibt einen Dub-Breakdown, eine Wah-Wah-Gitarre, die durch einen Leslie-Lautsprecher-Kabinett gespielt wird, ein Jungle-Interlude, bei dem die Snare und das Hi-Hat grooven wie ganz Memphis; vertracktes Jazz-Drumming und schließlich noch Einzigers fantastisch abgedrehte Gitarrenarbeit.




Auf den rechten Weg gebracht wurde die ungezügelte Kreativität der Band von Produzent Brendan O’Brien (Pearl Jam, Springsteen, Thorns u.a.), der die Faszination der Musiker für Distortion, Beeps, Boinks und andere ausgewählte Roboter-Geräusche, endgültig auf "elf" hochschraubte. Das bedeutet natürlich nicht, dass "Crow" klingt, als sei es in der Fabrik entstanden, in der Roboter hergestellt werden, immerhin mindert der Cello-Part auf "Here In My Room", der von Incubus-Kollege Suzy Katayama instrumentiert wurde, diesen Eindruck, unterstützt von einigen organischen Elementen auf der gesamten Platte, wie Tambourine und Handclaps, diesen Eindruck. Der Klangstrukturteppich ist durchsetzt von einem scheinbar endlosen Aufgebot an aufwallenden Gitarren, explosivem Schlagzeug, fetten Basslines, solidem, gemeinschaftlichem Songhandwerk und Boyds eindringlichem Gesang. Es ist ganz eindeutig Incubus - nur noch viel mehr davon.




Manch einer wird die Intensität von "A Crow Left Of The Murder” als eine musikalische Antwort zu dem milden Vibe von "Drive” interpretieren. Andere werden die neuerliche Härte der Band in Betracht ziehen, die eine Reaktion auf das gemischte Allerlei namens "Rockstardasein" ist. Aber die eingeschworenen Fans wird das alles kaum jucken; sie werden ganz einfach glücklich sein, dass ihre Helden nach wir vor jene postmodernen Headbanger-Tunes ´raushauen, die sie ursprünglich vor all den Jahren zu eingeschworenen Fans machte.




Brandon Boyd - Gesang/Percussion
Mike Einziger - Gitarre
Ben Kenney - Bass
Jose Pasillas - Schlagzeug
DJ Kilmore - Turntables

Quelle: http://www.hardplace.de/incubusDiscografie"Enjoy Incubus” (1997)


”S.C.I.E.N.C.E.” (1997)



”Make Yourself” (1999)



”Fungus Amongus” (2000)



”Morning View” (2001)



"A Crow Left A The Murder” (2004) www

Reviews

Morning View - Cover
Nach dem ersten Durchlauf war ich doch recht skeptisch. Die dritte Scheibe der fünf Jungs aus Kalifornien hatte sich nicht wie erwartet sofort in die Gehörgänge gefräst.
TIPP
The Essential - Cover
Sony veröffentlichen in ihrer „Best Of“-Serie „The Essential“ nun mit den Alternativ-Chartern INCUBUS einen weiteren Chartbreaker aus den Staaten.