PROPHECY FEST 2025

Vom 11. bis 13. September verwandelte sich die legendäre BALVER HÖHLE im Sauerland wieder in einen Ort voller Mystik, Emotionen und musikalischer Intensität.
Es war höchste Zeit, das PROPHECY FEST zu besuchen. Schon seit einigen Jahren beobachte ich das Festival als stiller Betrachter aus der Ferne mit einer gewissen Faszination wegen der beeindruckenden Location und natürlich aufgrund der Bandauswahl. PROPHECY zeigt auch als Musiklabel immer wieder Diversität und hat Bands aus Genres wie Black und Doom Metal, Dark Wave, naturverbundene Folkmucke, Avantgarde-Klänge oder psychedelische Akustikmusik am Start. Seit 2015 gibt es das Label-eigene Festival in Balve: in einer sagenumwobenen Höhle, ländlich gelegen im Sauerland in NRW. Ein sehr spezieller und geeigneter Austragungsort, zu dem dieses Jahr rund 1000 Besucher pilgern. Wir reisen am Freitag an, am Vorabend gab es bereits Akustik-Auftritte auf dem Außengelände. Unterhalb der Höhle liegt das kleine Campinggelände, wo man bequem sein Zelt oder seinen Camper positionieren kann. Am späteren Abend treffen sich hier einige Festivalgäste an der Feuerschale zu Gitarrenklängen. Gröl - und Saufstimmung, Zigaretten- und Energydrink-Werbung? Fehlanzeige!
Wir kaufen Wertmarken und nach einem Kaltgetränkt (Grevensteiner Landbier, herrlich) geht’s ab in die Höhle, wo gerade die letzten Klänge der ersten Band des Tages KALL erklingen. Die ehemaligen Mitglieder der schwedischen Kultformation LIFELOVER werden aber morgen Abend bei einem weiteren Auftritt originales LIFELOVER-Material performen.
Im Anschluss steht ANTIMATTER auf der Bühne (die sich direkt hinter dem Höhleneingang befindet). Im hinteren Bereich der Höhlung sind Merch-Stände, ein Tisch für Autogrammstunden, ein Getränkestand und eine kleine Nebenbühne. Gegründet wurde ANTIMATTER 1997 von Mick Moss und Ex-ANATHEMA-Musiker Duncan Patterson. Besonders die fragile Stimme von Moss legt sich wie ein schwerer Schleier über die dezent beleuchtete Höhle. Das etwas ältere „Saviour“ zündet ebenso, wie das DEAD CAN DANCE-Cover „Black Sun“. Ein guter Auftritt der Briten, geprägt von stilvoller Melancholie.
Es folgt DARKHER, das Projekt von Britin Jayn MaudhIit, mit ihrer Mischung aus Doom, Folk und verträumten Klanglandschaften. Mit den langen offenen Haaren und dem weiten weißen Kleid, erinnert sie mich an die von Jodie Foster gespielte Rolle einer jungen Frau Namens Nell, die in der Natur aufgewachsen ist; im gleichnamigen Film von 1994. Der Auftritt von DARKHER erscheint sphärisch, aber auch intim-verletzlich und voller Intensität.
Nicht viel später erscheinen THE VISION BLEAK. Das deutsche Duo um Tobias Schönemann (Allen B. Konstanz) und Schwadorf (Marcus Stock) ist bekannt für seinen „Horror Metal“. Mit theatralischer Bühnenpräsenz, düsteren Geschichten und bombastischen Arrangements wurde die Balver Höhle zum Schauplatz einer musikalischen Geisterstunde um 20 Uhr.
Es folgt MYRKUR: Dem Projekt der dänischen Musikerin Amalie Bruun mit feinen Elementen von Black Metal, nordischem Folk und sakralen Gesängen begeistert das Publikum. Das abertausend Jahre alte Gestein wird in kühles Licht getaucht. Ihre mystische Musik und die Atmosphäre hier vor Ort ergibt eine interessante geheimvoll behaglich-spirituelle Stimmung.
Den Abschluss des Freitags markieren ENSLAVED aus Norwegen, Pioniere des progressiven Black Metal. Seit den frühen 1990er Jahren prägt die Band um Ivan Byornson und Grutle Kjellson die Szene und verbindet auch in Balve epische Songstrukturen mit brachialer Härte. ENSLAVED spielen kein normales Set, sondern geben heute Abend die EP „Hordanes Land“ zum Besten. Wir machen eine Zeitreise in eine Band-Epoche, in der ENSLAVED viel roher und räudiger klangen. Die Scheibe wurde 1993 von Candlelight Records auf LP und als Split-CD mit EMPERORs erster EP „Emperor“ veröffentlicht. Grutle und Co. entern zu „Slaget i skogen bortenfor“ die Bühne, welches für mich bereits das Highlight der EP darstellt. Weiter geht’s mit „Allfǫðr Oðinn“ und „Balfǫr“. ENSLAVED waren anders als viele damalige Genrekollegen bereits komplexer und ausgefeilter. 1994 wurde das Debütalbum „Vikingligr Veldi“ veröffentlicht: ein feiner Hassbatzen des Pagan Metals, von der die Norweger heute Abend „Miðgarðs eldar“ zocken. Es folgen „Fenris“ vom Album "Frost" (auch 1994) und „793 (Slaget om Lindisfarne)“ („Eld 1997). Ein würdiger Headliner für die erste Festivalhälfte. Jetzt bin ich angefixt und hätte nichts gegen ein zweites Set am Folgetag mit Material wie „Ruun“, „Ethica Odini“ und „Homebound“. Aber man kann nicht alles haben. Zudem gibt’s noch viele weitere gute Auftritte beim PROPHECY zu erleben.
Den Samstag eröffneten DORNENREICH mit einem beinahe andächtigen Akustik-Konzert. Wegen gesundheitlicher Probleme des Drummers Gilvan musste das Metal-Set der Österreicher abgesagt werden. Eviga und Inve spielen aber trotzdem, wie geplant, ihre akustische Show. In reduzierter Form mit sanftem Streicher-Klang wirkt die Performance eindringlich. Wie bei allen Konzerten des Wochenendes, sorgt die Höhle für echtes Klangerlebnis. Der Sound in der Höhle entfaltet sich wie Weihrauch in einer Kathedrale – weit, ehrfürchtig und getragen. Der Klang ähnelt wirklich an eine Kirche, eine große Natur- Sakralkammer oder steingewordene Basilika.
Ebenso wie DORNENREICH, spielt auch DARKHER ein melancholisches Akustik-Set. Gut vorgetragen, jedoch wird es langsam Zeit für metallischere Klänge. Jürgen Bartsch verstarb am 27. August 2025 nach schwerer Krankheit. BETHLEHEM gelten als Wegbereiter des Genres „Depressive Suicidal Black Metal“ und Bartschs Rolle als Gründer und kreativer Motor der Band war zentral. Mehrere Bands, sowie ein Filmbeitrag vor dem Konzert von IMHA TARIKAT gedenken ihm.
IMHA TARIKAT bringen nun genau das, was ich eben noch ein wenig vermisste: rohe Energie und kompromisslosen Black Metal. Die Truppe agiert rasend und intensiv, ein echtes Highlight! IMHA TARIKAT entstand 2015 als Projekt des Musikers Kerem Yilmaz alias Ruhsuz Cellât und hat sich zu einer der spannendsten Bands der Black Metal-Szene gemausert. Das Publikum spürt einen guten Spirit innerhalb der Truppe, die sich gerne zwischen den Songs umarmt. Die deutschen Black Metal-Jünglinge veröffentlichten ihr viertes Album "Confessing Darkness".
Mit SOROR DOLOROSA folgt eine französische Band, die Darkwave, Post-Punk und Gothic Rock verbindet. Ihre Musik ist in der Tradition von Bands wie THE CURE oder FIELDS OF THE NEPHILIM verwurzelt und bringt 80er-Spirit in die Höhle. Sänger Andy Julia posiert voller Theatralik mit sehr tief sitzender Hose; im Fotograben hört man seine Gürtel und Ketten klimpern. Im ersten Moment dachte ich, es steht Bret Hart (Wrestling) auf der Showbühne. Die Melodie von Tracks wie „Tear it up“ geht voll ins Ohr und bleibt im Gedächtnis.
Was ereignet sich nun zwischen massiven Felswänden, voller Schatten und Kühle: Eine besondere Überraschung bieten KALL mit ihrer zweiten Performance. Diesmal widme sich die Band ausschließlich dem Werk von LIFELOVER. 2025 wäre das 20. Jubiläumsjahr des legendären Depressive Black Metal-Acts aus Stockholm gewesen. Songs wie „Cancertid“ oder „Narcotic Devotion“ wurden von den Fans frenetisch gefeiert – ein emotionales Vermächtnis, das so nur von den Originalmusikern transportiert werden kann. Sänger Kim Carlsson tänzelt eigensinnig in weißem Hemd auf der Bühne. Man kennt den schmächtigen Frontmann, der das Material ausdrucksstark vorträgt, auch aus Kombos wie RITUALMORD oder HYPOTHERMIA. Als das PROPHECY FEST ankündigte, dass KALL ein Set mit Songs von LIFELOVER spielen wird, zeigte dies eine Art eigene Anerkennung des „Erbes“ als Nachfolgeband. Das Publikum dankt es ihnen und lässt die Matten kreisen.
Um 20 Uhr spielen auf der kleinen Bühne im Seitenarm der Balver Höhle die Bonner Könige der Grobschlächtigkeit: VALBORG. Drums hämmern und primitive harte Riffs werden dem Publikum entgegengeschmettert. „Ave Maria“, „Beerdigungsmaschine“, „Asbach“ – ein Kracher nach dem anderen. Fetter Doom Sludge für echte Kenner!
Bei GRÀB, der oberbayrischen Black Metal‑Band um Sänger Grant, ist nicht nur ein Konzert angekündigt, sondern auch ein Abschied. Die Bühne ist schlicht gehalten und in blaues Licht getaucht. Die Gesichter der Musiker von GRAB sind nicht zu erkennen, auf die entsprechende Beleuchtung wurde verzichtet. Schon der erste Song zieht das Publikum tief in eine Klangwelt von Alpenhimmel, Einsamkeit und frostiger Landschaft. Der Gesang wechselt zwischen schrillem Schreien und gezogenen Growls, Gesang und gesprochenen Passagen. Matthias „Grànt“ Jell war früher Sänger bei DARK FORTRESS und gründete 2015 GRAB. Er beendet seine 30-Jährige Musikerkarriere wegen gesundheitlichen Schwierigkeiten.
Mit ARTHUR BROWN tritt anschließend eine absolute Legende auf. Der britische Musiker, seit den 1960er Jahren als „God of Hellfire“ bekannt, steht für Psychedelic Rock und exzentrische Bühnenauftritte. Auch mit über 80 Jahren ist seine Präsenz ungebrochen – ein weiterer Höhepunkt. Wenn er die Bühne betritt, verändert sich Stimmung: Zeit für Show-Kunst voller Theater. ARTHUR BROWN ist eine verrückte Gestalt, die sein extravagantes Bühnenoutfit stetig wechselt. Alle Musiker sind verkleidet, auf der Bühne sind Pflanzen und Schaufensterpuppen zu sehen. Zum Welthit „Fire“ darf sein brennender Hut nicht fehlen, wobei sich Brown in der Vergangenheit schon Haarbüschel verschmorte. Heute scheint der fiese Haarbrand auszubleiben. Man kann den Engländer durchaus als einen Vorläufer von ALICE COOPER und MARYLIN MANSON bezeichnen, die sich ähnlicher Showelemente bedienen. Von KALL und GRAB über ARTHUR BROWN hin zu MOONSPELL, hier zeigt stilistische Bandbreite!
MOONSPELL aus Portugal schlossen das Festival würdig ab. Seit den frühen 1990ern prägt die Band um Fernando Ribeiro den Gothic und Dark Metal. In der BALVER HÖHLE entfalteten ihre Klassiker wie „Opium“ und „Alma Mater“ ihre Wirkung und lassen die Festivalbesucher von den 90ern träumen. MOONSPELL spielen heute die komplette „Wolfheart“, inklusive des herrlich kitschigen „Vampiria“. Die Band ist gut aufgelegt und geht motiviert zur Sache. Im Anschluss werden sogar noch Songs von der „Irreligious“ performt.
Von intimen Akustik-Momenten über avantgardistische Experimente bis hin zu legendären Headlinern – das Festival bot eine emotionale Reise durch die Abgründe und Höhen der dunklen Musik mit sorgsam kuratierter Auswahl an Bands.
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Copyright © Erik Bosbach: text and photos
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