Wer dachte, dass die Reunion von HELLOWEEN ein Event mit kurzer Halbwertszeit werden würde, dürfte sich mittlerweile eines Besseren belehrt sehen. Seit 7 Jahren rollt der Kürbis wieder durch die Charts und die großen Hallen weltweit. Alte Streitereien gehören der Vergangenheit an und neue Bande wurden geknüpft. Besonders gut scheint die Chemie zwischen den beiden Hauptfrontmännern Andi Deris und Michael Kiske sein und dass ist im von sensiblen Charakteren geprägten Musikbusiness sicher nicht an der Tagesordnung.
Bis auf Drummer Dani Löble und Michael Kiske („Das Zeug, was ich schreibe, passt nicht zu Helloween“) teilen sich die restlichen Mitglieder das Songwriting untereinander auf, was dazu führt, dass auch „Giants & Monster“ sehr bunt daherkommt und sowohl gekonnt mit der eigenen Vergangenheit kokettiert, als auch einige frische und neue Ideen in den Kanon einfließen lässt. Das fängt beim abwechslungsreichen Opener „Giants On The Run“ an, welcher klassische und speedy HELLOWEEN Sounds mit ruhigen Strophen verbindet, Toller Song und mutiger Opener. Klingt tatsächlich so, was man sich von einer Deris / Hansen Songwriting Kollaboration erhoffen darf. „Saviour Of The World“ ist Weikath pur. Keiner vermag speedigen Power Metal so cool und gleichzeitig entspannt in Szene zu setzen wie der Ruhepol mit der Schnodderschnauze. Kiskes Gesang ist das Sahnehäubchen und es werden tatsächlich Keeper Erinnerungen wach. Dann der Sprung auf die andere Seite des HELLOWEEN Universums. „A Little Is A Little Too Much“ ist sowohl die 2te Single als auch eine super eingängige, poppige Mid-Tempo Nummer mit Ohrwurmchorus aus der Feder von Deris. Danach zeigt der God of Melodic Speed Metal wer diese Musik quasi erfunden hat: Der Hansen Song „We Can Be Gods“ präsentiert Kiske und Hansen am Mikro und ist Hamburger Schule durch und durch. Das macht Spaß und zaubert dem langjährigen HELLOWEEN Fan, welche diese Zeilen schreibt, sofort ein Grinsen ins Gesicht.
Kurzer Exkurs zum Thema Sound. Ja, das klingt nicht wie 1988. Hätte aber auch nur Sinn gemacht, wenn man eine reine Retroplatte produziert hätte. Hat man aber nicht. HELLOWEEN sind immer noch hungrig und verlangen von sich den Spagat zwischen reinem Fan Service und künstlerischer Integrität. Und So klingt „Giants & Monsters“ in meinen Ohren zwar zeitgemäß, aber nicht totproduziert.
Zurück zur Platte. Die Ballade kommt wieder einmal aus der Feder von Andi Deris und ist in der Album Version ein Duett von Kiske und Deris. Folgendes fällt übrigens im Vergleich zum Vorgänger auf: die einzelnen Gesangsperformances sind viel besser ineinander verwoben und lassen so ein homogeneres Gesamtbild entstehen. Und gerade bei der Ballade „Into The Sun“ kann man das sehr schön sehen, da sie in der limiterten Version auch in einer Michi oder Andi Solo Version zu hören ist und die Duett-Version ist tatsächlich die beste. Zwar ein wenig schwülstig im Refrain, aber damit kann ich leben. Die erste Single „This Is Tokyo“ ist eine weitere Deris Mid-Tempo Komposition, welche tatsächlich Erinnerungen an seine alte Band PINK CREAM 69 wachruft. A propos PINKIES, deren Bassist Dennis Ward war neben Haus und Hof Produzent Charlie Bauernfeind auch wieder hinter dem Mischpult tätig. Dann wird es spannend, denn es folgen zwei Nummern aus der Feder von Sascha Gerstner. Die Erste „Universe (Gravity For Hearts)“ ist eine ganz klassische und urtypische HELLOWEEN Up-Tempo Nummer mit Überlänge. Da jauchzt die Fanseele. Das anschließende „Hand Of God“ ist das genau Gegenteil. Sehr untypisch, rhythmisch leicht verschleppt, mit poppig, elektronischen Versatzstücken und einem sehr ungewöhnlichen Chorus, lässt „Hand Of God“ die Augenbrauen nach oben gehen. HELLOWEEN können also auch nach über 40 Jahren noch überraschen. Mit „Under The Moonlight“ offeriert uns Weikath noch den Happy Song der „Dr. Stein“, „Living Ain’t No Crime“ oder „Mrs. God“ Kategorie. Zwar kein Klassiker, macht am Ende aber trotzdem gute Laune. Den Abschluss bildet das 8-Minütige „Majestic“ von Hansen. Moment mal: Hansen, „Majestic“ da war doch mal was? Richtig. Dieser Song war ursprünglich für das gleichnamige GAMMA RAY Album gedacht, damals aber nicht fertiggestellt worden. Während des kreativen Prozesses für „Giants & Monsters“ fiel er Hansen wieder in die Hände und nun küsste ihn die Muse, so dass dieser epische Song doch noch das Licht der Welt erblickt und „Giants & Monsters“ würdig beschließt. Es sei denn man entscheidet sich für eine der limitierten Editionen, denn dann darf auch Bassist Markus Großkopf seine Songwriting Skills unter Beweis stellen. „Out Of Control“ ist eine knackige und reinrassige Heavy Metal Nummer, die mich nicht nur wegen Kais Vocals kurioserweise an GAMMA RAY erinnert und eigentlich zu schade ist, um das Leben als Bonustrack zu fristen.
Wie schon beim letzten Mal habe ich relativ viel geschrieben, was eher nicht so meine Art ist, ich habe aber das Gefühl dem Umstand gerecht werden zu müssen, dass HELLOWEEN sich die Mühe machen nicht nur jeden ihrer Fans mitzunehmen, sondern sich selbst auch nach all den Jahren noch was beweisen zu wollen. Tolle Scheibe, die den Status von HELLOWEEN vollauf gerechtfertigt.
Giants & Monsters

HELLOWEEN
Genre: Power Metal
Tracks: 11
Länge: 65:17 (CD)
Label: Reigning Phoenix Music
Vertrieb: Warner