Review:

Obsidian

(PARADISE LOST)

TIPP

32 Jahre beglücken uns PARADISE LOST nun mit ihrer Musik, und irgendwie scheinen die Engländer nicht müde zu werden. Natürlich hat sich die Musik von PARADISE LOST in einer solchen Zeitspanne gewandelt, und von Großwerken wie „Lost Paradise“ und „Gothic“ ist nicht mehr viel übrig, obwohl man noch immer den ureigenen Stil der Band auch auf „Obsidian“ an einigen Stellen erahnen kann. Die Leidenschaft und die Affinität zu einer düsteren Atmosphäre sind trotz aller musikalischen Wandlungen immer die gleichen geblieben. Obisidian… dunkel, düster, schwarz… In den letzten Jahren lief es gut für PARADISE LOST, und man konnte auf verschiedenen Festivals auf den begehrten letzten Rängen spielen, was einer stetig gewachsenen Fanbase geschuldet ist. Und wie schlägt sich jetzt Album Nummer 16, „Obsidian“,  der METALLICAs des Gothic Metals?

Kommen wir also zur Musik und daher zum neuen Album, welches grandios mit dem Track „Darker Thoughts“ beginnt. Nick Holmes´ Stimme wird von einer cleanen Gitarre und einer Geige umschmeichelt. Eine wirklich tolle Stimmung wird aufgebaut um sich dann zu entladen. Holmes´ Stimme verwandelt sich in dominante Growls, und die Gitarren zaubern das typische PARADISE LOST-Feeling aus den Ärmeln. Ein genialer Auftakt für das Album, und ich garantiere eine Aufnahme in die Live-Setlist in den nächsten Jahren. Mit einem Klassiker zu beginnen kann natürlich für den Rest der Songs und des Albums gefährlich werden. „Fall From Grace“ kann aber das Level halten. Und das spielend! Ein typischer Song der Engländer, der auch auf „Shades Of God“ hätte stehen können. Ein toller Refrain, der leicht nach METALLICA auf Doom klingt. Gitarrist Mackintosh macht das, was er am Besten kann und kreiert eigene Riff-Welten und begeistert mit seinen Soli und Leads, die man wahrscheinlich unter tausend Bands raushören kann. Ok, Song Nummer Zwei sauber und bravourös abgeliefert, und auch ein kleiner Part, welcher an seelige „Gothic“-Zeiten erinnert, lässt das Herz mächtig hochschlagen.

Wer denkt, das geht jetzt so weiter, der liegt komplett falsch. Mit „Ghosts“ frönen die Engländer massiv ihrem Faible für den Gothic-Rock der achtziger Jahre. Man muss den Namen SISTERS OF MERCY in den Mund nehmen, und wenn Holmes „for Jesus Christ…“ ins Mikrofon singt, werden leichte Erinnerungen an Peter Steele und TYPE O NEGATIVE wach. Klingt gut? Ja, aber nach den ersten zwei Songs irgendwie unpassend im Gesamtkontext. Das hat aber nicht mit den Qualitäten des Songs zu tun, diese bleibt unbestritten sehr hoch, aber man hatte sich nach den ersten Songs irgendwie anders musikalisch vor der Stereoanlage eingerichtet.

„The Devils Embrace“ schlägt erstmal ruhige Piano-Klänge an um dann die fetten Gitarren so richtig zur Geltung kommen zu lassen. Holmes schaltet sich mit beschwörendem Gesang ein, der wieder mal ein wenig an James Hetfield erinnert, bis Holmes es nicht mehr aushält und die Growls aus dem Keller holt. Hier spielen sich die Musiker die Karten gegenseitig zu und können so gar nichts falsch machen. Das sind PARADISE LOST in Hochform, welches auch Drummer Väyrynen merkt und den Song mit druckvollem Spiel eindrucksvoll über die Runden bringt. Wir sammeln noch mehr Bonuspunkte und haben schon jetzt drei Volltreffer und einen sehr guten Song, der eigentlich nicht in die Wertung gehört.

„Forsaken“ beginnt wie ein Song von der Platte „Cyberpunk“ von Billy Idol und doomt sich mit tragenden Gitarren langsam ein. Sehr eingängig gestaltet und fast nicht sperrig genug. Es fehlt hier ein wenig die gewohnte Kauzigkeit, und mit eingestreuten Keyboards wirkt „Forsaken“ ein wenig zu glattgebügelt. Klar, ein guter Song, aber das vorgelegte Niveau konnte ja auch nicht auf Dauer haltbar sein. „Serenity“ beginnt mit überzeugenden Lead-Gitarren. Und trotz massivem Doom-Einschlag geht man sehr direkt zu Werke. Holmes holt aus seiner Stimme Töne, die man eigentlich aus der Anfangsphase der Band gewohnt war. Klingt alles in sich sehr stimmig und gut durchdacht, aber es fehlt ein klein wenig Eingängigkeit. Im Mittelpart trumpfen die typischen Lead-Gitarren auf, die PARADISE LOST so einzigartig machen. Insgesamt ein wirklich guter Song.

„Ending Days“ beginnt wie der Name vermuten lässt - langsam, traurig und verzweifelt. Man kann den tropfenden Regen quasi hören, und jedes geseufzte „Suffer“ von Holmes wird ihm sofort abgenommen. Da hätte es die traurige Geige gar nicht mehr gebraucht. Emotionen werden in diesem Song ganz hoch gehandelt, und hier hätte man definitiv auch keine lauten Töne von Holmes gebraucht. Dieser Song lebt von seiner unendlichen Traurigkeit. Fazit: Keiner kann so traurig doomen wie die Jungs von PARADISE LOST.

Und da die Hoffnung nie stirbt, klären uns die Jungs mit „Hope Dies Young“ über diese Fehlinformation auf. Ein typischer Song der Band, welcher auch auf „Draconian Times“ seinen Platz gefunden hätte. Eine pfiffige Keyboardmelodie und eine schöne Vocal-Line gestalten den Song sehr eingängig und liefern somit einen extrem hohen Wiedererkennungswert. Nach vier Minuten ist der Spuk vorbei, und Holmes konnte auch hier ohne Growls überzeugen. Mit „Ravenghast“ kommen wir zum Rausschmeißer von „Obidian“. Drückende Atmosphäre, brutale Riffs, geniale Leads. Alles vorhanden, Holmes mit einer Glanzleistung im Wechselgesang. Hier zeigen PARADISE LOST ganz klar, wer in diesem Genre das Zepter hochhält. „Ravenghast“ ist ein mehr als würdiger Abschluss einer großartigen Veröffentlichung und reiht sich in das Genialitätslevel der ersten beiden Songs ein.

„Obsidian“ zeigt die ganze Stärke der Band. Hier wurde ein Juwel geschliffen, an dem man sich noch in Jahren erfreuen kann. Wenn es nach mir ginge, könnte die Band auch in den nächsten 32 Jahren noch weiter solche Meilensteine veröffentlichen. Das Teil ist megastark und darf einfach nicht in einer Sammlung fehlen, in der noch ein Plätzchen für eine wahre Sternstunde der Musik ist. Großartig!

 

Obsidian


Cover - Obsidian Band:

PARADISE LOST


Genre: Gothic Metal
Tracks: 9
Länge: 55:54 (CD)
Label: Nuclear Blast
Vertrieb: Warner