Persistence Tour - Hamburg, Docks
Die Kehrseite der Medaille ist der verfrühte Anfang, statt wie auf den Karten angegeben um 18:30 Uhr müssen FINAL PRAYER (euphemistisch „Special Guest“ genannt) eine Stunde früher ran und haben demzufolge nur wenige Nasen vor der Bühne. Aber davon ließen sich die Berliner nicht stören – kompromißlos und engagiert spielten sie ein Brett runter, dass es in sich hatte. Die Truppe gehört zweifellos zum Besten, was in Sachen Hardcore in Deutschland zu finden ist, was sie mit dem kurzen Set einmal mehr unter Beweis stellten. Über den Sinn eines solch frühen Beginns lässt sich streiten, über die Qualitäten von FINAL PRAYER nicht.
RINGWORM waren näher an der offiziellen Einlasszeit und konnten von der Bühne üben recht großen Fotograben auf ein bereits gut gefülltes Docks schauen. An der räumlichen Distanz zum Publikum lag es aber nicht, dass bei den Cleveland-Veteranen der Funken nicht überspringen wollte. Zwar gaben sich die Musiker alle Mühe und posten in bester Ami-Manier, aber auf Dauer war das Material zu eintönig und zu anstrengend. Die Zeit zog sich wie Kaugummi, was immer ein schlechtes Zeichen ist. Als RINGWORM nach einer gefühlren Ewigkeit ihren Set fertig hatten, trauerten ihnen nur die drei, vier Leute hinteher, die den Platz vor dem Fotograben für Windmills genutzt hatten: so viel Platz würden sie den Rest das Abends nicht wieder haben.
Mit DEATH BEFORE DISHONOR stand danach eine der größten Bostoner Nachwuchshoffnungen auf dem Programm, die mit „Count Me In“ eines der besten HC-Debüts des Jahres abgeliefert haben. Vergleiche mit TERROR drängten sich da auf, die beim Anblick der Live-Show verstärkt wurden, auch wenn es keine Vogelisms vom Sänger gab. Der beschränkte sich auf kurze Ansagen und auf seinen eigentlich Job. Gemeinsam mit seinen Kollegen erledigte er den famos und brachte eine kurzweilige, abwechslungsreiche und gleicheitig arschtretende HC-Show auf die Bühne, die niemanden kalt ließ. Der erste Pit vor der Bühne war da nur gerechtfertigt. In einem kleineren Club werden DEATH BEFORE DISHONOR eine Wucht sein – bleibt zu hoffen, dass sie 2008 für eine solche Tour über den Teich hüpfen.
SWORN ENEMY hatten die längsten Haare, die posigsten Gitarren und den größten Metalanteil zu bieten. Eigentlich eine Todsünde bei einer HC-Veranstaltung, aber die Italo-Amerikaner aus New York gehören zu den wenigen Bands, die trotz starker metallischer Schlagseite von den HC-Kids respektiert werden. Wie gewohnt hatten die Mucker mächtig Spass auf der Bühne, posten wie die ganz Großen und zockten dabei ein fast reinrassiges Metalbrett, was aber niemanden störte. Im Gegenteil: vor der Bühne ging es bereits ganz gut ab, was Sänger Sal mit herzlichen Worte quittierte. So hatten am Ende alle Spaß und SWORN ENEMY wieder einmal den Beweis erbracht, dass auch Metal Hardcore sein kann.
Bei EVERGREEN TERRACE stellen sich solche Fragen nicht, die Band um Hungerhaken Andrew hat sich ganz dem Hardcore verschrieben und mit „Wolfbiker“ eine arschcoole Scheibe in petto, von der sie einige Songs zum Besten gab, die sich nahtlos in alte Kracher Marke „New Friend Request“ einfügten. Besonders das Fähigkeiten dissende „Chaney Can't Quite Riff Like Helmet's Page Hamilton“ entpuppte sich als Knaller, bei dem im großen Pit verdammt viel Action war. Natürlich gab es den obligatorischen Circle Pit, ordentlich Hüpfen und Springen auf der Bühne und viel viel gute Laune. EVERGREEN TERRACE haben Live Spaß, machen Live Spaß und könnten auch vier Stunden spielen. Alle Daumen nach oben für diesen Gig!
Um IGNITE rankten sich Gerüchte, immer wieder kam die Story auf, dass die Kalifornier die Tour abgesagt hätten, wofür sich freilich nirgendwo Beweise fanden. Aber einige Kids glaubten wohl erst in dem Moment, in dem das Intro begann, dass IGNITE wirklich und wahrhaftig auf die Bühne kommen würden. Taten sie. Gut gelaunt und motiviert wie immer konzentrierten sich die Veteranen auf Songs ihres letzten Albums, bauten aber auch ein paar ältere Songs ein, wobei Klassiker wie „Run“ aber der kurzen Spielzeit von knapp 40 Minuten zum Opfer fielen. Auch wenn alle Musiker sichtlich Spaß hatten, schien es, als hätte Sänger Zoli mit seiner Stimme desöfteren zu kämpfen und als wäre er mit seiner eigenen Leistung nicht vollkommen zufrieden. Die Fans feierten IGNITE trotzdem ab und ließen die Show zu einer der besten der Tour werden, wofür sich die Band mit dem Rausschmeißer-Song des „Our Darkest Days“-Albums bedankte. Bei der Paris-Show hatten dabei zwei Skinheads vor der Bühne Sex, an diesem Tag behielten aber alle Fans ihre Klamotten an. War auch so eine gute Show.
AGNOSTIC FRONT hatten den Co-Headliner-Posten inne, was angesichts der Massen Band-Shirt tragender Fans zumindest optisch gerechtfertigt war. Der Mob, der vom ersten Ton an tobte, bestand anscheinend nur aus Skinheads über 1,90 Meter Körpergröße, entsprechend rauh waren die Sitten. Die New Yorker Veteranen hatten leichtes Spiel, zockten Klassiker um Klassiker, von denen „Gotta Go“ von einfach jedem Besucher mitgesungen wurde, und bauten einige aktuelle Songs ein. Das knallte, wummste und machte Laune. Alles, was von einer AGNOSTIC FRONT-Show zu erwarten war, wurde erfüllt. So soll das sein.
Auf HATEBREED konnten sich dann alle einigen, Skinhead wie HC-Kid, Edger wie Metaller, so dass Jamey Jasta & Co. auf den größten Pit blicken konnten. Man kann über ihre Platten sagen was man will, Live sind die Typen eine der besten Bands im gesamten Krachsektor, die kaum einmal eine durchschnittliche oder gar schleche Show abliefert. An diesem Abend bewiesen sie das erneut und reihten Hit an Hit, deren eingängige Zeilen aus allen Kehlen gebrüllt wurden. „Defeatist“, „Live For This“, „I Will Be Heard“ und was sie sonst noch haben, jeder Song saß und fesselte das Publikum. Mr. Jasta war ein gewohnt charismatischer Entertainer, der es nur etwas zu dick mit dem „Community“-Gesabbel auftrug (da war schon fast Gruppenkuscheln angesagt), aber irgendwas ist ja immer. Es gab keinen Zweifel, dass HATEBREED ein würdiger Headliner einer an hochkarätigen Bands nicht armen Tour waren und als sie nach zwei Zugaben die Bühne verließen, war auch der letzte Besucher verschwitz und heiser. Kann ein Sonntag schöner enden?