Konzert:

Anthrax, Beyond Fear - Zürich, Rohstofflager

Konzert vom 26.04.2006Zu diesem Konzert ging ich mit äußerst gemischten Gefühlen. Natürlich freute ich mich auf diese grandiose Live-Band, die in den 80ern gleich eine ganze Reihe Thrash-Metal-Hymnen geschaffen hatte. Aber der mehr oder weniger indirekte Rausschmiss des großartigen John Bush und des Gitarristen Rob Caggiano sowie die Wiederkehr der Witzfiguren Joey Belladonna und Dan Spitz machte mich nicht nur wütend, sondern ließ auch den Verdacht von lediglich Aufgewärmten entstehen. Mein eh schon ungutes Gefühl in der Magengegend verstärkte sich, als mir der Typ hinter dem CD-Stand erzählte, es sei ihm untersagt worden, die "Greater Of Two Evils"-CD (für die in der neuen Besetzung alte ANTHRAX-Kracher neu eingespielt worden waren) und die Live-DVD "Music Of Mass Destruction" (ebenfalls mit John Bush) zu verkaufen. Würde nur ein Exemplar verkauft, würde die Band nicht auftreten, hatte ihm das Management mitgeteilt. Ich wurde immer gespannter auf den kommenden Auftritt.



Doch zunächst hieß es die neue Band von Tim Owens zu überstehen. Mag sein, dass der Ex-JUDAS PRIEST und ICED EARTH-Sänger eine große Nummer am Metal-Himmel ist, aber der recht konventionelle Metal von BEYOND FEAR war mir alleine schon wegen Tim Owens´ ausschließlich die obersten Tonlagen bedienenden Gesangs eine ganze Ecke zu true, obwohl die Riffs ordentlich wummerten. Immerhin - in ihren besten Momenten klang die Band ein ganz klein wenig wie IRON MAIDEN mit einstimmigen Gitarrenläufen. Über die Gitarrenarbeit konnte man sowieso nicht meckern, so legte besonders der Lead-Gitarrist mehrere brillante Soli hin. Aber über 40 Minuten konnte das auch nichts mehr retten, so fand ich mich dann bald in zahlreicher Gesellschaft im Vorraum beim kühlen Bier wieder.



Dann war es Zeit für die eigentlichen Helden des Abends, und nach dem mittlerweile zum Standart gewordenen BLUES BROTHERS-Intro enterten ANTHRAX die Bühne und starteten mit "Among The Living" direkt voll durch. Mein Hauptaugenmerk galt natürlich den beiden Wieder-Neuzugängen (Frank Bello sei hier einmal ausgeklammert), und vor allem Joey Belladonna verstand sich bestens darin, sich durchgehend mit "ANTHRAX is back!"-Gegröle selbst zu feiern. Ansonsten hat er sich in den vergangen Jahren kaum verändert: Zwar ist er im Gesicht etwas älter geworden und scheint seine Stimme etwas tiefer als früher zu sein, aber die langen Vibrato-Töne und die im Trommelfell schmerzenden Screams hat er leider immer noch perfekt drauf. Auch seinen alten Mikroständer hat er offenbar wieder reaktiviert (Man erinnere sich: Dieser halbe Ständer ohne Fuß, wie ihn meiner Erinnerung nach auch Peter Schilling in den frühen 80ern in der Hitparade im ZDF verwendet hat). Eins muss man ihm allerdings lassen: Er ist ein Frontmann, der diese Bezeichnung verdient, denn er machte die Leute unentwegt an und brachte das zwar äußerst zahlreiche, aber anfangs doch recht ruhige Publikum im Laufe des Konzerts auf Hochtouren. Allerdings: Mit was für Ansagen! "Raise up you beers!”, "Raise up your horns”, "Raise up your hands, if you ever came across a bitch!”. Billiger geht´s nun wirklich nicht. Auch der kleine Danny Spitz ist äußerlich deutlich älter geworden und hat die letzten Jahre offenbar daran gearbeitet, männlicher auszusehen, indem er kräftig die Oberarme trainiert hat, sich ein Bärtchen hat wachsen und sich sogar ein kleines Mädchen-Tattoo auf den Oberarm hat stechen lassen. Während des Konzerts stand er aber lediglich mit einem Fuß auf der Monitorbox auf der Bühne, spielte seine Riffs runter und versuchte dabei, irgendwie hart zu gucken, sah aber komplett gelangweilt aus. Ganz anders natürlich die alten Haudegen Scott Ian und Frank Bello: Die beiden standen vom ersten Ton an absolut präsent auf der Bühne und tobten durch die Gegend wie sonst was. Zwei echte Profis, die dafür geboren zu sein scheinen, auf der Bühne zu stehen. Und auch Charlie Benante drosch wie immer gleichzeitig routiniert und leidenschaftlich in die Felle und sorgte mit der Double Bass dafür, dass einem das Bier fast aus dem Becher schwappte.


Das Programm bestand dann erwartungsgemäß ausschließlich aus Joey Belladonna-Songs. Das Thema John Bush wurde also auch hier komplett tot geschwiegen. Zum einen war das natürlich eine schöne Sache, denn Songs wie "Caught In A Mosh", "Indians", "Efilnikufesin (N.F.L.)", "Madhouse", "Metal Thrashing Mad" und natürlich die beiden Covers "Antisocial" und "Got The Time" sind auch heute noch Hammer-Songs. Aber andererseits bekam das Ganze dadurch auch irgendwann den Touch von Best Of-Programm-Runterspielen. Nach einem Zugabenblock, der u.a. "I ´m The Man" und das abschließende "I Am The Law" enthielt, wurde das moshende Volk dann nach gut 90 Minuten entlassen.



Sicherlich war das kein schlechtes Konzert, denn hier stand ganz einfach eine wirklich gute Live-Band auf der Bühne. Aber irgendwie hatte man das Gefühl, dass die Jungs nicht wirklich zusammengespielt haben, sondern dass jeder für sich sein Ding runter gerissen hat. Und das ganze Reunion-Getue erinnerte doch zu sehr an die überflüssigen Wiedervereinigungen von Rock-Dinosauriern wie TOTO oder THE WHO, die sich noch mal zusammentun, um ein bisschen Geld vom Ruhm vergangener Tage abzuschöpfen. Besonders, als ich an die großartigen Auftritte der letzten Jahre mit John Bush zurückdachte, wurde ich sehr traurig. Es ist wirklich schlimm, mit ansehen zu müssen, was Plattenfirma/Management/Geld aus einer vormals genialen Band machen können. Mit John Bush waren ANTHRAX erst zu Höchstform aufgelaufen und eine ernstzunehmende Band geworden. Aber das, was sie hier ablieferten, war nur Kasperletheater. Ich will John Bush zurück!