Konzert:

Close-Up Festival 06 - Samstag

Konzert vom 15.04.2006Oslo hat den Black Metal und das Inferno - Stockholm eine nicht minder legendäre und (den Death Metal) stilprägende Musikszene und hielt dieses Jahr zu Ostern mit dem Close-Up Festival dagegen an. Das Line-Up war mit den Headlinern SATYRICON und OPETH erlesen und die Ryanairflüge billig, der Umtauschkurs Krone-Euro günstig - also nix wie hin! Auch wenn das Bier trotzdem noch teuer ist...

Das Indoor-Festival erstreckte sich über 2 1/2 Bühnen und für die nimmermüden zudem über 3 Clubs im Stadtteil Södermalm, die in maximal 15 Minuten Fußmarsch voneinandern entfernt lagen. Auf dem Weg von der "Main Stage" im Veranstaltungszentrum "München Bryggeriet" (einer ehemaligen Brauerei) zur kleineren Bühne im "Kolingsborg" in den Katakomben unter der U-Bahn konnte man den besten Ausblick über den Touri-Magneten "Gamla Stan" genießen. Die Organisation durch das Team um Close-Up Chefredakteur Robban Becirovic war rührig und reibungslos und das Booking ausnahmslos geschmackssicher.


Los ging es in der abgedunkelten München Bryggeriet mit CULT OF LUNA und ihrem trippigen Noisecore - also leicht angedrogtem Krach zwischen Psycho- und Träumfaktor und mit introvertiertem Schreihals am Mikrofon. Geile Band ohne Frage, und "Salvation", das dritte Album dieser unglaublich jungen Musiker aus Umea hat es auch ganz zu Recht in die Top 10 der Jahresbestenliste 2005 des Close-Up geschafft - aber so etwas möchte man lieber mit einer Flasche Rotwein im Arm spät in der Nacht hören als am frühen Nachmittag auf nüchternen Magen. Achtungapplaus gab es also, aber so richtig mitgehen konnte um diese Uhrzeit kaum einer.


Nach dem Newcomer stehen die alten Hasen auf der Bühne - und müssen eher noch mehr um ihr Publikum kämpfen. Die Göteborger EVERGREY legen eine technisch perfekte, routinierte Show mit bestem Sound aufs Parkett, die aber das verwöhnte Hauptstadtpublikum zunächst nicht im Geringsten zu kratzen scheint. Sei es die Abneigung der Stockholmer für Melodien oder gegen Power-Metal-Einschübe: Die zahlreichen Herren Musiker-Kollegen im Publikum wie etwa Olli und Ted von AMON AMARTH und Kristian und Johan Niemann von THERION klatschen zwar kollegial, aber Sven Normalkonzertbesucher machte einen auf Zuschauer-Denkmal. Da kann Sänger Tom Englund noch so sehr mit seinen beindruckenden Cowboy-Stiefeln mit extralanger Spitze auf der Monitorbox rumtreten. Dock mit den Krachern "The Masterplan" und "Touch of A Blessing" stecken EVERGREY ihr Publikum letztlich doch in den Sack.


Setlist EVERGREY:

Obedience

Recreation Day

Blinded

End Of Your Days

More Than Ever

I´m Sorry

Monday Morning Apocalypse

Still In The Water

Mark Of The Triangle

The Masterplan

Touch Of A Blessing


Während RENTOKILLER und RAISE HELL nacheinander den Kolingsborg angeheizt hatten, wird auf der Mainstage für KRUX umgebaut. Die alten Haudegen Leif Edling (CANDLEMASS), Jörgen Sandström (Ex-ENTOMBED, Ex-GRAVE) und Peter Stjärnvind (ENTOMBED) haben sich den weniger bekannten Mats Levén geschnappt, der als THERION-Backgroundsänger zu versauern drohte und stellen zusammen Songs auf die Bühne, bei denen Led Zeppelin- und Black Sabbath-Fans ganz anders wird. Fett, fett, fett - und fett besucht, bisher die Band mit den meisten Zuschauern und enthusiastischsten Zuschauer-Reaktionen.


Danach hieß es husch rüber ins Kolingsborg: Bei KHOMA standen fast dieselben Leute wie bei CULT OF LUNA auf der Bühne, dieselben Anzüge - klar, Johannes Persson ist bei beiden Bands für die Gitarren verantwortlich, Fredrik Kihlberg hatte sich eben noch hinter seinem Keyboard verschanzt, ein Teil der Hintermannschaft stimmt ebenso überein - aber Sänger Jan Jamte macht den Unterschied, denn der wirbelt um sein Mikrofon, rennt hin und her wie auf einer 30-Meter-Festivalbühne und singt und schreit alle zur Extase. Der eben noch so schüchterne Pianist Fredrik wechselt jetzt im Akkord die Instrumente und schlägt auf ein Tambourin ein, die Gitarristen, die eben noch auf ihre Fußspitzen gestarrt haben, feuern plötzlich das Publikum weiter an. KHOMA haben erst ihr Debüt veröffentlicht, aber das hier ist mehr als Emo: Großes Gefühlskino und großer Sport in einem, tighter Rock und sphärische Klänge passen zu moshen, ausrasten, abgehen - alles geht, und die Stockholmer feiern die Jungs aus dem wirklich hohen Norden ab.

... und rannten mit den Tönen des letzten Songs zurück in die Bryggeriet: KATATONIA geben ihr erstes Konzert seit Release des Albums "The Great Cold Distance" und spielen das erste Mal neue Songs wie "My Twin" live. Und da in Schweden nur übt, wer kein Talent hat und KATATONIA zudem zu weit auseinander wohnen für einen gemeinsamen Übungsraum, werden die ersten beiden Songs so zur öffentlichen Probe. Der Soundmann kämpft mit Rückkopplungen und die Band mit den richtigen Tönen, Songwriter und Gitarrengott Anders "Blackheim" Nyström post wie ein Truemetaller im Wind und Jonas Renske versteckt sich hinter seinen wieder sehr langen Haaren. Das hört sich nun schlimmer an, als es war, die Norrman-Brüder halten den Laden musikalisch und optisch zusammen und die Songs sind insgesamt über alle Zweifel erhaben. Zudem ist das Konzert ein "doppeltes Heimspiel", denn Fans sind aus der ganzen Welt für diesen Gig angereist und feiern ihre Band ab. Trotzdem, ein G´schmäckle bleibt: Die neuen Songs sind außer "My Twin" auf die erste Hörprobe eher langsam und schwer zugänglich, alte Deathmetal-Kracher aus der Zeit vor dem Wendepunkt "Last Fair Deal Gone Down" gibt es nicht. Immerhin: Blackheim und Fred Norrman versprechen, dass ab jetzt jeder Gig der Tour besser wird...


Während sich die Musiker diese Statements entlocken lassen, schmeißen NIFELHEIM schon längst stinkede Fleischstücke ins Kolingsborg. Ekelig, aber kult. Genau wie der ordentlich eingerostete Deathmetal, der ein bißchen nagelt wie ein alter Diesel. Aber eigentlich sind ja sowieso alle wegen der fast meterlangen Stachelnieten gekommen. Zurück in die Bryggeriet, dort gibt es die schöneren Männer...


... denn hier spielen die DEATHSTARS! Die Stockholmer gehen in den Fantasie-Uniformen aus dem Video zu "Cyanide" auf die Bühne und rocken wie ein Verschnitt aus SISTERS OF MERCY, MÖTLEY CRÜE und TURBONEGRO. Und hier gibt es endlich Schweden, die einem die witzigen Hintergrundinformationen geben können: Sänger Whiplasher Bernadotte hat "ganz zufällig" den gleichen Künstler-Nachnamen wie die königliche Familie Schwedens, die über diese Anspielung nicht sonderlich amused war. Doch mitten im schon reichlich witzigen Set, bei dem Whiplasher Männer für "nach der Show" ins Backstage einläd, fällt das Schlagzeugpodest von Showdrummer Bone W Machine auseinander und die Bühne vibriert, so dass die Techniker hinter den Kulissen rotieren. Die Pause wird lang und länger, Whiplasher charmiert und bittet Witzeerzähler aus dem Publikum auf die Bühne. Aber es läßt sich niemand zum Pausenclown machen, also treten seine Bandkollegen ihren Frontmann zum Strippen. Eine gute Entscheidung, denn Whiplasher macht den aufreizenden Tanz mit immer weniger Oberbekleidung und Federboa ganz zu seiner Sache und als er unter seinem Hemd das beeindruckende Sixpack freigelegt hat, funktioniert auch die Technik wieder, so dass die Brauerei zu den Tanzflächen-Abräumern "Cyanide" und "Synthetic Generation" die Hüften und Haare schwenkt. Vom Amüsement-Faktor ganz nah dran an der Turbonegro-Arschrakete.


Setlist DEATHSTARS:

New Dead Nation

Semi-Automatic

Blitzkrieg

Tongues

Modern Death

Motherzone

Little Angel

Last Ammunition

Damn Me

Trinity Fields

Play God

Cyanide

Synthetic Generation


Inzwischen hatte die Hauptbühne einen stattlichen Zeitverzug, so dass RAGING SPEEDHORN genau parallel die folgenden Knaller anfeuerten:

Different Shade

Hate Song

Redweed

How much?

Snatching

Super Scud

Voodoo Man

How The Great Have Fallen

Shitsuille

Scrapin

Deadman

Knives

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High Whore


Bis SATYRICON war aber entsprechend Zeit zum Aufholen eingeplant, so dass der Headliner pünktlich um 1 Uhr auf die Bühne gehen konnte. "Tysen Tak" - also höfliche bis überwältigte "Tausend Dank" sagte der arroganteste Mann Norwegens nach "A Moment Of Clarity", und der Zuschauer aus dem etwas südlicheren Europa wunderte sich. Satyr wirkte, als hätte er Sabbelwasser getrunken, und hielt zwischen den Songs lange, einnehmende Reden. Das hier war kein Vergleich mit den letzten Konzerten der Norweger in Deutschland, bei denen Herr Vongraven das Maul niemals weiter als zum Fauchen aufbekam. Der neue Song, nein, Hit "K.I.N.G." black´n´rollt wie ein alter Volvo, danach kommt die nächste Überraschung: Der Überhit "Mother North" wird in der Mitte des Sets verfeuert, die Ansage dazu richtet sich - jetzt wieder in der SATYRICON-typischen Arroganz - gegen Songs, in denen Melodie um der Melodie wegen und nicht wegen der Atmosphäre und Bedeutung des Songs eingesetzt wird. Als I-Tüpfelchen nehmen Band und Zuschauer den Mitsing-Part der Blackmetal-Hymne mit und es kommt fast Stadion-Atmosphäre auf - ein denkwürdiger Moment, erst Recht nach dieser vorangeganen Ansage. Die nächsten warmen Worte bellt er wieder raus, "Filthgrinder" wurde wie im Moment des Komponierens allen gewidmet, die ausgewhimpt sind (wieder die Geschichte mit den Melodien und den Synthies). Die Erklärung für den überraschenden Sympathie-Einbruch von Satyr liefert JB, der Frontmann von Grand Magus und den Spiritual Beggars: "Wenn er hier einfach nur den Blackmetal-Zirkus mit festgetackerten Mundwinkeln abgezogen hätte, hätte er hier in Schweden keinen Blumentopf gewonnen, und das weiß er." Die Schweden würden schließlich das Norwegische verstehen und wüßten, wovon Blackmetal handelt - jemand, der idiotisches Benehmen mit dem angeblichen "nicht lachen dürfen" des Blackmetal zu rechtfertigen versuche, werde schnell auf Granit beißen.


Setlist SATYRICON:

Du som hater gud

Repined Bastard Nation

The Pentagram Burns

A Moment Of Clarity

K.I.N.G.

Mother North

Filthgrinder

The Rite Of Our Cross

Fuel for Hatred

To The Mountains