Konzert:

Russian Circles, Chelsea Wolfe - Hamburg, Logo

Konzert vom 03.11.2013

Eines der faszinierenden Labels der letzten Jahre müsste wohl das in Los Angeles residierende Sargent House sein: eine Vielzahl variierender Künstler und Band hat eben dieses sich angenommen. Mathrock im Sinne von TERA MELOS, FANG ISLAND und ABIDISI SHANK findet sich dort, ebenfalls das neue Projekt BOSNIAN RAINBOWS von AT THE DRIVE-IN und THE MARS VOLTA Chef Omar Rodriguez Lopez, von dem ebenfalls seine Sologeschichten dort veröffentlich werden. Aber auch die zurzeit überall präsenten DEAFHEAVEN, die sogar in Deutschland ausverkaufte Konzerte bespielen mit ihrem Post Black Metal sind dort unter Vertrag - man ahnt: da hat jemand Gespür für großartige und vor allem innovative Bands. „Wir nehmen keine Bewerbungen von Künstlern an - wenn ihr gut seid, finden wir euch schon!“ lautet die Vorgehensweise des Bosses Cathy Parrow, die oft genug betont dass die Glücklichen welche sie managed und unterstützt auch wirklich zu 100% ihre Lieblingsbands sind. Dazu gehören dann wohl auch RUSSIAN CIRCLES die dort "Memorial" rausbrachten, nur paar Tage bevor dem Konzert im Logo Hamburg. Mitgenommen haben sie natürlich auch noch jemanden aus der Labelfamilie: CHELSEA WOLFE, die auf dem Titeltrack des neuen Albums (natürlich dann auch das einzige mit Vocals) singt und mit ihrem düsteren, Ambient Folk sich auch in Deutschland anscheinend eine Fanbase erschlichen hat: auffällig sind die die jungen, in schwarz umhüllten Damen in den ersten Reihen, mit dazugehörigen Lippenstift, die sich vermutlich modisch Lady Wolfe annähern wollen. Die Faszination welche diese ausübt kann man, wenn man sie spielend gesehen und singen gehört hat aber schon nachvollziehen: anmutig und bescheidend zugleich schwebt sie über die kleine Bühne, nah an den Hörern vorbei, die den Blick nicht abwenden können von dieser wunderliche Kreatur. Ruhig, bedächtig und trotz allem bestimmend führt sie mit ihrer engelsgleichen Stimme und präzisem Gitarrenspiel das Publikum durch den ersten Teil des Abends. Begleitet von einem Trio an Bass, Gitarre und Schlagzeug, sind diese nur Mittel zum Zweck und wirken neben der imposanten Erscheinung in (diesmal weißen) Gewand blass und wie Marionetten. Wirken die wenigen Frauen im Publikum entzückt über ihre neu entdeckte Stilikone, sind die Männer entweder gleich begeistert und können den Blick nicht abwenden oder wirken überfordert. CHELSEA WOLFE wird mit ihrem eigenen Stil der sich irgendwo zwischen Ehereal Dark Folk Drone bewegt, sicherlich den einen oder anderen Anhänger des skandinavischen Metals ansprechen. Oder jeden der sich von der jetzigen Jahreszeit auch gefühlsmäßig hinreißen lässt und dazu die passende Hintergrundmusik braucht. Das einzige was man hoffen kann ist dass sie mit ihrem Modern Gothik Look und dem Image der Unberührbaren nicht zu einer Styling Queen hochgebauscht wird und die Musik an Stellenwert verliert, die Wahrscheinlichkeit ist ja wie oben angedeutet nicht ganz so gering. Auf jeden Fall eine eigenwillige Künstlerin welche Experimentierfreude zeigt, die sich hören lassen kann.

Als Vorprogramm wird jedoch nicht der gleiche Grad an Intensität erreicht wie von den RUSSIAN CIRCLES. Denn hier wird ohne viel Schnickschnack oder Inszenierung sofort im Anschluss über eine Stunde ehrliche Musik gemacht die als solche auch im Mittelpunkt steht und ohne nichts Weiteres auskommt. Das Instrumental Post Rock/ Metal-Trio galt schon immer vom Hören und Sagen zu einer krassen Live Erfahrung, aber nach diesem Abend lässt sich definitiv festhalten: wow, was für eine Wucht. Songs, facettenreich wie sämtliche Gefühlslagen welche ein Mensch durchweg erleben kann, bringen RUSSIAN CIRCLES einen eben in dieses Karussell der Emotionen. Man sieht nur die Umrisse der Bandmitglieder im Licht, aber die meiste Zeit sind die Augen eh geschlossen und am besten lässt man den hervorragenden, klaren Sound in sich hineinströmen. Metallastig und ruhig und beschaulich zugleich ist die ganze Setlist und wird ohne große Unterbrechungen in einem Zug runtergespielt, so das ein harmonisierendes Ganzes entspringt. Es ist schwer über diesen Abend zu schreiben, ohne dass die Euphorie merkbar durchsickert. Aber man kann wohl sagen, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn man danach mit Herzklopfen und schwitzigen Händen den anderen Fans sprachlos gegenüber steht und nach Worten sucht um das grad Erlebte zu beschreiben. Auch der gemeinsame Auftritt beider Acts bei MEMORIAL gegen Ende sorgt für bemerkenswerte Stille und man denkt sich: Danke für diese außergewöhnlichen Künstler. Sargent House wissen was sie tuen. Und sie tuen es gut.



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