Konzert:

Eluveitie, Primordial, Negura Bunget, Heidevolk, Sólstafir - Hamburg, Markthalle

Konzert vom 26.03.2012Vielleicht sollte ich mich im voraus gleich entschuldigen? Ich habe Rücken. Was bei Horst Schlemmer chronische Attitüde ist, ist bei mir akut - ich werde mir also auf keinen Fall für alle drölfundneunzig Bands des PAGANFEST 2012 die Beine in den Bauch stehen. Aber ein bißchen Bewegung soll ja ganz gut sein, habe ich mir sagen lassen - und stehe pünktlich in der Halle, um mir mit SOLSTAFIR die erste von fünf Bands anzugucken.


... und bin da bei weitem nicht allein. Es ist Montag und es ist 18:30 Uhr - und die Leutchen drängen sich in der leicht abgesperrten Markthalle. Was ist hier los? SOLSTAFIR sind los! Die vier Isländer haben offensichtlich das Herz der Hamburger erobert. Alle Anwesenden sind gleichermaßen verstört noch - so mitten herausgerissen aus dem Alltag da draußen leiden und wabern die Songs - besonders von SOLSTAFIRs Album "Svartir Sandar" durch den Raum, man wünscht sich eine Flasche Rotwein in die Hand und Wind und Lagerfeuer in den Saal - und mag sich doch nicht von der Stelle bewegen, denn die 36 Minuten Spielzeit werden auch so zu schnell vergehen. Wann hat es zuletzt eine Band geschafft, Sehnsucht, Fernweh, Weltschmerz, Kater und Misantrophie so in Songs zu gießen? Hach!


Der Applaus danach war so groß wie das Publikum bevölkert und die Rausschmeißer-Musik gnadenlos. Na klar, die Crew baut jetzt für Heidevolk um - und das Publikum flieht. Also buchstäblich. Begleitet von Ausreden wie "ömm, mal eben Geld holen" oder "Kippen alle" schwärmen die Metaller in Richtung Hamburger Innenstadt. Manche stranden schon vorher an der Imbißbude der Markthalle selbst, aber wenn ich nur die Leute zähle, die mich auf meinem kleinen rückenfreundlichen Spaziergang überholt haben, waren bei Heidevolk vielleicht noch 50 Leute in der Halle. Aber ich kann auch nicht alle gezählt haben...
Die letzten Töne des karpatischen Flötendooms von NEGURA BUNGET habe ich dann beim wieder Reinkommen gehört - Punktlandung zu PRIMORDIAL.


PRIMORDIAL feiern das 21. Jahr des Bandbestehens, und ich fange hektisch an zu rechnen, wie jung die Bandmitglieder damals bei der Bandgründung noch gewesen sein müssen - eigentlich sehr schön zu sehen, dass eine ehemalige "Schülerband" mit relativ wenigen Line-Up-Wechseln so lange durchhält. Und das wird hier heute auch honoriert, alle Stadtbummler haben ihren Weg zurück gefunden und huldigen den fünf Iren. Die haben "Reign I Forever" von BLOOD AXIS als Intro ausgewählt. Einen Tag nach der größten "Laut gegen Nazis"-Aktion, die Hamburg in diesem Millenium bisher gesehen hat, kommt das zumindest komisch. Sänger Alan Nemtheanga läuft noch einmal komisch über die Bühne - der Mikrofonständer sieht aus wie ein Wischmop, mit dem er durch die Gegend wedelt. Ein Tipp zum Frühjahrsputz? Bekommt man zu PRIMORDIAL denn besser die Fenster sauber oder den Boden geschrubbt? Ich schweife ab, denn PRIMORDIAL konzentrieren sich in der Songauswahl auf die letzten beiden Alben "To the Nameless Dead" und "Redemption at the Puritan's Hand". Klar, ich habe verstanden: "Empire Falls" ist aktuell der Mitsing-Hit im düsteren Programm der Band. (Ich bin schon vorher wieder "wach" geworden, als sie "The Coffin Ships" gespielt haben). Und - trotz der anfänglichen Irritationen: Vom Sound, Licht und Spielfreude der Band her war das definitiv einer der besseren Gigs, den ich von PRIMORDIAL so gesehen habe.


Mit Hinweis auf meine Malaise schwänze ich anschließend ELUVEITIE. Die Schweizer gehören im Bereich der "Fröhliches Trinken zu Flötenmusik"-Bands inzwischen zu den größeren Acts, von deren Fans hatte aber kaum jemand die 31 EUR berappt. Im Gesamtpaket "Paganfest" hatten die Freunde der tieferen Töne heute die Mehrheit - und sind zufrieden früh nach Hause gegangen.

Eluveitie, Primordial, Negura Bunget, Heidevolk, Sólstafir - Hamburg, Markthalle - 1