Konzert:

Helldone Festival 2009 - Helsinki, Tavastia

Konzert vom 29.12.2009Wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt und die Nächte weit länger sind als die Tage, zieht es seit Jahren eine dunkelbeseelte Schar aus aller Herren Länder dorthin, wo die Tage um diese Zeit noch dunkler sind als in hiesigen Gefilden: nach Finnland, genauer gesagt nach Helsinki, wo die infernalischen Majestäten von HIM seit mittlerweile elf Jahren zum traditionellen Silvesterkonzert laden. Vor vier Jahren zum HELLDONE-Festival erweitert und dieses Jahr zu einer Art viertägigen Konzertreihe mit eingeschränkter Line-Up-Änderung umgestaltet, erfreut sich das Event derartiger Beliebtheit, dass es mittlerweile gar in der regelmäßig von der Helsinkier Tourismusbehörde herausgegebenen Veranstaltungsbroschüre Helsinki This Week gelistet wird, mit dem Verweis, Interessenten sollten sich darauf einstellen, mit ihrem Anliegen nicht allein zu sein und sich entsprechend im Vorfeld um Karten bemühen- eine ausgesprochen vorsichtige Umschreibung für einen Kartenvorverkauf, dessen Start in aller Regel gleichzeitig auch das Ende markiert: insbesondere der berühmte Silvesterabend neigt dazu, binnen Minuten ausverkauft zu sein, Gerüchten zufolge wurden vor dem Tavastia Karten für Silvester auf dem Schwarzmarkt für stolze 300 Euro feilgeboten. Also auf nach Norden, um sich das Ganze mal aus der Nähe anzusehen...



Helsinki begrüßte den geneigten Festivalbesucher stimmungsvoll in an die 30 Zentimeter Schnee gehüllt und der nahezu konstante Schneefall wurde allenfalls von kurzen Pausen unterbrochen, was die Schar der bereits zu früher Stunde vor dem Tavastia ausharrenden Wartenden im Vergleich zur bei anderen Witterungsbedingungen anzutreffenden Menge recht übersichtlich hielt. Streng genommen konnten sich die Besucher am 29. Dezember noch glücklich schätzen- Temperaturen um -1 Grad sind zwar nicht gerade das, was man landläufig als warm ansehen würde, aber es sollte an dieser Stelle vielleicht daraufhingewiesen werden, dass das Thermometer an Silvester selbst auf kuschelige -12 Grad absackte. Dennoch hätte man als der Zeitpunkt des Einlasses näherrückte fast den Eindruck gewinnen können, ein etwas übereifriger Eisskulpturen-Bauer habe vor dem Tavastia eine erstaunliche Anzahl an Schneemännern errichtet, die sich bei näherem Hinsehen dann doch als zwar eingeschneite, aber quicklebendige Festivalbesucher entpuppten. Bei aller Liebe zum Winter dürfte doch jeder froh gewesen sein, als sich um 20 Uhr schließlich die Pforte ins Warme öffnete.



Nachdem der Gang zur Garderobe den ehemaligen Eisskulpturen wieder normale Körperformen- und Farben zurückgegeben hatte, scharrt sich die Mehrzahl der Anwesenden vor der Tür zum Tavastia- Bühnenraum zusammen, wo später HIM spielen würden. Zunächst jedoch wurde die Bühne um 21:30 Uhr von der aus dem finnischen Jyväskylä stammenden sechsköpfigen Melodic Death Metal-Kombo GHOST BRIGADE geentert. Während diese die Körpertemperatur des Publikums wieder aufs normale Maß und darüber hinaus brachten, begann sich das benachbarte und durch einen Gang mit dem großen Bruder Tavastia verbundene Semifinal zunehmend mit Leuten zu füllen, die des mit Spannung erwarteten Acoustic-Gigs der 69 EYES harrten.


Mit einem Fassungsvermögen von gerade mal 150 Mann und fehlender Absperrung war dort eine intime Atmosphäre garantiert und pünktlich zum Beginn um 22:20 Uhr war der Laden denn auch gerammelt voll. Die Band erschien zunächst als Trio- Sänger Jyrki 69 und die beiden Gitarristen Timo-Timo und Bazie, jeweils mit einer Akustikgitarre bewaffnet- und eröffnete ihr Set mit "Never Say Die", gefolgt von "Gothic Girl" und, unter großem Applaus, dem Klassiker "Brandon Lee". Für ebenso großes wie freudiges Hallo sorgte das sich auf dem ersten in Richtung des späteren Goth´n Roll-tendierenden gleichnamigen Album befindende "Wasting The Dawn", das schon seit etwa sieben Jahren durch Abwesenheit in der Setliste geglänzt und nun nach langer Zeit endlich den Weg zurückgefunden hatte- vielleicht, weil es sich in ein Akustik-Set einfach sehr gut einfügte. Zu dessen Auftakt fand auch Bassist Archzie den Weg auf die Bühne, dem im Zwischenteil dann schließlich zu allgemeinem Jubel Schlagzeuger Jussi 69 folgte, um den Sound mit Shakern und Artverwandtem zu vervollständigen. Noch weitaus größer wurde die Überraschung allerdings, als Jyrki schließlich mit den Worten: "You can dance if you like, or sing along... But whatever you do- don´t you step on my fuckin´ blue suede shoes!" doch tatsächlich den Auftakt zu Elvis´ "Blue Suede Shoes" gab. Und wer hätte das gedacht: es war, als sei Elvis auferstanden. Die dunkle Stimme des Sängers der 69 Eyes passte derart perfekt zum Timbre der viel zu früh verstorbenen Legende, dass es hier einfach konstatiert werden muss: Elvis lebt. Vielleicht ist dies seine Reinkarnation, vielleicht auch nicht, aber er hätte zweifellos seinen Spaß an dieser Darbietung gehabt. Den hatten die Band und das Publikum auch, und da man von manchen Dingen bekanntlich nicht genug bekommen kann, folgte etwas später dann mit "Heartbreak Hotel" auch noch ein zweites, ebenso gelungenes Elvis-Cover. Hübsch mit dem Vampir-Image der Band kokettierend kommentierte Jyrki anschließend mit den Worten: "That´s what The 69 Eyes sounded like in the 50s!". Vielleicht lebt Elvis ja also wirklich noch... Insgesamt bot das Set einen schönen Querschnitt des kreativen Schaffens seit "Wasting The Dawn", bei dem auch der eine oder andere Song zum Zuge kamen, auf den das Publikum auf den letzten Touren hatte verzichten müssen, beinhaltete aber genauso Material vom aktuellen Album "Back In Blood". Die Akustik-Atmosphäre kam bei ruhigen Liedern wie "Hunger" etwas besser zum Tragen als bei Uptempo-Rocknummern wie "Dead Girls Are Easy", aber gelungen war das komplette Set, das nach einer Dreiviertelstunde mit "Lost Boys" schließlich seinen Abschluss fand. Das Publikum wurde mit einem verfrühten "Happy new year, hyvää uutta vuotta!" sowie "Danke!" in zahlreichen Sprachen entlassen und begann umgehend, in Richtung Tavastia-Bühnenraum zu strömen, wo wenige Minuten später HIM beginnen sollten.



Dort befand man sich in überaus zahlreicher Gesellschaft, platze der Raum doch fast aus allen Nähten und der Temperaturunterschied zwischen Bühnen- und Barraum betrug locker um die 10 Grad. Falls jemand noch den Besuch einer finnischen Sauna eingeplant hatte, hatte er somit gewissermaßen fast schon zwei Fliegen mit einer Klappe erledigt. Der ursprünglich für 23:10 Uhr angesetzte Beginn verzögerte sich um zehn Minuten, bis dann schließlich die Musikkonserve ein Einsehen hatte und stattdessen das Intro ertönte, gefolgt von der Band, die mit "Bury Alive By Love" umgehend in die Vollen ging. Es folgte der erste mit Spannung erwartete Song vom Anfang Februar erscheinenden neuen Album "Screamworks- Love In Theory And Practice": "Heartkiller", seines Zeichens auch die erste Singleauskopplung, bewies Live-Tauglichkeit und das übliche Händchen für schöne Melodien. Als nach "Rip Out The Wings Of A Butterfly" immer noch keine Kippe in der Hand von Sänger Ville Valo, bis dato bekanntlich berüchtigter Kettenraucher, aufgetaucht war, stieg in dem einen oder anderen langsam der Verdacht auf, ob hier vielleicht tatsächlich jemand dem Nikotin abgeschworen haben könnte, denn im Tavastia herrscht zwar Rauchverbot, aber das hatte Herrn Valo bis dahin auch nie gestört und für jemanden, der sich gerade für die Dauer eines Eindreiviertelstunden-Sets auf Nikotin-Entzug befand wirkte er reichlich fröhlich und erzählte munter Anekdoten, deren Inhalt beziehungsweise Bedeutung allerdings weitestgehend den finnischsprachigen Anwesenden vorbehalten blieb. Mit einem Verweis auf BLACK SABBATH wurde das nächste neue Lied in Gestalt von "Love, The Hardest Way" angekündigt, dessen opulent-düsteres Kirchenorgel-Intro einen sich für einen Moment lang fast in einem irgendwie ins Dunkle abgerutschten Gottesdienst wähnen ließ und die Erwartungen bezüglich des zugehörigen anstehenden Albums zusätzlich erhöhte. Wer das Lied auf der Setlist zu finden versucht, sucht im übrigen vergeblich und sei daher an dieser Stelle erklärungshalber an den Punkt namens "Sullon Faijaa" verwiesen, da der gute Ville bei der Gestaltung und Benennung seiner handschriftlichen (wahrscheinlich sollte man eher schon sagen "gemalten") Setlisten mitunter beträchtliche Kreativität an den Tag legt. Für Überraschung im Set sorgte jedoch nicht nur neues Material, sondern auch das eine oder andere ältere Lied, das es schon geraume Zeit nicht mehr live zu bestaunen gegeben hatte, so zum Beispiel "Love Said No", die herrliche Schmachtnummer "Bury Me Deep Inside Your Heart" und das wirklich eine kleine Ewigkeit in der Versenkung verschwunden gewesene "Pretending". Alles in allem war Material von sämtlichen Alben vertreten- etwas, das in letzter Zeit eher Seltenheitscharakter gehabt hatte, da man insbesondere "Deep Shadows & Brilliant Highlights" in den letzten Jahren live ganz gerne unter den Tisch fallen lassen hatte. Mit dem bittersüßen "Scared To Death" war noch mehr Neues am Start, bevor "The Sacrament" als letztes Lied angekündigt wurde und Ville mit einem zuckersüß ins Publikum geflöteten "The Sacrament is... all of you!" schloss. Da schlagen Herzen höher. Entsprechend wurde energisch nach einer Zugabe verlangt und diese in Form von "When Love And Death Embrace" vom Debüt-Album "Greatest Lovesongs Vol. 666" auch gewährt, bevor der Spaß dann nach einer Spielzeit von über eindreiviertel Stunden endgültig vorbei war. Gut war´s, viel zu schnell vorbei (gefühlte Zeit steht hier wie immer gegen Echtzeit- wie Einstein schon wusste: Zeit kann ja so relativ sein) und die Spannung aufs pünktlich zum Valentinstag erscheinende Album dürfte noch ein Stück gewachsen sein. Wir warten also aufs Christkind- oder, ähm, nein, vielleicht doch nicht ganz, auch wenn man Ville Valo auf dem einen oder anderen Foto ja durchaus schon in Jesus-artigen Posen zu sehen bekam...



Alles in allem durften sich die Helldone-Jünger über einen rundum gelungenen Abend freuen, der eine ganze Reihe an Höhepunkten beinhaltete- und was kann man sich schließlich für einen besseren Weg vorstellen, das neue Jahr einzuläuten (sei es nun pünktlich oder etwas verfrüht) als in einem Rockschuppen mit erstklassigen Bands? Da pilgert man doch gerne wieder in den hohen Norden.

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