Konzert:

X-Mass Metalfest (u.a. Deicide, Destruction, Nile, Amon Amarth) - Tilburg, Club 013

Konzert vom 21.12.2003Über den Sinn und Unsinn der Metallysee-X-Mass-Festivals ist schon
Genug gesagt worden, da nimmt sich die diesjährige Auflage nur wenig: sieben Bands, 40 Menschen - äh, Sardinen - auf drei Bussen, oder aus Fansicht knapp sieben Stunden erlesener Krach fast ohne Pause, in den meisten Clubs ohne "Auslauf", die erste Band spielt, wenn man noch auf der
Arbeit ist, und bei der letzten gibt es keinen Sauerstoff im Club mehr. So
weit, so egal, denn ab Ruhrgebiet fährt man maximal eineinhalb Stunden
mit dem Auto nach Tilburg. Das 013, der dortige Club, liegt mitten in
der City mit zahlreichen Restaurants und Fressbuden drum herum und
einemParkhaus am Gebäude. Statt sieben spielen 12 Bands, allerdings auf zwei Bühnen verteilt, also kommt fast echte Festival-Atmosphäre auf: Man
reist weit an, trifft Leute aus aller Herren Länder und kann während
einer Band, die einem nicht so zusagt, nebenan (Tipp: das türkische
Restaurant Karnak) Fritten mampfen oder sich ausruhen.


So weit, so gut. Allerdings machte das Schnee- und Sturmtief "Fritz"
einen fetten Strich durch meinen Reiseplan: Mit etwa zwei Stunden
Verspätung rocke ich endlich an und bekomme gerade noch den letzten
Song von FINNTROLL mit. Die sind extra für dieses Mini-Festival angereist
und
sollten auch gestern in Antwerpen im Club "Hof Ter Loo" spielen.
Allerdings kamen dort am gestrigen Vormittag ganze Gipsplatten im
Zuschauerraum aus der Decke gekracht. Zum Glück war nur die lokale Crew
anwesend und niemand wurde verletzt, aber das Sicherheitsrisiko war das
Top-Thema im belgischen Fernsehen noch vor dem verunglückten
Urlauber-Bus.


Verpasst habe ich außerdem auf der großen Bühne "The Choice"
DEW-SCENTEDund GRAVEWORM, verpasst im "Kleine Zaal" DEMONIZER, NEMESIS IRAE und
SCARVE, weiter ging’s im großen Saal mit AMON AMARTH, die Angst vor dem
"schwächsten Konzert der Tour" hatten. Front-Wikinger Johann Hegg kann
aber mit geschwollenem Hals und verknoteten Stimmbändern noch
besorgniserregender Brüllen als viele Front-Huschen mit intakten
Falsett-Hälschen. Deutlicher Punktsieg im Spiel Schweden vs.
Erkältungsvirus. Aus dem Kleine Zaal hörte man ABORTED krachen, zum
Reindrängeln war es aber viel zu voll. Also besorge ich mir endlich
etwas zum Trinken (Achtung, damit das Zapfen selbst schneller geht,
kann
man nur mit kleinen Plastik-"Bonnen" bezahlen, die man sich vorher am
Automaten ziehen muss). NILE kommen mit pompösem Intro auf die Bühne
und
werden mit ebensolchem Applaus begrüßt. Genauso zuverlässig klappen nur
Momente später nach den ersten sekundengenauen Breaks die Kiefer
runter.
Normaler Weise sind diese mathematisch genauen technischen
Ami-Death-Bands absolut nicht mein Fall, aber allein dieses
gleichzeitige Staunen auf ca. 1000 Gesichtern war das Zuschauen wert.
MISERY INDEX kommen auch aus den US of A und sind die jungen Wilden auf
dieser Tour und bei Nuclear Blast im Stall. Frisch pusten sie den alten
Onkel Death Metal durch die Boxen, zackig und ohne unnötigen Respekt,
sehr cool. Anschließend schnell stärken, denn DESTRUCTION stehen schon
auf der großen Bühne. Es mag für Schmier, Mike & Drummer ein Risiko
gewesen sein, als einzige Thrasher bei einem (fast) reinen Todes-Paket
mitzufahren, aber es wird sich gelohnt haben: Das Merchandise von
DESTRUCTION ging über den Tresen wie geschnitten Brot, und das
ausverkaufte 013 platzte spätestens jetzt aus allen Nähten. Es gab das
Titelstück "Metal Warrior" und anderes von der neuen Platte, und bei
alten
Perlen wie "Bestial Invasion" das Machinen-Axt-Ballett. Thrash Metal
kann schon geil choreographiert sein... Schmier beließ es nicht bei
"und
der
nächste Song heißt..."-Ansagen, und nahm MTVVIVA und die tägliche
TV-Verdummung aufs Korn. Vor dem "Mad Butcher" tauchten die ersten
Gestalten am Bühnenrand auf, normaler Weise am letzten Tourtag ein
Warnzeichen, dass sich Vorbands oder Techniker mit Bier, Sahne,
Verkleidung oder ähnlichem witzig für zwei Wochen lang ertragene
Stinkefüße rächen wollen. Hier waren es stattdessen zwei Fans, die mit
einer mit Bandlogo verzierten Sahnetorte in Schmiers Geburtstag
reinfeiern wollten und zusammen mit vielen Kehlen ein "Happy Birthday"
anstimmten.


Für DEICIDE ging es anschließend um einiges, denn die Miterfinder des
Ami-Death hatten es sich mit unverständlich arrogantem Verhalten auf
den
letzten Touren gehörig bei Konzertveranstaltern und dem Publikum in
einigen Städten verscherzt. Glen Benton drohte, zur Selbstparodie zu
werden. Und deswegen
oder trotzdem grunzten sich DEICIDE durch Klassiker wie "Bible Basher",
präzise wie ein Gurgel-Automat, aber rumpelig und böse wie Ronja
Räubertochters Donnerdrummel. Legende gerettet.